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Kokosnussfladen und Gedanken zum Reisen

Veröffentlicht: 06.10.2019

Die Tage in Kandy verflogen schnell, und nach der Fertigstellung meiner Dschungelwand sollte es mit dem Zug über das kleine Gebirgsdörfchen Nuwara Eliya nach Ella gehen. Diese Zugstrecke taucht wohl in jedem Beitrag über Sri Lanka auf, gilt sie doch als eine der schönsten Zugfahrten weltweit. Die eindrucksvollen Bilder des leuchtend blauen Zuges, der durch üppige, nebelverhangene Teeplantagen und unberührten Dschungel tuckert, hatten es auch mir angetan. Beim Eintreffen am Bahnhof um 7:30 Uhr dann die Hiobsbotschaft – Zugstreik! Und das auf unabsehbare Zeit. Die beiden Australier, mit denen ich unterwegs war, und ich, konnten unsere Enttäuschung kaum verbergen. Aber es nützte nichts, also ab ins Taxi, um zumindest die Hälfte der Strecke nach Nuwara Eliya zurückzulegen. Auch wenn es fast durchgängig regnete, war auch die Fahrt im Taxi durchaus erlebnisreich und eindrucksvoll. Unterwegs waren wir unverhofft Teil der singhalesischen "Tour de France", das beutet hier allerdings, dass 100 Rennradfahrer im Affenzahn bei strömenden Regen die Serpentinen runter sausen - ohne Straßensperre. Mehr als einmal sah ich sie innerlich bereits auf unserer Windschutzscheibe kleben, aber verrückterweise ging alles gut.
Das „beschauliche Bergdörfchen“ entpuppte sich dann allerdings als unerwartet vollgestopft, trubelig uuuund – kalt. Als wir nachmittags ankamen, waren es ca. 18 Grad, nachts kühlte es sich auf den knapp 2.000 Metern über Meeresspiegel jedoch erheblich ab, und die Kombination mit anhaltendem Regen und der extremen Luftfeuchtigkeit erzeugte eine klamme Kälte, die durch jede Ritze drang. Ich war darauf relativ gut vorbereitet, die beiden Australier waren allerdings völlig verblüfft, dass es in Sri Lanka nicht immer Sonnenschein und 35° C gab. Australier halt. Also teilte ich all meine langen Klamotten und bereits um 17 Uhr lagen wir unter dicke Decken gekuschelt, mit mehreren Lagen Kleidung, in unserer recht spartanischen Unterkunft. Die fühlte sich an, scheinbar ohne jegliche Isolierung oder Dämmung gebaut, als würde man im Oktoberregen in einem Schuhkarton schlafen. Möglichst schnell verließen wir daraufhin am nächsten Tag den so idyllisch angepriesenen Ort, um mit dem Bus nach Ella zu fahren.
Ella hat den Ruf einer kleinen Touristenhochburg inmitten von Teeplantagen und mystischen Bergen, und ausnahmsweise war dieser Ruf berechtigt. Die Busfahrt wiederum stellte alles Erwartete in den Schatten. Wir waren zwar nur knapp 3 Stunden unterwegs, jedoch ergatterte ich nur für die letzte halbe Stunde einen Sitzplatz. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits mehrfach schweißgebadet, zum einen aus Angst, da auch der Ruf der Busfahrer als absolut geistesgestörte Straßenrowdies zutraf. Zum anderen, weil die engen Serpentinen der Hochlandstraße einen dauerhaft hin-und herschleuderten und ich mich 2 Stunden lang krampfhaft festhalten musste. Umfallen wäre zwar quasi unmöglich gewesen, da der Bus über jegliche Komfortzone hinaus überfüllt war und man nicht umhin kam, vieeel zu engen Körperkontakt zu haben. Mein Platz war jedoch stehend, mit geneigtem Kopf unter die Gepäckablage gequetscht, vor der ersten Bankreihe, auf welcher zwei Mönchen saßen, denen ich nun wirklich nicht mehr als notwendig auf die Füße treten wollte. Mönche haben immer einen garantierten Sitzplatz, diese beiden blickten jedoch recht unglücklich darüber die ganze Zeit betreten zu Boden, weil ich nicht anders konnte, als schwitzend, mit einem entschuldigendem Grinsen, meinen Hintern direkt vor ihren Nasen hin-und herzuschaukeln. Mit zitternden Armen, blauen Flecken und Schwielen an den Händen (und ich übertreibe wirklich nicht, LEIDER!), kamen wir dann endlich in Ella an. Nach den weniger komfortablen letzten Nächten hatte ich mir ein eigenes Doppelzimmer in einem kleinen Gästehaus am Hang „gegönnt“, und verdammt, war ich froh darüber!!! Der Ausblick war herrlich, und meine Gastgeber machten ihr mangelndes Englisch durch Herzlichkeit und Fürsorge locker wett. Auch wenn ich nie verstehen werde, warum man bei einer so unglaublichen Flora und Fauna den ganzen Balkon mit hässlichen, quietschebunten Plastikblumen bestückt...
Auch in Ella regnete es zwar viel, aber ich unternahm dennoch eine Wanderung zum „Little Adams Peak“, dem kleinen Bruder des berühmtesten und höchsten Berges Sri Lankas. Zwar wollte ich ursprünglich auch den Adams Peak erklimmen, auf welchem wohl Buddha höchstpersönlich seinen Fußabdruck hinterlassen haben soll… vielleicht auch Vishnu, oder Adam, darüber ist man sich nicht ganz einig... jedoch wurde aufgrund des starken Regens dringend davon abgeraten. Der Little Adams Peak war jedoch auch absolut herrlich, und ich fand die Landschaft und umliegenden Berggipfeln zwischen mystischen Wolken sogar irgendwie eindrucksvoller und erhabener, als im puren Sonnenschein. Auch die 9 Arch Bridge, eine architektonische Errungenschaft der Kolonialzeit, schaute ich mir an. Über diese tuckert normalerweise der bereits erwähnte blaue Zug und bietet ein farbenfrohes Fotomotiv – für mich halt ohne Zug, im Regen. Machte nix, und nachdem ich wieder einige Blutegel in meinen Schuhen fand, wollte ich dort eh einfach nur schnell weg. Ella ist jedoch auch bei durchwachsenem Wetter ein wirklich nettes und sehenswertes Örtchen, in welchem es sich gut aushalten lässt. Mein persönliches Highlight war der Kochkurs mit Priya, bei welchem wir allerlei lokale, traditionelle Speisen zubereiteten – und verputzten. Eine Schweizer Familie und Ich waren die einzigen Teilnehmer, und wir lachten und schwatzten viel, während Priya uns in fabelhaftem Englisch in die Besonderheiten und Geheimnisse der singhalesischen Küche einweihte. Am Ende schlemmten wir Kurkuma-Reis mit Rote-Beete-Curry, Bohnen-Curry, Ananas-Curry, Kürbis-Curry, Dhal, Auberginensalat, Coconut Sambol (frisch geraspelte Kokosnuss mit Chili, Zwiebeln und Tomaten), Coconut Rotti (Salzteigfladen mit eingebackenen Kokosraspeln) und Papadam (Chips auf Reismehlbasis). Alles schmeckte fantastisch, und die herzlichen Umarmungen am Ende machten mich fast so glücklich, wie mein voller Bauch. Tags darauf kamen auch Cameron und Thien aus dem Hostel in Kandy nach Ella und wir zogen gemeinsam durch die belebten Bars und Restaurants.

