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Hong Kong - Tai-Chi und Shopping für den dicken Geldbeutel

Veröffentlicht: 30.10.2018

Da ich heute zu Apple möchte, ist der Tag leider nicht für einen schönen Auflug nach Lantau, Lamma oder den New Territories nutzbar. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Also zäume ich das Pferd heute mal von hinten auf und bastele Sightseeing darum herum. Der Wecker klingelt in aller Herrgottsfrühe, um 5.30 Uhr. Ich stehe so leise wie möglich auf, um Armelle nicht unnötig zu wecken, springe in die Anziehsachen und mache mich auf den Weg. 


Mein Ziel ist der Kowloon-Park, auf dessen Plattform sich jeden Morgen die älteren und ganz alten Leutchen zum Thai-Chi treffen. Das finde ich so irre, dass ich mir das auf jeden Fall ansehen möchte. Zum Glück weiß ich ja inzwischen, dass der Park hinter Ladenzeilen und anderen Gebäuden versteckt ist. Auf der Plattform biegen sich bereits zahlreiche Omis und Opis zu der chinesischen Chillmusik, die aus einem vorsintflutlichen Rekorder scheppert. Zwei ältere Damen haben offensichtlich das Heft in der Hand. Sie stehen frontal vor den anderen und machen sehr einfache Energieübungen vor. Arme nach oben strecken und zur Seite. Ich setze mich auf den bepflanzten Mittelteil, lasse mich von der Musik tragen und schaue einfach zu. Chlorgeruch der benachbarten Schwimmbäder liegt in der Luft und das McDonaldszeichen blinkt völlig unsexy im Hintergrund. Aber das stört hier niemanden. Teilnehmer kommen und gehen, ganz nach Belieben. Geredet wird nicht viel, dazu ist es vielleicht auch noch zu früh am Morgen. Dennoch ist an den Gesten sichtbar, dass hier jeder jeden kennt und das vielleicht schon seit Jahren. Klasse, wie sie das so machen. Kein harter Workout, aber sicher gut, um mit mehr Beweglichkeit und Energie in den Tag zu starten. Ich genieße die Frische des Morgens, die von der aufgehenden Sonne vertrieben wird. 

Als ich mich satt gesehen habe, mache ich mich auf den Rückweg und lasse mich mit der Kamera durch die noch leeren Straßen treiben. Um diese Zeit sieht dieser Stadtteil ganz anders aus. Nicht unbedingt schöner, aber eben anders.



Im Hotel haue ich mich noch mal eine Runde aufs Ohr. Ich bin Armelle unendlich dankbar, dass sie mir zuliebe bereit ist auf Frischluftzufuhr zu verzichten. Bei diesem Straßenlärm kann ich bei offenem Fenster einfach nicht pennen. Ich bin eben eine Schlafmimose. Später stehen wir dann gemeinsam auf. Armelle möchte Lantau erkunden, während ich mich erstmal auf Nahrungssuche begebe. In einer der vielen Teeküchen, von denen ich im Reiseführer gelesen habe, versuche ich etwas zu essen zu bekommen. Die Herrin des Hauses ist offensichtlich wenig motiviert mich zu bedienen und reagiert nicht auf meine Bemühungen. Sie gibt mir zu verstehen, dass sie mich nicht versteht. Als ich sie dann nach dem Weg zur Canton Road frage, kann sie mir diesen in sehr flüssigem Englisch erklären. So eine blöde Kuh! Zum Glück passiert so etwas nur sehr selten. Eine Straße weiter finde ich dann ein Lokal, in dem lauter Einheimische sitzen und essen. Auch hier versteht man mich nicht, aber das macht nichts, denn ich werde zumindest bedient. Ich zeige einfach auf das Essen vom Nachbartisch, das ganz appetitlich aussieht und kriege ein paar Minuten später eine dampfende Schüssel der Suppe gebracht. Ich schaue meiner Nachbarin ab, wie sie ihre mit einer scharfen Soße peppt und dann beginnt mit den Stäubchen die Nudeln in sich hinein zuschaufeln. Ich tue es ihr gleich.
Keine Ahnung, was ich da esse. Aber es ist lecker. Die Klößchen schmecken nach Fisch und deswegen lasse ich sie liegen. Ich mag Fisch nur als Sternzeichen, auch wenn mir bewusst ist, dass mir kulinarische Highlights entgehen. Die Chinesen um mich herum schmatzen und schlürfen, was das Zeug hält. Und nach einer zufriedenstellenden Mahlzeit wird erstmal herzhaft und lautstark gerülpst. Puuuh, da kräuseln sich bei mir ja sämtliche Zehennägel. In puncto Tischmanieren bin ich wohl doch sehr europäisch geprägt.  
Während ich auf meinen Apple-Termin warte, schlendere ich die Canton Road entlang. Ich staune über die hypermodernen Glasfassaden. Genau wie in Hong Kong Island reiht sich hier ein riesiger Flagship-Store an den nächsten. Die teuersten Luxusmarken dieser Welt finden sich ausnahmslos alle auf dieser Straße. Aber das ist bei weitem nicht die einzige Shoppingoase für den dicken Geldbeutel. Die selben Markengeschäfte finden sich auch nochmal in Hong Kong Island und an anderen Stellen in dieser Stadt. Ich glaube, ich habe noch nie so viele Rolex-Läden gesehen wie hier. Noch nicht einmal in Dubai. 
Die Straße selber ist brechend voll mit Chinesen mit  teuren, vollen Tüten. Wieso können sie sich das leisten? Klar sind die Preise hier „günstiger“ als in Europa, aber billig ist anders. Ich denke an Jessica. Sie wäre hier sicher im siebten Shoppinghimmel und nicht mehr zu bremsen. Vor den Nobelläden sieht man so manches Mal Schlangen von wartenden exquisit gekleideten Frauen und Männern, die aussehen als wären sie einer Modezeitschrift entsprungen. Sie warten nicht etwa, weil der Laden so gerammelt voll wäre, sondern weil man in dieser Preiskategorie offenbar wartet bis der persönliche Shoppingassistent einen hineinbittet, um sich dann mit voller Aufmerksamkeit den individuellen Bedürfnissen dieses Klienten widmen und ihn quasi auf Händen tragen kann. Total krass! 





Ich nutze die  Zeit, um bei H&M neue Socken zu kaufen. Haha, H&M gibt es tatsächlich auch hier, aber gut versteckt in einer schicken riesigen Mall. Bei Starbucks gönne ich mir eine Kaffeepause und den Hong Kong Becher aus der Reihe „You Are Here“. Das Besondere an den bunten Bechern mit den Sehenswürdigkeiten der jeweiligen Stadt ist, dass man sie nur vor Ort bekommt. Man muss also dort gewesen sein, um sie besitzen zu können. Ist vielleicht bescheuert, aber wenn ich mir an grauen Novembernachmittagen eine Kerze anzünde und einen heißen Kaffee eingieße, dann habe ich jedes Mal eine wunderbare Gedankenreise.

 



 

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