Veröffentlicht: 08.09.2020
Es ist nicht ganz klar, ob es an der doch aufregenden und längeren Tour aus Montenegro an die Ägais, der kleinen Zeitumstellung oder der Hitze liegt, die uns lähmt, in jedem Fall sind wir etwas erschöpft und müssen in Afytos ein bißchen langsamer machen.
Eines der fantastischen Aspekte unseres Sabbaticals ist, dass wir genau dafür Zeit haben: Morgens ausschlafen, im Pool, auf der Yoga- oder Sportmatte etwas in Bewegung kommen und ausgiebig frühstücken. Die Uhr schreitet schneller voran als wir und die Mittagshitze erlaubt sowieso keine größeren Aktivitäten: Genau die richtige Zeit um in klimatisierten Räumen Homeschooling mit den Kindern zu machen: Wir lernen Nomen und Division mit Rest, Binärzahlen, wie das Universum entstanden ist und vieles mehr – mit unterschiedlich hoher Motivation auf allen Seiten, aber das ist zuhause ja nicht anders.
Wenn sich die Mittagshitze am Nachmittag legt, ist genau die richtige Zeit um an den Strand zu gehen oder eine kleine Wanderung nach Mavrobara zu unternehmen, einem unter Naturschutz stehenden kleinen See, in dem neben Fröschen, Schlangen und diversen Fischen auch Schildkröten leben. Sie sind es anscheinend gewöhnt, von Besuchern gefüttert zu werden, so dass sie uns angstfrei entgegen schwimmen. Wir halten jedoch weder Waffeln noch Melone für geeignetes Schildkrötenfutter, was die Kinder – und vielleicht auch die Schildkröten – gern anders gesehen hätten.
Auf dem Rückweg sind wir begeistert vom rotgoldenen Licht der Abendsonne, die das vor uns liegende Meer und die hügelige Landschaft beleuchtet.
Afytos ist wohl einer der schönsten Orte auf Kassandra, dem touristischstem der drei „Finger“ von Chalkidiki - oberhalb der Sandbuchten mit chilligen Strandbars erhebt sich der Ort mit sandfarbenen Häusern, Gässchen mit Souvenirshops und kleinen Plätzen und Promenaden mit diversen Restaurants.
Normalerweise würde all dies ab dem frühen Abend beginnen zu pulsieren und Urlauber würden um die besten Plätze mit Meerblick kämpfen. Doch es ist 2020 und Corona zeigt auch hier seine Spuren: Von den drei Tischreihen der Promenaden-Restaurants sind nur zwei mit großen Abständen aufgebaut und auch dort ist lediglich jeder dritte Tisch besetzt. So sehr wir es wie alle Touristen lieben, mit möglichst wenig Gleichgesinnten auf den ausgetretenen Pfaden zu flanieren, so spürbar wird doch auch hier, wie bitter der Einbruch des Tourismus für all die Läden und Lokale ist und es liegt eine leicht bedrückte Stimmung über dem Ort, wenn beim Softeis-Kaufen die Masken das gegenseitige Lächeln verstecken.
Noch deutlicher wird uns dies auf einem weiteren Zwischenstopp, den wir auf dem Weg nach Athen in Paralia Kallithia einlegen: Als wir dort am Nachmittag durch die ausschließlich auf Tourismus orientierten Straßen zum Strand laufen, fühlt es sich fast an, wie in einem dieser Italo-Western, in dem auf menschenleeren Straßen der Wind abgerissene Veranstaltungszettel aufwirbelt und im Hintergrund läuft leiernd "Spiel mir das Lied vom Tod"...