Veröffentlicht: 22.07.2019
Freitag 21.12.18
Ich gerate an meine Camper-Grenzen, als ich bei 7 Grad zum Waschhaus husche und in diesem ungeheizten Bereich auch noch unter die Dusche steige. Für 1$ werde ich aber 7 Minuten von heißem Wasser beglückt, umso grauenvoller ist es, als das Wasser aufhört. Da der Duschvorhang fehlt, ist hinterher alles auch noch naß. Ich ziehe also meine nun feuchte Jogginghose an und die feuchten Socken und putze mir schnell die Zähne. Kapuze auf die nassen Haare und tapfer sein. Der Waschraum ist eine Backstein-Behausung, die im oberen Bereich unter dem Dach offene Bausteine hat, damit hier immer schön die (kalte) Luft zirkuliert. Seit letzter Nacht überlege ich, ob ich die Reise abbreche oder ob ich ab jetzt erstmal in Hotels ziehe. Aber nein, ich will hier nicht klein beigeben - es ist Neuseeland und meine dritte Reise hierher. Ich bin extra nur auf die Südinsel gefahren, um ganz bestimmte Sachen zu sehen, die ich bisher nicht gesehen hatte oder zu kurz. Ein Blick auf mögliche Hotelpreise kuriert mich zudem von dieser kurzfristigen Schwäche...
Ich muß zur Kaffeezubereitung im Wasserkocher erstmal den Heizlüfter abstöpseln, da beides wieder die Sicherungen zum Rausknallen bringt. Aber mit etwas Bewegung und wieder angestelltem Heizlüfter gelingt mir ein recht gemütlich-warmes Frühstück in meinem Camper und ich verlasse um 9.45h diese kalte Ecke. Nun hat Naseby neben wirklich niedlichen alten Gebäuden aus der Goldgräber-Ära auch noch eine Weltberühmtheit und zwar die Eisstockschieß-Halle. Es ist dies die einzige der südlichen Hemisphäre und hier werden sogar Weltmeisterschaften im Curling abgehalten. Heute ist nicht viel los, als ich vor der Halle parke. Aber der Hausmeister freut sich über unerwarteten Besuch und ich darf einmal die Halle ansehen – der ganze Stolz des Vereins. Drinnen hängen viele Wimpel von internationalen Curling-Clubs, auch aus Österreich und Deutschland aber auch aus Qatar, wo Curling wohl eine ziemliche Seltenheit sein dürfte. Leider ist hier niemand am Trainieren und die vier Bahnen liegen leer vor mir. Vor 14 Jahren hat sich dieser Ort diese Halle gegönnt. Auch jetzt im Hochsommersind hier täglich bis zu 70 Sportler aktiv, aber eben nicht morgens um 10h.
Das Wetter ist immer noch ziemlich bedeckt, aber hinter Naseby beginnt eine der Passstraßen, die ich mir vorgenommen hatte. Der Dansey Pass ist eine Schotterstraße, die sich aber super fahren lässt. Nach 15km habe ich Kyeburn Diggins erreicht. Als Ort oder Dorf würde ich das noch nicht einmal bezeichnen. Es ist eher nur das Dansey Pass Hotel, ein uriger Holzbau, in dem man auch etwas essen könnte. Ich habe aber mit einigen Fotostopps schon einige Zeit unterwegs verbracht und in den Bergen vor mir ziehen schwarze Wolken auf. Kurz hinter dem Dansey Pass Hotel stehen mehrere Warnschilder, dass die Weiterfahrt mit größeren Vehikeln auf der steilen, kurvigen Straße nicht angezeigt ist. Angesichts des drohenden Regens und der Tatsache, dass ich nicht weiß, ob die Straße so gut ist, wie bisher, drehe ich um und fahre wieder zurück nach Naseby. Die Landschaft entlang dieser Strecke ist toll. Einerseits seichte Hügel, andererseits schroff abfallende Steilhänge. Dazwischen Wiesen mit Ziegen und Schafen und eine wundervolle Menschenleere. Im Winter muß das hier enorm kalt sein. Es gab hier Lawinenabgänge, Menschen die erfroren sind und registrierte Temperaturen deutlich unter -20°C.
Als ich Naseby hinter mir gelassen habe und wieder auf den SH87 treffe, entscheide ich mich, nicht noch nach Ranfurly zu fahren, sondern ich biege nach Westen ab und folge nach etwa 20km einer Schotterpiste nach St. Bathans in der Region Maniototo, immer noch in Central Otago. Der Ort mit 10 Einwohnern ist eigentlich eher eine kleine Straßenfront, die vom Vulcan Hotel dominiert wird, dem Dorf-Pub. Auch St. Bahtans hat seinen Ursprung in der Zeit des Goldrushs in dieser Gegend. Gegenüber des Vulcan Hotels kann ich parken und habe eigentlich vor, den gleich dahinter liegenden Blue Lake zu erwandern. Ein seltsames Gebilde, dieser See dessen steile kalkweiße Uferwände von Ausbuchtungen durchzogen sind. Dies war einmal eine aktive Goldmine und dieser See ist durch den Abbau des Erdreichs entstanden und die kurvigen Steilufer sind einfach menschengemacht. Und schon fängt es mal wieder an zu regnen und mein Spaziergang endet nach etwa 150m und da es kalt ist und ich keine Lust auf Weiterfahrt habe, lasse ich mich als einziger Gast im Vulcan Hotel an der Bar nieder, bestelle mir einen Kaffee und ein Sandwich und beobachte die Inhaber dabei, wie sie Weihnachtsdeko an die verstaubten Wände und Devotionalien der Kneipe anbringen. Hinter mir macht man den Ofen an, der wohlige Wärme an meine kalten Beine abstrahlt – dieser Sommer ist wirklich legendär.
