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Hippies und Happy Hour

Veröffentlicht: 06.10.2019

Meine nächste Etappe führte mich endlich ans Meer, nach Arugam Bay. Arugam gilt als Surf-Enklave an Sri Lankas Ostküste, und bietet zwischen Juni und September, wenn an der Westküste noch der Monsun tobt, hervorragendes Wetter und Wellen. Ich kam pünktlich zur End of Season am 30.09. hier an, lechzend nach Sonnenschein und heiß darauf, endlich mal wieder aufs Brett klettern zu können. Das Wochenende zuvor haben hier Sri Lankas Surfmeisterschaften stattgefunden, bei meinem Eintreffen war von dem Trubel jedoch nichts mehr zu spüren, einige Hotels und Hostels hatten sogar bereits geschlossen. Ich quartierte mich im Beach Hut Hostel ein, in welchem ich, dank End of Season, sage und schreibe 4 $/Nacht für ein Doppelzimmer mit eigenem Bad bezahlte. Sporadisch und etwas abgerockt, okay, aber mit direkter Strandnähe und großartiger Aussteigeratmosphäre – definitiv eine Empfehlung meinerseits. Direkt klapperte ich die zahlreichen Surfshops nach einem guten Deal ab und bummelte durch das Örtchen. Es war das erste Mal, dass ich alleine wirklich BUMMELN konnte, ohne mich der eingangs beschriebenen Aufdringlichkeit der Singhalesen ausgesetzt zu fühlen, und man, wie genoss ich es. Alles und alle hier schienen entspannt und ganz gemächlich den Tag zu genießen, selbst die Tuktukfahrer hupten nur halb so viel, wie andernorts. Den Abend verbrachte ich bei richtig guter Livemusik mit Julia, einer anderen Solotravelerin, die ich im Taxi von Ella nach Arugam kennengelernt hatte. Wir stolperten quasi von einer Happy Hour in die nächste, etwas, was sich offensichtlich kaum vermeiden lässt und fast jeden meiner Abende in Arugam kennzeichnete :D Beim Surfen am etwas außerhalb gelegenen Whiskey Point lernte ich dann Gil kennen, einen ebenfalls alleinreisenden Israeli. Wobei „alleinreisend“ in diesem Fall relativ ist, da Arugam zu diesem Zeitpunkt aus 90 % Israelis zu bestehen schien. Als hauptsächlich muslimisch geprägtes Örtchen scheint dies das neue Topziel für Israelis zu sein, und so gab es ganze Strandabschnitte, Hotels und Partys, welche nur für diese Zielgruppe ausgelegt waren. Gil bestätigte, dass die Unarten der Israelis im Wasser (nämlich einen F*** auf Surf-Etikette zu geben und in jede verdammte Welle zu droppen) auch ihre Mentalität auf der Straße widerspiegelt, weswegen Gil versuchte, seinen Gefolgsleuten etwas zu entkommen. Er war scheinbar die bestätigende Ausnahme der Regel, und so erkundeten wir gemeinsam verschiedene Surfspots in der Region uuuund – Happy Hours. Meine Freunde aus Kandy hatten sich mittlerweile ebenfalls im Beach Hut einquartiert, und so konnte ich wieder frei aus Pauli-Zeit und Social-Zeit wählen – Großartig, ich sags euch!  Tagsüber fuhr ich meist allein oder mit Gil im Tuktuk an einen der vielen Surfspots in der Umgebung, die Abende verbrachten wir dann in unserer Hostel-Truppe bei zahlreichen Mango-Mojitos und Lion Lager in den gemütlichen Bars am Strand. Da jeder immer noch jemanden am Nachbartisch zu kennen schien, fanden sich meist Gruppen von 10-15 Leuten aus aller Herren Länder zusammen, die in einem Kauderwelsch verschiedenster Sprachen erzählten und lachten.

Eines der spannendsten Dinge am Allein-Reisen ist ja, dass man sich selbst immer wieder neu kennen lernt und sich regelmäßig mit den Grenzen der eigenen Komfortzone auseinandersetzen darf. Man muss mit niemandem seine Entscheidungen absprechen, trägt allerdings auch die Verantwortung dafür ganz allein. Da ist niemand, dem man die Schuld geben kann, wenn die Unterkunft mehr Kakerlaken als Kopfkissen hat, das nette Strandlokal eine totale Touristenfalle war oder der Tuktuk-Fahrer einen mal wieder übers Ohr gehauen hat. Neben viel Zeit für sich allein, in der man sich mal mehr, mal weniger gut leiden kann, findet man aber natürlich dennoch schnell Anschluss.
Um auf die besagten Abende in Arugam zurück zu kommen: Ich persönlich finde es dabei immer mindestens genauso interessant zu beobachten, wer welche Rolle in einer neuen Gruppe übernimmt und zu deren Dynamik beiträgt. Durch zahlreiche random Nebenjobs habe ich mittlerweile ein Jahrzehnt Erfahrung darin, immer wieder neue Teams zu bilden und die Persönlichkeiten einzuschätzen, und dennoch bin ich immer wieder von Menschen und mir selbst überrascht. Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen der ein oder anderen Sprachbarriere, basiert dabei unheimlich viel auf Humor. Ich fand es großartig, wenn Cameron schottische Witze erzählt hat, die eigentlich nur er selber lustig fand, weil wir sie aufgrund mangelndem (versautem!) Vokabular nicht verstanden haben. Dennoch haben wir uns krumm gelacht, mehr über ihn als den Witz, einfach weil sein Lachen so ansteckend war. Es ist witzig, sich dabei gegenseitig mit diversen Klischees über andere Nationalitäten aufzuziehen und festzustellen, dass diese doch alle irgendeinen Ursprung haben. Recht häufig wurde auch ich für mein wohl sehr typisch deutsches Verhalten geneckt… weil ich einfach lieber bereits am Abend vor der Abreise meinen Rucksack packte und alles sorgsam in meine Vakuumtüten verstaute, oder immer genau wusste, wann und wo welcher Bus fuhr. Da ich aber auch meistens am besten wusste, wo die nächste Happy Hour war oder es das Bier zum halben Preis gab, zogen am Ende alle ihren Vorteil daraus ;) Die 3 französischen Brüder, die Teil unserer Gruppe waren, gaben häufig vor (mit einem Grinsen), vor Kälte zu zittern wenn sie mich berührten, weil ich für ihre Verhältnisse ein emotionsloser Eisklotz war, nur weil ich diese dämliche doppelwangige Küsserei bei jeder Verabschiedung verweigerte. Anyway… Arugam war herrlich, und ein kleines Paradies, das ich sicher vermissen werde. Auch wenn wir am Ende im Hostel alle mehr für unsere Getränkeabrechnung als Unterkunft+Essen bezahlen mussten... ;)

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#sri#lanka#ceylon#asia#arugam