Mit Geschichte(n) um die Welt
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Nicht nur überfliegen! Mit dem Zug von Toronto nach Winnipeg

Veröffentlicht: 07.08.2023


Wald, Wasser, Weite;

Seerosen, Felsen,

eher flaches Land mit nur ein paar Erhebungen;

erneut viel Wasser, Flüsse, Seen, Pfützen, Bäche.

Die Seen wirken oft wie ein Spiegel, sind glasklar, dann wieder leichte Wellen, ein reißender Fluss; und wieder Wald;

immer wieder auch Birken - letztere erinnern mich an Zugfahrten durch Russland. Und auch daran, dass man Weite oft am besten auf langen Strecken und in Zügen erleben kann.

Ganz prinzipiell kann Zugfahren wohl als eines meiner Hobbys gezählt werden. So ist es auch seit vielen Jahren ein Kern meiner Reisen geworden. In Australien bin ich 2018 von Sydney nach Perth etwa vier Tage durchs Outback gefahren. Das kanadische Äquivalent ist der Zug Nr. 1, the Canadian, der Kanadier: in vier Tagen von Toronto nach Vancouver, einmal quer durchs Land.

Auf geht's mit dem Zug Nr. 1 ab Toronto Union Station.

Ich fahre erst einmal 'nur' bis Winnipeg, etwa halbe Strecke, denn dort habe ich in kommender Zeit mehr als genug zu tun. Termine an der Uni, bei Kulturinstitutionen, in Museen, bei (emeritierten) Professoren.

Davor zwei Tage Landschaft, einmal durch die Bundesstaaten Ontario und Manitoba. Internet, WLAN, gibt es im Zug nicht, auch sonst gibt es in weiten Teilen auf der Fahrt kein Handynetz. “Stellt die Fotos später online. Und schaut raus!”, begrüßte einer der Schaffner uns Fahrgäste.

Und ja, die Landschaft packt mich.

Unglaublich friedliche Wildnis.

Romantische Einsamkeit.

Landschaft (fast) ohne jede Zivilisation.

Landschaft, so als würde man dazu aus dem imaginierten Hintergrund Entspannungs- oder Meditationsmusik hören.

In weiten Teilen gibt es hier

nichts.

Doch eigentlich ist 'Nichts' nicht die treffende Beschreibung.

Es gibt Natur und die soweit das Auge reicht.

Unwegsames Gelände,

Nadelbäume,

Birken,

vertrocknete Bäume,

Baumstämme,

wieder Birken

und Bäume - die ich allerdings noch nicht einmal benennen kann;

Dann wieder sehr viel Wasser.

Der beste Platz ist im Skyliner, ein Wagen mit zwei Stockwerken und das Obere ist fast gänzlich verglast. So hat man einen noch besseren Über- und Ausblick. Ich finde es einfach nur entspannend.

Im Skyliner, einem oberen Zugteil mit Rundumblick.

Die Zugbegleiterin Jessica ist mir sehr sympathisch. Sie ist von ihrem Job begeistert; strahlt bei allen Ansagen; erkundigt sich, ob alles in Ordnung ist. Durchsagen werden in den drei Wagen, enonomy class, in der ich unterwegs bin, nur selten durch die Sprechanlage gemacht. Hier werden die meisten Nachrichten persönlich übermittelt und somit sieht man Jessica häufiger, läuft immer wieder durch den Wagen, verkündet etwas, erzählt mit den Reisenden.

Das Zugpersonal arbeitet etwa vier bis fünf Tage, z.B. von Toronto bis Winnipeg und wieder zurück mit einer Nacht vor Ort. Danach haben sie fünf bis sieben Tage frei. Die “Zugtage” seien fordernd, erzählt mir die Bedienung im Bordbistro. Eine Schicht, hin und zurück, seien etwa 60, 65 Stunden. Sie hätten zwar Pausen auf der Fahrt, doch verstecken könne man sich im Zug nicht und es gäbe eigentlich immer etwas zu tun.

Dazu hat der Zug oft Verspätung, oft mehrere Stunden, denn seitdem die Zugstrecke verkauft wurde, haben alle Güterzüge Vorrang. Manchmal kommt der Zug Nr. 1 auch einfach einen ganzen Tag später an – und alle die drin sind eben auch. Nicht ungewöhnlich, wie man mir sagt. Wirklich beschweren würde sich eigentlich niemand. Wenn man in den Zug steigt, dann wisse man das und außerdem gibt es eine Belohnung: schöne Landschaft, direkt vorm Fenster. Ich komme zwar in Winnipeg nicht zu spät an, doch finde auch ich die Zeit im Skyliner besser als im Kino.

Die Zugbegleiter wie das Personal im Bistro mögen ihren Job. Nimmt man eine Woche frei, habe man fast drei Wochen Urlaub, am Stück. Das sei der pure Luxus und die harten Arbeitsschichten wert: in Kanada haben Arbeitnehmende im Regelfall nur etwa 14 Urlaubstage (inklusive Wochenende); - im Durchschnitt also ganze zwei Wochen weniger als in Deutschland.

Viele Mitreisende sind nicht das erste Mal an Bord, einige nehmen den Zug einmal durch Kanada einmal im Jahr, hin und zurück. Das sei sein Urlaub, erzählt ein älterer Herr.

Die absolut richtige Cross-Canadian Experience, also Erfahrung im Zug einmal durch Kanada, habe man in einem der Schlafwagen. Dort gibt es auch Essen und Getränke im Preis inbegriffen, auch Alkohol und der ist teuer in Kanada. Doch ein Platz im Schlafwagen hat einen immensen Preis: nach Winnipeg, für eine Nacht also zwei Reisetage hätte ich umgerechnet an die 750 Euro bezahlt - im Sparangebot. Ich nahm dann doch den Sitzplatz, für etwa 230 Euro (mit Frühbucherrabatt). Teuer, schon – und wesentlich teurer als fliegen. Doch diese 'Weite-Erfahrung' und Abgeschiedenheit hätte ich dann im wahrsten Sinne des Wortes überflogen. Somit: absolut und unbedingt: mittendurch statt drüber weg!

An Beinfreiheit mangelt es auch in der Economy Class nicht. Da kann man auch - mehr oder weniger - gut eine Nacht im Sitzen schlafen.


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