Dieser Mix aus Gesellschaft mit gleichgesinnten Reisenden und viel Zeit für mich allein, die ich zum Entdecken als auch Entspannen nutzen kann, ist für mich wahnsinnig wertvoll. Weder das eine noch das andere wäre auf Dauer erfüllend, aber die Kombination finde ich super und bin immer wieder froh, dass ich auf so tolle Menschen treffe. Alleine zu reisen bedeutet nicht, immer gern allein zu sein, sondern sich bewusst Zeit nur für sich selbst zu nehmen. Meine Erfahrungen als Alleinreisende haben mir gezeigt, dass sich auch an jedem noch so abgelegenen Fleckchen Erde neue Freundschaften finden können, wenn man mit offenem Herzen und Neugier unterwegs ist. Kaum ein Solotraveler ist wirklich gern 24/7 allein, und somit hegen sehr viele davon den Wunsch nach etwas Anschluss und Gesellschaft. Ich liebe den Austausch mit erstmal „fremden“ Reisenden, da sich daraus immer wieder neue Perspektiven und Ideen ergeben, welche man im deutschen Alltag nur schwer findet. Auch bei mir dauert es zwar immer eine Weile, bis ich in dem Modus bin, proaktiv auf andere zuzugehen… weil wir Zuhause auch einfach nicht diese Mentalität haben. In Kanada war ich anfangs jedes Mal super skeptisch, wenn mich jemand ohne Notwendigkeit ansprach, dabei war es dort einfach normal, auch an der Supermarktkasse einen kurzen Plausch über das Wetter oder das letzte Hockeyspiel zu halten. Diese offene, spontane und unverbindliche Art der Kommunikation findet in Deutschland sehr selten statt, öffnet auf Reisen jedoch unheimlich viele Türen. Manchmal ergibt sich daraus nur ein netter Abend oder eine gemeinsame Aktivität, aber manchmal, und da war das Glück bisher definitiv auf meiner Seite, auch Freundschaften fürs Leben.

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