Reisefischer Kanada
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#22 Stille

Veröffentlicht: 07.01.2023

New Year – New Samuel. From today I will write all reports in English. I think it is important to learn not only to speak English, but also to write.

Nein, war natürlich nur ein Scherz, aber ich kann mir jetzt gerade schon die überraschten Gesichter vorstellen... vor allem von meinen Geschwistern :D

Aber wie war denn der Jahreswechsel für mich?

Am Samstag (31.12) hieß es für mich die Sauna als erste Person im Winter einzuweihen. Das Problem war nur: Einerseits hatte ich Angst, dass das große Fenster platzen wird, da dies bereits einmal passiert ist und da war es noch nicht Winter und dies hieß wiederum, dass die Gefahr durch die größere Temperaturdifferenz noch wahrscheinlicher war. Das andere Problem war, dass die Sauna auch erst „auftauen“ musste (meine Theorie) und daher hat es ewig gedauert, bis sie sich überhaupt mal ansatzweise aufgewärmt hat. Und während du in Deutschland „Frohes neues Jahr“ gerufen hast (15 Uhr in meiner Zeitzone), habe ich den Sonnenuntergang genossen. Allerdings waren es nur 45 °C und somit nicht ansatzweise die Temperatur, die ich haben wollte, daher war ich etwas enttäuscht von dieser ersten Saunarunde. Nachdem ich aber trotzdem etwas entspannen konnte, hieß es sich nun langsam fertigmachen für die „Big Party“. Wir waren eingeladen bei unserem Nachbarn Peter. Neben uns wurden auch noch alle anderen Nachbarn eingeladen und so habe ich mich darauf eingestellt, dass wir Silvester zu sechs feiern. Schließlich leben neben Jenny, Fatih, Dave (der gerade in Argentinien ist) und mir nur noch drei weitere Männer hier am See. Weiterhin wurde mir gesagt, dass die Silvesterparty genau von 20 Uhr bis maximal 22 Uhr geht. So gingen wir also 20 Uhr zu Peter. Auf dem Weg dorthin (es sind nur ca. 50 Meter. Noch nie einen so nahen Nachbarn in Kanada gehabt :D) habe ich einen wunderschönen Sternenhimmel gesehen und ich habe mich schon richtig gefreut, diesen zur Mitternachtsstunde sehen zu dürfen. Aber erst einmal die Party: Du kannst dir nicht vorstellen, wie überrasch ich war..... es waren auch noch andere Menschen dort. Insgesamt waren wir 15 (!) Leute. Wahrscheinlich waren das Nachbarn von der dritten Nebenstraße, 31 Kilometer entfernt oder so. Noch dazu war das Durchschnittsalter nicht 70+, was ich zuerst dachte, sondern dank Fatihs und meiner Anwesenheit + zwei Teenager lag es ungefähr bei 40+. Es ist auch so komisch gewesen, man hat sich begrüßt und dann immer bereits ein Frohes Neues Jahr gewünscht und ich dachte mir immer so....ähm ne, eigentlich müssen wir noch etwas warten. Sonst war die „Party“ aufgrund des Durchschnittsalters doch eher ruhig gehalten. Man hat ein Glas Champagner zum Anstoßen getrunken und Süßigkeiten gegessen. Überraschenderweise waren wir erst halb elf zu Hause. Ich glaube, so lange ging noch nie eine Silvesterparty hier. Da dann alle schlafen gegangen sind, haben Fatih und ich uns dazu entschlossen, noch ein Feuer zu starten und zu zweit gemeinsam ins neue Jahr zu starten. Leider ist in der Zeit eine riesen Wolkendecke aufgekommen und man hat rein gar nichts gesehen......bis kurz vor Mitternacht und dann hat sich genau über uns ein Wolkenloch gebildet und ich konnte zum letzten Mal im Jahr 2022 die Schönheit der Sterne betrachtet. Es war so cool, überall war es fett bewölkt, nur über uns funkelten die Sterne – Traumhaftes Ende. Null Uhr wollte ich unbedingt runter zum See und so hieß es in den letzten Minuten des Jahres 2022, sich noch einmal durch hohen Schnee zu kämpfen. Noch dazu hat es superfeinen Schnee geschneit + Nebel, man hat also gefühlt nichts gesehen. Dann war es soweit, während du eventuell noch geschlafen oder bereits gefrühstückt hast (9 Uhr deutscher Zeit) liefen bei mir die letzten zehn Sekunden ab und ich glaube Fatih hat sich etwas fehl am Platz gefühlt. Für ihn ist Silvester nichts Besonderes und so stand er einfach still da, während ich laut von zehn runter zählte und dann punkt null Uhr „HAPPY NEW YEAR“ in die Berge rief und dank des Echos wurde mir dann auch siebenmal ein frohes neues Jahr gewünscht :D Dann standen wir dort und man hat nichts, also wirklich rein gar nichts gehört. Es war das ruhigste Silvester meines Lebens. So etwas habe ich noch nie erlebt. Also man steht dort, am oder auf dem See um Mitternacht und es ist einfach still....ich hatte ja vermutet, dass man wenigstens dank des Echos der Berge vielleicht. irgendwas aus der Ferne hört, aber nein....es war einfach still. Dieser Ort ist glaube ein Paradies für jedes Tier, da sie dem Stress des Lärms entkommen. Ich habe dann noch meine ganze Silvestermunition verballert. Das hieß, ich stand mit meinen zwei Wunderkerzen auf dem See und habe mich gefreut. Danach sind wir zurück zum Feuer gegangen, haben dort noch kurz gesessen und gegen halb zwei lag ich dann im Bett. Es war mal eine ganz andere Erfahrung, solch einen Jahreswechsel ohne große Party und ohne Lärm zu erleben. Interessant, aber ich präferiere dann doch eher wenigstens eine kleine Silvesterparty.

