Veröffentlicht: 03.03.2019
In der Primary School, die Leon und Aurel besuchen, werden den Kindern fünf Grundwerte besonders stark vermittelt: Respekt, Rücksichtnahme, Toleranz, Verantwortlichkeit und Ehrlichkeit. Diese Grundwerte werden nicht nur im Klassenverband, sondern auch in den wöchentlich stattfindenden Schulversammlungen, den so genannten Assemblies, thematisiert. Kinder aus dem Year 6, der letzten Grundschulstufe, halten z. B. kurze Vorträge über Toleranz, danach werden die Respect-Awards an jene SchülerInnen verliehen, die innerhalb der letzten Woche durch ihr vorbildliches Verhaltens in puncto Respekt aufgefallen sind. 20 bis 30 Kinder stehen dann stolz vor versammelter Schulgemeinschaft auf der Bühne und erhalten vom Direktor ihre Urkunden.
So eine Assembly beginnt immer mit dem Singen der Nationalhymne und dem gemeinsamen Aufsagen vom School Creed, quasi dem Glaubensbekenntnis der Schule. Vom Kindergartenkind bis zum Jahrgang von Leon, der hier ja im Abschlussjahr der Primary School ist, sprechen alle Kinder diesen pathetisch-schönen Text, der mit den Worten endet: Erinnern wir uns, dass so viele Hände diese Schule gebaut haben und so viele Herzen diese Schule ausmachen.
Da ich ja die ersten zwei Wochen mit Aurel im Unterricht gesessen bin, hab ich einen ziemlich guten Einblick ins Schulsystem gewonnen. Eine echt lustige Erfahrung mit 41 wieder in der Volksschule zu sitzen! Hocus pocus everybody focused! Schön wär's, wenn man mit ein bisschen Zauberei eine ganze Klasse dazu bringen könnte aufzupassen! Da braucht es ganz viel Geduld und Regel-Einfordern... Mir hat um 3 am Nachmittag, wenn die Schule endet, ehrlich gesagt der Kopf ziemlich geraucht... Ich bin ja kaum damit nachgekommen dem Aurel zu überetzen, ob er jetzt die Hände verschränken und aufmerksam zuhören oder sich doch auf den Teppich setzen oder, nein, knien soll, das Heft rausnehmen oder doch ins little Fach, pardon, doch das big Fach reinlegen soll. Und wenn man endlich langsam beginnt die Komplexität des 3-Ebenen-Belohnungssystems zu verstehen (Kind/Tischgruppe/ganze Klasse wird mit Smileys/Stricherln auf einer Liste/Dollars fürs Sportteam/kleinen Geschenken/Computerspielzeit belohnt) und die vielen Extra-Aufgaben, mit dem jedes Kind betraut wird (Lichteinschalter, Zettelausteiler, Bällekiste-Raustrager, Türaufmacher, Gutpunkte-Eintrager...), kommt die Freitags-Lehrerin und alles ist wieder komplett anders... Aurel hat diese Flut an Regeln und Verordnungen weniger gestresst als mich, er hat 's halt einfach nicht so genau verstanden bzw. genommen.
Mir ist aufgefallen, dass die Lehrerin, auch wenn sie jemanden ermahnen muss, immer sehr höflich bleibt. "Thomas, would you please stop hanging on the table, darling?" Und wenn Thomas endlich aufhört auf den Tischen herumzuturnen, wo man doch gerade am Boden sitzen und "carefully listen" soll, dann sagt die Frau Lehrerin: "Thank you, Thomas!"
Wie der Mann, der zu seinem Hund "Sit down" sagt und dann, nachdem sich der Hund hingesetzt hat, höflich "thank you" hinzufügt. Hab ich mich jemals bei einem Hund bedankt? Oder unserer Katze? Ich kann in puncto respect wohl auch noch viel lernen!