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Von Einhörnern, Kaimanen, schrägen Vögeln und tosenden Wassern

Veröffentlicht: 12.06.2018


Resistencia liegt auf unserem Weg Richtung Süden und ist unbedingt einen Stopp wert. Die Provinzhauptstadt des argentinischen Chacos, eine subtropische Niederung, zerklüftet, kaum besiedelt und im Sommer brutal heiß hat Ambitionen, das künstlerische Zentrum Nordargentiniens zu werden. Die Stadt hat sich bereits vor Jahrzehnten den Skulpturen verschrieben, richtet seit einigen Jahrzehnten alle zwei Jahre eine Bienale aus und vergibt einen international bedeutenden Preis für Bildhauer. Seit 1997 ist Resistencia von der UNESCO als Hauptstadt der Skulpturen anerkannt. Wir wussten bisher nicht mal, dass es so etwas gibt, aber da wir in der Nähe sind, wollen wir nicht versäumen, uns einige der Skulpturen anzusehen. In der sonst eher schmucklosen, wenig attraktiven Stadt stehen nämlich mittlerweile mehr als 600 Skulpturen. Während der Bienalen können die Einwohner von Resistencia die prämierten Kunstwerke der nationalen und internationalen Kunstschaffenden für einen symbolischen Preis erwerben, müssen die Werke aber im öffentlichen Raum aufstellen. Wir besorgen uns einen Stadtplan und machen dann einen ausgedehnten Skulpturenspaziergang durch die Stadt. Es macht wirklich großen Spaß, die unterschiedlichen Skulpturen, mal winzig klein und mal riesig, mal abstrakt und mal naturalistisch, mal politisch und mal poetisch, mal humorvoll und mal pathetisch zu entdecken und zu betrachten. Am kommenden Morgen besuchen wir noch das Museum, hier sind die Vorbereitungen für die diesjährige Bienale im Juli in vollem Gange. Wir verbringen viel Zeit im Skulpturenpark und bewundern die Werke der letztjährigen Preisträger und ein Angestellter des Museums nimmt sich viel Zeit, uns die Geschichte und Bedeutung der Bienale näherzubringen. Schade dass wir im Juli nicht mehr hier sein werden, das wird bestimmt ein tolles Event.

Eigentlich wollen wir von hieraus weiter an die Iguazú Wasserfälle, aber da diese als das touristische Highlight des Kontinentes ziemlich überlaufen sind, wollen wir nicht unbedingt am einem Wochenende dort ankommen. Wir machen also einen kleinen Schlenker und besuchen erst einmal die Reserve National Esteros del Iberá, ein beeindruckendes Feuchtgebiet und der besten Platz in Südamerika, um Tiere zu beobachten. Hier gibt es einen der schönsten Camping Municipal in ganz Argentinien, direkt an der Lagune, mit schönen, ebenen Stellplätzen, jeder mit einer eigenen Schattenhütte mit Tisch und Bänken, Stromanschluss und Wasserhahn, mit sauberen Toiletten und Duschen und alles top-gepflegt – unglaublich wie man sowas würdigen kann nach fünf Monaten schlichtesten Stell- und Campingplätzen. Wir sind schon am frühen Nachmittag da und genießen die Ruhe und die fantastische Sicht über die Lagune. Wir machen einen ersten Spaziergang durch das Schutzgebiet und sehen tatsächlich einen Kaimanen, der sich bewegungslos im Schilf sonnt, ein paar Wasserschweine und jede Menge Vögel. Wir buchen für den kommenden Tag eine Bootstour, die direkt am Campingplatz los geht- bequemer geht es kaum. Wir genießen einen fantastischen Sonnenuntergang und machen es uns dann in unserer Schattenhütte gemütlich, die wir mit unseren mittlerweile angekommenen Nachbarn, einem jungen argentinisch-chilenischem Paar mit kleinem Sohn teilen. Wir unterhalten uns in spanischenglischgestisch und haben einen netten Abend. Nebenbei erfahren wir, dass am kommenden Freitag der Nationalfeiertag der Argentinier ist und sind doppelt froh, nicht an den Wasserfällen zu sein.