Das neue Jahr habe ich dann gestartet, wie ich das letzte beendet habe – mit einer Sauna. Diesmal habe ich auch die 70 °C geknackt und somit fast meine heimatliche Saunatemperatur von 90 °C erreicht. Dabei habe ich daran gedacht, dass, wenn ich bei den minus 45 °C die Sauna genutzt hätte, dann hätte ich beim Rausgehen eine Differenz von einfach mal 115 °C gehabt – wahrscheinlich wäre ich da durch einen Temperaturschock gestorben. :D Ich sterbe hier schon, wenn ich mich mit Schnee einreibe. Das ist noch schlimmer als ein Eimer Wasser.

Sonnst liegt der Fokus im Januar auf den Vorbereitungen für die Workshops und so starteten wir am Montag unsere erste Wanderung. Wir sind lediglich zwölf Minuten in den Wald reingewandert, aber ich war komplett fertig und durchgeschwitzt. Wir suchen hier natürlich Plätze, wo kein anderer hinkommt und daher liegt der Schnee dort auch schon etwas länger und das heißt wiederum, dass wir uns durch kniehohen Schnee schlagen mussten – habe gerade nachgemessen, meine Knie befinden sich in etwa 18 – 19 Inches Höhe (ca. 45 – 48 cm). Es ist eine echte Tortur. Aber nur tief in den Wald rein reicht ja nicht. Man muss einen geeigneten Platz finden, der sehr offen ist und nicht von zu vielen Bäumen verdeckt wird, noch dazu muss die Sonne dort ideal für mehrere Stunden scheinen und er muss absolut still sein. Wir haben dann einen ersten Platz gefunden und anschließend wurde geguckt, wo wir den „Unterschlupf“ aufstellen. Die Distanz zwischen den Tieren und mir beträgt dann maximal 20 Meter. Jenny sagte mir auch, dass in der Nähe auf einem privaten Grundstück sehr viele Pumaspuren gesehen wurden. Die Wahrscheinlichkeit, einem Puma zu begegnen, beträgt laut ihr aber nur eins zu einer Million, da sie extrem scheu sind und das ist auch gut so, denn einem Puma möchte ich absolut nicht begegnen. Meine Rangliste ist: Kojote, Wolf, Bär (schlafen ja aber gerade), Puma....einfach weil ein Puma noch gefährlicher werden kann als ein Bär und diese Tiere gefühlt nur aus Muskeln bestehen. Ich muss auch sagen, dass ich selbst so gespannt bin, wie ich reagiere, wenn ich zum ersten Mal Kojoten, Wölfe oder Luchse aus nächster Nähe sehe, denn ich muss ja die Ruhe selbst sein...schließlich sitzt neben mir eine Person, die ebenfalls zum aller ersten Mal (alle Kunden*innen sind dieses Jahr zum ersten Mal hier) diese Tiere aus der Nähe sieht und eventuell muss ich sie dann beruhigen und nicht er/sie mich. Das wird auf jeden Fall eine sehr interessante (und kalte) Zeit für mich. Bis jetzt haben wir vier Orte gefunden, die sich für die Workshops eignen. Am Donnerstag hieß es für Fatih und mich wieder rausfahren. Diesmal