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Tag 54: Den Bluthund am besten “medium - rare”

Veröffentlicht: 29.08.2016

22.08.2016


“Never give up“ ist wohl der charakteristischste und treffendste Leitspruch, falls man einen solchen für meine Surfkarriere sucht. Nun versuche ich mich – mal mehr mal weniger erfolgreich – seit acht Jahren in der Sportart. Trotz überschaubaren Erfolgs schaffe ich es irgendwie immer wieder, mich zu motivieren. Daher kommt es auch direkt nach den verblasenen Versuchen am Profibrett zu einer logischen Amtshandlung, als ich außerhalb des Wassers bin – Wellenbericht checken für den nächsten Tag in Byron Bay. Dieser soll ziemlich ansehnlich und am Morgen sogar hervorragend werden. Schlussfolgerung: Wir fahren heute schon bei Dunkelheit los, um zu den Ersten zu zählen, die dem morgendlichen Geplantsche beiwohnen können.

Angekommen in Byron das ernüchternde Resultat der hervorgegangenen Berechnungen. Ich surfe fast so schlecht wie meine Deutung der Wellenprognose ist. Und trotzdem macht es mir heute besonders spaß, bei kleinen aber letztlich doch vertretbarem Wellengang, angefeuert vom zweiten Besucher des Meers, einem älteren Mann aus Sydney, die ersten Wellen auf meinem neuen Brett tatsächlich zu surfen. Nach und nach gehen der Alte und ich eine Symbiose im Wasser ein, nütze ich ihm doch aufgrund meiner Anwesenheit und Gesprächigkeit, während er sich als hervorragender Lehrer der Duck – Dive Technik entpuppt.

Viel zu lange verweile ich im eiskalten Wasser und vergesse fast, dass Gudi auf mich warten muss und noch nicht gefrühstückt hat. Als ich schlussendlich das äußerst kühle Nass verlasse stelle ich fest, dass es sich ein wenig anfühlt, als würde man gefrorene Finger unter heißem Wasser auftauen. Ein witziges Gefühl auf der Hand, weniger prickelnd (wobei eigentlich genau das: es prickelt) am ganzen Körper. Vielleicht sollte ich doch noch Geld investieren und mir einen Neoprenanzug besorgen, irgendwie bin ich aber der Meinung, dass Badehose und Lycrashirt in Lederhosenoptik (Hallo Patriotismus!!) reichen müssen. Erwähnenswert vielleicht, dass bei 19° C Wassertemperatur sonst niemand auf dieser Reise so hartgesonnen/saudumm (Adjektiv zur freien Auswahl) ist.

Nach diesem erfrischend frischen Morgensport fahren wir zur nächsten Bucht, die sich als die tatsächliche Surferbucht entpuppt. Trotz der Gier in den Händen (oder ist es das noch immer andauernde Kribbeln?) zwinge ich mich, erst in der Sonne zu frühstücken und danach den Australiern das Fürchten zu lehren. Leider passiert mir dies wirklich immer wieder, weniger aus einer bewusst angewandten Fähigkeit, sondern mehr aus Kontrollverlust des Surfbretts heraus. Vielleicht werde ich auf heimischen Skipisten kommenden Winter etwas weniger auf unkontrollierte arabische Geschosse fluchen, da ich mich nun mit einigen identifizieren kann.[1]

Den weiteren Nachmittag verbringen wir mit aktivem Chillen im windgeschützten und sonneabweisenden Camper und dem Grillen eines hervorragenden Steaks. Ich tue der Welt an diesem Tag einen gefallen, da ich wenigstens ein kleines Stück US - Präsidentschaftskandidat zu Trumpsteak verarbeite. Offensichtlich schmeckt Hass und Blödheit blutig am besten, da ich wohl selten ein so gelungenes Steak gegessen geschweige denn zubereitet habe.

Der Abend gehört ganz Gudi, die mir sowieso den ganzen Tag über zusehen (man kann es auch bewundern nennen) muss. Sie wünscht sich einen kleinen Spaziergang im äußerst süßen Ort Byron Bay, der unserer Ansicht nach (entgegen vieler Reiseberichte) noch immer voller Hippies, Blumenkranzträgern und Weltverbesserern ist. So genießen wir das wunderbare Flair der Sechzigerjahre und fragen uns, wieso diese jemals zu Ende gehen mussten.


Gudis glorreiche Gesetze:


Jedes Jahrzehnt muss einmal enden!


…ruft Gudi mir immerwährend zu. Ich inzwischen strample auf dem Boden und will nicht wahrhaben, dass ich mich heut Abend von den Barfußgängern wieder verabschieden muss. Zu sehr habe ich mich in wenigen Stunden mit ihnen identifizieren können. Auch hatte ich den Eindruck, schnell in ihrer Mitte akzeptiert worden zu sein, was natürlich an den ähnlichen Bart - und Schmutzgewohnheiten liegen kann.


[1] Achtung, Geschichte zur besseren Lesbarkeit frei erfunden! Ich bin zwar nicht der beste Surfer, Kontrolle über mein Brett habe ich aber das letzte Mal bei den Profibedingungen in Nias verloren.

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