Veröffentlicht: 03.03.2019
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Es ist schon cool, wenn Rene mit Sofia noch vor der Schule surfen geht oder ich vormittags am samtweichen kilometerlangen Sandstrand vor der Haustüre laufen gehe, so geschehen z. B. vorgestern. Oder wie heute, wo wir die Kinder zur Schule begleitet haben und dann bis zum frühen Nachmittag durch Fremantle, das lässige Lend von Perth, flaniert sind. Aber ich hab nicht vor nur die Schokoladenseiten von Australien ganiert mit ein paar netten Urlaubsfotos zu präsentieren, sondern euch einfach ein bisschen an unserem Alltag in Downunder teilhaben zu lassen. Jetzt möchte ich den Strapazen des Visumantrages ein Denkmal setzen ;o)
Im Nachhinein betrachtet war der absolute Tiefpunkt der Visums-Odysee an jenem Abend auf Bali, als uns die Visa-Agentin damit beauftragte, wieder einmal irgendwelche Bestätigungen von den Grazer Schulen unserer Kinder zu schicken. Dazu muss man wissen, dass wir das letzte halbe Jahr bestimmt mehrere Containerschiffe voll übersetzter und beglaubigter Dokumente an die Einwanderungsbehörde in Australien geschickt hatten. Rene nannte dieses Erstellen von komplett unnötigen Briefen, die bestimmt kein Officer jemals lesen würde, liebevoll seinen Halbtagesjob. Ungünstigerweise gab es an jenem Tag kein WLAN in unserer balinesischen Unterkunft, generell keinen Strom, was Rene am späteren Abend noch in eine recht unangenehme Situation bringen sollte.
Es war also so, dass wir auf Bali gestrandet waren, weil unser vor Weihnachten versprochenes Visum auch am 9. Jänner, nach unserem Sightseeing in Berlin, noch nicht da war. Bali klingt jetzt so nach üppig blühenden, duftenden Tropenblumen, badewannenwarmen Meer und lächelnden Menschen - es klingt nicht nur so, es ist auch so, aber wer wesentlich weniger zu lächeln oder lachen hatte, waren wir! Weil uns dieser ungeplante Zwischenstopp irre stresste, verunsicherte und mehrmals täglich an den Rand der Verzweiflung trieb. Als verwöhnter Westler im Urlaubsparadies sollte man natürlich einfach nur die Pappn halten und dem Schicksal danken, dass man mit dem richtigen Reisepass auf die Welt gekommen ist, aber nachdem der Mensch doch immer wieder sich selbst der Nächste ist, taten wir uns unheimlich leid, dass wir diese zermürbende Warterei und Ungewissheit durchstehen mussten.
Mit dem Zeitdruck des australischen Schulbeginns im Nacken gelang es uns innerhalb von wenigen Stunden nach einigen Telefonaten mit lieben und hilfsbereiten Leuten zuhause diese blöden, unnötigen Dokumente zu organisieren. Jetzt müssten sie halt nur noch an die Visa-Agentin gemailt werden... wenn es WLAN gäbe...
Es war kurz vor Mitternacht, als sich Rene auf die Suche nach einem Lokal mit FREE WI-FI machte. So nett es tagsüber in den Straßen Balis ist, so unlustig ist es nach Einbruch der Dunkelheit durch die von wilden Hunden belagerten Gassen zu irren, wo bis auf ein paar zwielichtiger Gestalten kaum ein Mensch zu sehen ist. Schließlich ein beleuchteter Raum mit der erfreulichen Botschaft auf der Eingangstür, dass das Lokal erstens noch bis Mitternacht offen sei und zweitens seinen Kunden WLAN biete. Also nichts wie rein in den Wein-Shop, eine Flasche Rotwein gekauft und das Mail an die Visa-Agentin geschickt!
Zwei weitere sehr sehr lange Tage später, in denen wir alle möglichen Alternativen zum Projekt Australien eingehend durchüberlegt hatten ("Italien ist doch auch schön und außerdem in der EU!" - "Schau, ich hab eine coole Schule in Thailand gefunden, ganz nah am Strand!"), endlich das erlösende E-Mail mit der Nachricht, dass unser 3-Monats-Überbrückungs-Arbeitsvisum genehmigt wurde und wir endlich nach Australien einreisen durften! Darauf wurde natürlich gleich mit dem furchtbar sauren balineischen Rotwein angestoßen!
Wie man beim Wort 3-Monats-Überbrückungs-Arbeitsvisum vielleicht schon erahnen kann, ist die Visums-Geschichte an dem Punkt der Reise noch nicht abgeschlossen. Der ultimative Jubelschrei findet erst gute 4 Wochen später in der Umkleidekabine eines Surfshops statt, wo ich meinen ersten eigenen Wetsuit fürs Surfen kaufe und Rene mir plötzlich ein E-mail unter die Nase hält, in dem uns die Agentin zu unserem Langzeit-Arbeitsvisum gratuliert. Witzig daran, dass unser Visum in Berlin bearbeitet wurde, dort, wo wir als Einstieg in den Ausstieg zwei vergnügliche Tage als Touristen verbracht hatten. Wenn uns das damals schon bewusst gewesen wäre, hätte Rene vielleicht direkt mit dem deutsch-australischen Sachbearbeiter was tricksen können und die Visums-Odysee wäre ganz anders verlaufen, wer weiß?! Zuhause werden jedenfalls feierlich alle To-do-Listen für den Visumsantrag in tausend Teile zerfetzt (die Kinder helfen bereitwillig mit) und als mich dann am Strand ein Australier fragt, ob ich denn hier auf Urlaub sei, dann sag ich:"No, we live here" und fühle mich wie eine Jungvermählte, die zum ersten Mal "mein Mann" sagt und nicht mehr "mein Lebensgefährte"!
Das Positive am Zwischenstopp auf Bali hat mir eine liebe Freundin als aufmunternde Whatsapp-Nachricht zusammengefasst: Umwege erhöhen die Ortskenntnisse! Da könnte man jetzt direkt philosophisch werden... Ein zweiter positiver Nebeneffekt: Nachdem die Kinder von Nasi goreng das Nasi voll hatten, freuten sie sich erstmals auf Australien! Man muss die ganze Sache halt dramaturgisch richtig angehen!