querfeldein
querfeldein
vakantio.de/querfeldein

#134 Neue Freunde im Kosovo finden leicht gemacht

Veröffentlicht: 05.06.2022

25. – 26. Mai 2022: Skënderaj, Berim


F. Folgender Blogeintrag handelt über eines unserer schönsten und besten Erlebnisse unserer gesamten Europatour. Ich könnte wahrscheinlich ein Buch über diese zwei Tage schreiben, versuche mich aber kurz zu halten und falls jemand Interesse an mehr Details und Geschichten hat, muss er mich auf ein Bier einladen.

Als wir am Gjipe Strand in Albanien waren (#123), haben wir eine Gruppe junger Männer getroffen, die mit ihren Offroadfahrzeugen ein Wochenende am Strand verbracht hatten. Wir hatten uns nur kurz mit ihnen unterhalten und sie meinten, wenn wir im Kosovo sind, sollen wir sie kontaktieren. Das haben wir gemacht und es gab auch ein paar Tipps für Orte, die wir besichtigen sollten. Unteranderem war das Kriegsdenkmal in Skënderaj und die Bergregion um Berim mit dabei. Bei diesen beiden Tipps meinte der Autor der Facebooknachricht, wo wir bisher noch nicht wussten, welcher der 30 Leute vom Gjipe Strand es war, dass er mit uns mitkommen möchte, wenn wir da sind. Komisch, dachte ich. Naja, wir hatten mittlerweile einen Whatsappkontakt von Shpetim bekommen und sollten ihn irgendwo in der Fußgängerzone von Skënderaj treffen. Die Stadt ist mit ihren 20.000 Einwohnern überschaubar groß und auf der Suche nach einem geeigneten Parkplatz machte eine Person in einem lila Ärztekittel durch wildes Winken auf sich aufmerksam. Wir hielten an und trafen Valon den Zahnarzt und die Person, mit der Jenny tags zuvor telefoniert hatte. Was für ein Zufall dachte ich. Valon rief kurz Shpetim an, um mitzuteilen, dass wir an seiner Praxis geparkt hatten. Kurze Zeit später war Shpetim bei der Praxis angekommen und wir fuhren gemeinsam mit unserem Van und Shpetims Auto zu Valons Ferienhaus etwas außerhalb von Skënderaj. Dort trafen wir den Bruder von Valon, der ebenfalls Shpetim hieß. Gemeinsam wurden wir durch das Haus geführt und es wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass wir uns wie zuhause fühlen sollten. Zudem entschuldigte sich Shpetim, Bruder von Valon, dass er am Abend nochmal auf dem nebenliegenden Feld ein wenig mit dem Trecker arbeiten müsse und dadurch auch auf dem Grundstück des Hauses unterwegs sein würde. Für mich war diese Entschuldigung ein wenig komisch, da ich ja nur Gast hier war und es ja das Haus von Shpetim und Valon war. Er meinte aber zu mir, dass es jetzt mein Haus sei, da ich Gast hier bin und der Gast immer Gott sei (frei übersetzt). Wahnsinn, dass ist mal eine Gastfreundschaft!

Ausblick von der Terasse des Ferienhauses

Valon musste wieder zurück in seine Arztpraxis und wurde von seinem Bruder dorthin gefahren. Wir fuhren zusammen in Shpetims Auto zum Kriegsdenkmal in Skënderaj. Dieses Kriegsdenkmal ist der originale Schauplatz des Massakers der serbischen Armee an der Familie des Adem Jashari und hier sind die Gräber der 42 getöteten Familienmitglieder. Adem Jashari war der Kopf der aufständischen Unabhängigkeitsbewegung UCK und die serbische Regierung dachte, dass wenn man den Anführer auslöscht, der Rest der UCK auch verschwinden wird. Nach diesem Massaker aber wuchs die UCK so groß, dass es anschließend zu dem Kosovo-Krieg kam.

Der andere Shpetim hatte seinen Bruder mittlerweile bei der Praxis wieder abgesetzt und kam ebenfalls zum Kriegsdenkmal. Wir gingen also mit den beiden Shpetims durch die große Anlage und die beiden erzählten uns einige ihrer selbst erlebten Geschichten von der Zeit des Massakers und des Krieges. Durch die von Kugeln und Artillerie zerstörten Gebäude zu gehen und gleichzeitig von Zeitzeugen Geschichten zu hören, die das gleiche Alter haben wie ich, war extrem bewegend.