Um 10:00 h am nächsten Morgen steigen wir zusammen mit vier anderen Touristen in ein Motorboot und schippern sehr gemächlich und entspannt durch die Uferbereiche der Lagune. Wieder können wir Kaimane sehen, eine ganze Familie mit winzigen Jungtieren, jede Menge Wasserschweine, Reiher, Spechte, Enten, Geier und diverse andere bunte Vögel und sogar einen Sumpfhirschen. Durch die kleine Gruppe, den völlig entspannten Bootsführer, der die meiste Zeit den Motor auslässt und das Boot durch das Schilf stakt, und die friedliche Atmosphäre der Lagune war das ein völlig unspektakulärer aber sehr beeindruckender Ausflug.  Als wir nach drei Stunden wieder am Campingplatz aus dem Boot kletterten, erwartet uns dort das totale Kontrastprogramm. Überall stehen jetzt Zelte, der Platz gleicht einem Parkplatz und dutzende von Tagestouristen drängen sich bei den Booten. Na klar, es ist Nationalfeiertag und auch hier im Reservat genießen die Argentinier das tolle Wetter und das lange Wochenende. Im Laufe des Nachmittags wird es immer voller und rummeliger und nach einer Nacht voller „Viva la Patria“ Rufen halten wir es für besser, das Naturreservat in ruhiger und beschaulicher Erinnerung zu behalten, und checken aus. Aber bevor wir weiterziehen, machen wir noch einen Spaziergang durch den Dschungel und haben richtig Glück; hoch in den Bäumen tummeln sich einige Brüllaffen und machen ihrem Namen alle Ehre! Was für eine gelungene Verabschiedung.

Über eine unbeschreiblich miese Lehmpiste führt unser Weg von Iberá nach Iguazú. Zum Glück ist es trocken und der LKW Verkehr hält sich in Grenzen und so kommen wir langsam aber unbeschadet ans Ziel. Eine Woche später ist hier aufgrund von Regenfällen kein Durchkommen mehr, die Besucher stecken im Reservat fest. Wer es trotzdem versucht, landet in schlammigen Gräben, selbst 4x4 Autos kommen nicht weiter und müssen mit schwerem Gerät geborgen werden. Da haben wir mal wieder Glück gehabt.

Die Wasserfälle von Iguazú liegen auf der Grenze zwischen Argentinien und Brasilien in einem Nationalpark, der zu großen Teilen aus subtropischem Regenwald besteht und dessen Flora und Fauna einzigartig ist. Kurz bevor der Rio Iguazú die Abbruchkante erreicht, teilt er sich in unzählige Arme mit Inseln, Felsen und Riffen. Daraus entsteht eine Kette aus hunderten Wasserfällen von klein bis gewaltig,  die sich über ca. 3 Kilometer Länge erstrecken. Die weitaus meisten Fälle sind auf der argentinischen Seite, wir fahren aber trotzdem erst mal über die Grenze nach Brasilien. Von der brasilianischen Seite hat man nämlich den Frontalblick auf die Fälle und wenn wir schon mal hier sind, wollen wir die Wasserfälle doch von allen Seiten bewundern. Der Grenzübergang dauert diesmal keine 3 Minuten und lauft völlig unbürokratisch ab - ganz kleiner Grenzverkehr für das touristische Megahighlight. Auf dem Campingplatz angekommen, der erste Dämpfer; wir sind nicht die coolsten Kids auf dem Platz! Bisher war der Dubs immer entweder das coolste Gefährt oder mindestens genauso cool wie andere Gefährte. Aber heute müssen wir uns geschlagen geben. Eine brasilianische Rocker- Familie reist mit einem selbstgebauten Motorrad mit drei Sitzen und kleinem schwarzen Wohnwagen – ein echter Hingucker! Die Drei sind richtig nette schräge Vögel und obwohl portugiesisch nun gar nicht mehr geht, reicht es für ein kleines Pläuschchen.

Am nächsten Tag geht es dann endlich zu den Wasserfällen. Die brasilianische Seite ist perfekt organisiert, die Menge der Kassen und die Länge der Absperrung lässt erahnen, was hier in der Hochsaison los ist. Wir haben Glück, es ist relativ ruhig, wir müssen nicht anstehen, der Bus, der alle Besucher durch den Nationalpark bis zu dem einzigen Weg an die Fälle bringt, fährt sofort ab. Ein etwa drei Kilometer langer Weg führt dann an dem Panorama der Wasserfälle vorbei bis hin zum Aussichtspunkt auf den Garganta del Diabolo, den Teufelsschlund, den größten und spektakulärsten der Fälle. Wir sind beeindruckt von der Natur, den vielen Schmetterlingen und natürlich von der Dimension der Wasserfälle und dem atemberaubenden Blick. Am Ende geht es mit einem Glasaufzug wieder nach oben und mit dem Bus zurück zum Eingang. Der Blick auf die Fälle ist wirklich einzigartig und wir hoffen, die Bilder geben das ein wenig wieder. Sollen wir überhaupt noch auf die argentinische Seite? Ist das nicht nur eine Wiederholung? Wir gönnen uns einen Tag Bedenkzeit und besuchen erst einmal den Parque das Avas, einen riesigen Vogelpark, der insbesondere die Vögel Brasiliens in zum Teil riesigen, begehbaren Volieren beheimatet. Wir sehen Aras in allen Farben, winzige Kolibries, die beeindruckenden Tukane und noch viel mehr schräge Vögel, die wir noch nie gesehen haben und die uns vor allem durch ihren extravaganten Kopfputz erstaunen. Dabei fällt uns ein, dass wir auch dringend mal wieder einen Friseur sehen sollten..