mussten wir die Wege vom Eis befreien, damit wir mit dem Truck reinkommen. Es macht übrigens absolut kein Spaß, sich durch ca. 30 Zentimeter Schnee und Eis mit einer Spitzhacke und Schaufel zu schlagen. Nachdem wir alle Zufahrten halbwegs freigeräumt haben, hieß es nun auch die ersten Köder auslegen. Dies werden wir jetzt mehrmals pro Woche machen, sodass wir die Wahrscheinlichkeit für eine Wildtiersichtung maximal erhöhen. Zusätzlich stellen wir noch Wildtierkameras auf, um zu überprüfen, ob sich die Plätze wirklich eigenen, denn nichts ist schlimmer als eine unzufriedene Kundschaft aufgrund fehlender Wildtiersichtung.

Neben den ganzen Wanderungen lag sonst der Fokus diese Woche aufs Holz sägen und hacken, denn der Holzvorrat in allen Holzlagern muss so gut gefüllt werden, wie es nur geht, da wir während der Workshops keine Zeit für das Holz hacken haben werden. Also diese Wochen werden sowieso stressig, dass sagt mir Jenny auch schon seit Wochen. Fatih und ich werden dann über mehrere Wochen drei Jobs gleichzeitig haben. Wir sind die Guides, Kellner und Reinigungskräfte in einem. Noch dazu haben wir für die Reinigung aller Kabinen auch nur eine geringe Zeitspanne, da die Kunden*innen des ersten Workshops zum Flughafen gebracht und die nächsten direkt abgeholt werden. Vielleicht sollte ich doch jetzt schon mal mehrmals die Woche die Sauna aufsuchen, um mein Entspannheitslevel zu maximieren :D

Heute haben wir dann noch die Hiobsbotschaft erhalten, dass Dave sich bei seinem aktuellen Workshop mit Corona angesteckt hat. Das treibt hier das Stresslevel leider schneller und höher voran. Ich hoffe, er kommt rechtzeitig zurück, denn eigentlich sollte er Fatih und mich noch hinsichtlich der Fotografie schulen.... na ja wir werden sehen. Dann haben Jenny und ich heute beim Bauen Geräusche gehört und Jenny vermutet leider, dass es eine sterbende Kojote war. Ich habe zu Beginn mal von dem Typen erzählt, der aus Spaß die Tiere hier tötet. Es kann sein, dass heute eine Kojote in seine Falle gelaufen ist und dann dort qualvoll stirbt, denn bei diesen Fallen handelt es sich um solche Bärenfallen, die man vielleicht von alten Filmen oder Bildern noch kennt. Ich frage mich ernsthaft, was für ein Arschloch man sein muss, um Tiere so zu quälen. Ich habe nichts gegen das jagen, ich würde es selbst gerne einmal ausprobieren, aber dieser Idiot tötet und quält die Tiere nur aus einem Grund – Spaß. Ich hoffe einfach, dass es keine Kojote in einer Falle war.

Na ja, jetzt gibt es erst einmal Abendbrot und danach erwartet mich die nächste Sauna.

Bis dahin.

Samuel

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