Familienhaus der Familie Adem Jashari
Hier sieht man noch die Brandspuren der Explosion.
Shpetim, Florian, Shpetim

Diese ganzen Eindrücke mussten Jenny und ich erstmal verarbeiten und ließen uns von Shpetim an unserem neuen Ferienhaus absetzten. Nach einer Dusche und ein wenig Ruhezeit holte er uns wieder ab und wir trafen in einer Bar weitere Mitglieder des Offroad Drenica Teams. Nach einem ausgiebigen Essen, zu dem wir eingeladen wurden, ging es weiter durch die Stadt zu einer weiteren Bar. Der Besitzer war ein guter Freund von Shpetim und es war ihm, nach eigener Aussage, eine Ehre uns in seiner Bar zu haben und lud uns und unsere beiden Stadtführer Valon und Shpetim auf ein paar Bier ein.

Am nächsten Morgen wurden wir von Shpetim wieder abgeholt und es ging wieder zu der ersten Bar vom vorherigen Abend. Hier trafen wir Adnan und Emin, die uns in die Berge begleiten wollten. Kurze Zeit später saßen wir zu fünft in Adnans großen Geländewagen und es ging erstmal zum Supermarkt. Hier wurde für das Mittagessen eingekauft. Danach trafen wir noch zwei weitere Mitstreiter für die Bergtour – ein Quadfahrer und ein Krossmotorradfahrer. Als wir dann kurz vor den Bergen die Hauptstraße verließen, fing Shpetim neben mir im Auto wie ein kleines Kind vor Freude an in seinen Sitz zu hüpfen. Jetzt realisierte ich, wie große die Freude aller Beteiligten war diese Tour zu machen. Von den beiden anderen Gefährten war, sobald wir auch die Nebenstraße verlassen hatten, sehr schnell nichts mehr zu sehen. Mit ihnen wurde aber noch über Funkgeräte Kontakt gehalten – Handyempfang gab es hier draußen keinen mehr. Über Stock und Stein brachte uns Adnan zu den spektakulärsten Aussichtspunkten, für die wir zu Fuß Ewigkeiten gebraucht hätten, um sie zu erreichen.

Ab durch den Dschungel
Spielkinder auf dem letzten Schneehaufen der Saison

Zum Mittagessen trafen alle drei Fahrzeuge wieder zusammen und gemeinsam wurde aus den mitgebrachten Lebensmitteln ein sehr leckeres und sehr umfangreiches Essen gezaubert. Nach dem Mittagessen ging es noch zu weiteren phänomenalen Aussichtspunkten und zu einer warmen Quelle. Der ganze Tag war ein absoluter Hammertag, den ich so schnell nicht vergessen werde.

Pauseplatz zum Mittagessen
Reichlich gefüllter Tisch...
Reichlich gefüllter Grill...
Pausenbeschäftigung - solange das Auto nicht fährt. :-)
Pause vorbei, es kann weiter gehen.
Hammeraussicht
Wo ist Florian?
Jenny ist auch im Bild
Blick auf Serbien
Mensch, ist das steil hier.
Warme Quelle
Warme Quelle

Bevor wir zurück zu dem Ferienhaus fuhren, hielten wir mit Shpetim noch bei seiner Familie an. Seine Frau und seine drei Söhne sind super nett und der eben noch total verspielte Outdoorfan Shpetim wurde zu einem liebevollen Vater dreier Kinder.

Am Abend saßen wir noch mit den zwei Shpetims, Valon und seiner Frau auf der Terrasse in dem Ferienhaus und ließen den Tag bei Pizza, Bier und selbstgemachtem Raki ausklingen.

Am letzten Morgen in Skënderaj trafen wir uns vor der Abfahrt nochmal mit dem kleinen Offroadteam vom Vortag in einem Café in der Fußgängerzone. Wir quatschenten noch eine ganze Weile lang und tauschten unsere Kontaktdaten aus. Auch hier wurden wir am Ende von dem Wirt/Besitzer eingeladen.

Es waren zwar nicht einmal zwei ganze Tage, die wir mit den ganzen Leuten aus Skënderaj verbracht hatten, dennoch hat diese unglaublich große Gastfreundschaft alle tief in mein Herz schließen lassen. Nicht nur, dass wir in den zwei Tagen nicht ansatzweise das Gefühl hatten, wir hätten eine Chance, eine Rechnung zu begleichen, sondern auch wie viel Zeit sich die Leute sich für uns genommen haben. Es wurde die Arbeit unterbrochen oder sogar einen ganzen Tag frei genommen. Das Ferienhaus wurde uns ohne Bedenken zur Verfügung gestellt und das alles nur, weil wir für 5 Minuten an einem Strand in Albanien mit einer Gruppe Offroadverrückten gesprochen hatten.


Tag 223 – Gesamttour 16.611 km


---- Abonnieren ----

Falls du unseren Blog abonnieren möchtest, kannst du dich entweder bei Vakantio anmelden und auf abonnieren klicken oder uns eine Nachricht zukommen lassen und wir setzen dich in unseren eigenen Verteiler. Über Feedback freuen wir uns natürlich auch!

Mail: querfeld2@gmail.com

Antworten

Kosovo
Reiseberichte Kosovo