Da das Wetter noch immer gut ist, besuchen wir natürlich auch noch die argentinische Seite. Zum Glück, denn sonst hätten wir wirklich was verpasst. Auch die Argentinier sind auf Besuchermassen eingerichtet, aber wie immer etwas weniger gut organisiert wie ihre Nachbarn, dafür aber entspannt und gelassen. Heute ist noch weniger los als vor zwei Tagen auf der brasilianischen Seite und wir laufen erst einmal den unteren Weg, den Paseo Inferior und kommen über Stege, Brücken, Treppen und Plankenwege durch den Urwald und nahe an einigem der vielen Wasserfälle vorbei.

Dann geht es mit einer kleinen Bahn bis zum Startpunkt des 1300 m langen Steges, der über die hier ruhigen und malerischen Seitenarme des Rio Iguazú bis zur riesigen Klippe führt, über den der Fluß dann in 2 Etappen in die Tiefe stürzt, die Garganta del Diabolo. In Brasilien haben wir dieses einmalige Naturschauspiel schon aus der Distanz bestaunt, jetzt sind wir mitten drin, hören das ohrenbetäubende Tosen des herabstürzenden Wassers, werden von der Gischt durchnässt und stehen staunend vor und in dieser Urgewalt der Natur. Man kann es nicht beschreiben und auch nur unzureichend in Bildern festhalten, aber diese Wasserfälle sind das gewaltigste und vielleicht sogar spektakulärste, was wir jemals gesehen haben. Und wieder einmal denken wir, wie glücklich wir uns schätzen können und wie bankbar wir sind, eine solche Reise machen zu können.

Wir nutzen die Möglichkeit, am nächsten Tag zum halben Preis noch einmal in den Park zu gehen. Aber diesmal sind nicht die Wasserfälle unser Ziel, sondern eine halbtägige Dschungelwanderung. Heute ist es bewölkt und ziemlich schwül, wir sprühen uns ordentlich mit „Mückentod“ ein, damit die kleinen Plagegeister uns nicht in den Wahnsinn treiben und machen uns auf den Weg, besser auf den Dschungelpfad. Die meisten Parkbesuchen kommen natürlich wegen der Wasserfälle, die wenigsten wollen hier wandern und so haben wir den Dschungel fast für uns allein. Es ist eine besondere Atmosphäre hier, die Insekten schwirren, überall taumeln Schmetterling, die Vögel zwitschern, lassen sich aber in dem undurchdringlichen Dickicht des Waldes nicht ausmachen. Über uns turnen Affen durch die Baumwipfel und alle paar Minuten wird dieses Tropenkonzert vom Lärm der Rotorblätter der Hubschrauben übertönt. Für 100 US$ kann man sich 10 Minuten! über die Wasserfälle fliegen lassen und offensichtlich nehmen viele Touristen dieses Angebot wahr. Wir haben auch lange überlegt, ob wir uns das gönnen wollen, uns dann aber dagegen entschieden. Wir haben die Wasserfälle aus der Distanz gesehen und hautnah, mit allen Sinnen erlebt. Der Gesamtüberblick in 10 Minuten ist uns keine 200 $ wert. Auch die Bedenken der Umweltschützer in Bezug auf die Auswirkungen dieses touristische Angebot auf die Flora und die Fauna können wir nach unserer Wanderung bestens nachvollziehen. Als wir gegen Mittag erschöpft von der schülen Hitze wieder bei unserem Auto ankommen, sind wir uns einig; die Iguazú Wasserfälle und der Dschungel sind bestimmt einer der großen Höhepunkte unserer Reise.

Antworten (3)

Kerstin
Hammer- Fotos und ein toller Bericht! Die Wasserfälle und die Tierbilder- einfach genial . Ich freu mich so für Euch, die Erlebnisse muss man erstmal alle verarbeiten. Weiterhin gute Reise und liebe Grüße!

Barbara
Ilse: Gigantische Bilder, unglaublich was Ihr alles zu sehen bekommt. Mit dem dazu passenden Bericht bin ich fast dabei. Gute Reise und liebe Grüße

ch
Euer Blog ist echt genial. Ganz lieben Dank dafür. Viele Stationen rufen in uns schöne Erinnerungen hervor. z. B. der Campingplatz der Colonia Pellegrini am Iberá. WOW!!!! Ihr habt Euch tatsächlich getraut, die Ruta 40 gen Osten (besagte Lehm/Schlammstrecke) zu nehmen. MUTIG, MUTIG!!! Wir sind damals ganz brav die Hoppelstrecke auf rotem Schotter Richtung Süden nach Mercedes gefahren. 80 km in 3 Stunden. Ihr habt das bestimmt untertroffen :=)))