In strömendem Regen fahre ich von St. Bathans zurück auf den SH85 und folge dem nach Süden, biege bei Omahau ab auf die Loop Road und erreiche das kleine Dörfchen Ophir. Ein weiterer Ort aus der Goldgräberzeit, abseits aller Touristenströme und ein hübsches Dorf mit einer enorm breiten Dorfstraße und herrlichen Bauerngärten und netten Holzhäusern aus dem vorletzten Jahrhundert. Hinter dem alten Post Office liegt das Gefängnis mit 2 Zellen. Der Ort ist praktisch menschenleer. Nur zwei Radfahrer laufen hier ebenso herum wie ich. Die breite Dorfstraße ist gesäumt von Gräben links und rechts, die vor rund 150 Jahren angelegt wurden, um das Spülwasser aus den Goldminen abzuleiten. Ich habe Glück, dass hier in diesem postkartenschönen Dörfchen das Wetter mal trocken bleibt. Aus diesem verschlafenen aber hübschen Nest fahre ich in Richtung Clyde. Der Ort ist eine niedliche Mischung aus Künstlerort und Goldgräberromantik, mit einer Hauptstraße die über ein paar Cafés und Läden verfügt und in deren Auslagen Goldschmuck, Kunstgewerbe und ähnliches zu finden ist. Ich göne mir ein real fruit ice cream, diese für mich leckerste Eiszubereitung der Welt. Tiefgefrorene frische Früchte werden mit Vanilleeis durch eine Presse gejagt und ergeben ein außergewöhnliches Softeis mit intensivstem Fruchtgeschmack. Kurz außerhalb von Clyde kann man noch auf den Lake Dunstan und die Staumauer schauen. Der Clutha River ist hier auf einer Länge von über 30km aufgestaut worden und ergab einen dreigeteilten Stausee, der heute auch für allerlei Freizeitvergnügen genutzt wird.
Weiter geht’s nach Süden, ich kaufe in Alexandra noch ein paar Lebensmittel ein und genieße schöne Landschaftsperspektiven auf dem hügeligen weiteren Weg, der in eine weite Ebene mündet. Hier ist das Obstanbaugebiet schlechthin und es gibt etliche Schilder, die zu Bauernhöfen und food stalls verweisen, die Kirschen, Aprikosen und Äpfel anbieten.Um 18.30h bin ich in Beaumont. Ich bin froh, dass der Campground offen hat, denn hier ist irgendwie die Welt zuende. Keine Häuser weit und breit und Beaumont scheint ausschließlich aus der kleinen Camping-Wiese und dem Pub zu bestehen. Ein etwas seltsamer Platz. Eigentlich scheinen hier nur 2 Dauercamper zu stehen. Zum Campground gehört der einzige Pub des Dorfs und es sind ausschließlich Männer hier, laut am Palavern und Bier trinken. Der Campground ist mit 15$ für eine powered site der billigste, den ich bis zum Ende der Reise haben werde. Es gibt zwar WLAN, aber auf der Wiese neben dem Gebäude, wo die Stellplätze sind, ist kein Empfang. Ich komme mit dem Besitzer ins Gespräch, weil die Toiletten abgeschlossen waren, und es stellt sich heraus, dass er Isländer ist, der eine Neuseeländerin geheiratet hat und hier nun sein Glück gefunden hat.
Die Waschräume und die Küche nutze ich völlig alleine. Sehr prima. Duschen sind im Preis auch noch enthalten, Wasser ist warm und die Duschen sind sauber.
Die Abendsonne scheint plötzlich so unschuldig vom hohen Himmel, das man meint, ein sonniger Sommertag ginge zuende. Um mich herum sind bewaldete Hänge und hinter dem Campground verläuft der Clutha River in seinem ursprünglichen Bett.
Der Campingtisch wird ausgeklappt, der Tisch gedeckt und ich gehe in die Camp Kitchen, um mir etwas warm zu machen. Draußen fängt es zwischendrin an zu regnen, der Tisch ist nass, das Geschirr, die Zeitung – aaaaaah! Aber bald ist es wieder trocken und das zweite Mal auf dieser Reise schaffe ich es draußen zu essen, bevor es auch hier mal wieder zu kalt wird, weil der Wind so eisig ist.