Veröffentlicht: 21.10.2020
Man muss sich hier nur einmal umschauen, um Blätter in hunderten von Grüntönen und Formen zu sehen. Riesige Blätter, bei denen sich darunterliegende Äste biegen, wenn sie herabfallen. Kleine Blätter am Boden an Pflanzen, die gestern noch nicht da waren, und von Blattschneiderameisen zerfressene Blätter, durch die hindurch man wiederum andere Blätter sieht. So langsam verstehe ich die Faszination mancher Menschen für die Botanik, für die ich bis jetzt immer zu ungeduldig gewesen war.
Als ich letzten Freitag nach Puerto Viejo gefahren bin, hielt ich auf dem Weg an jedem Früchtestand an und kaufte alle Früchte, die sich noch nicht vorne in meinem Fahrradkorb befanden. Die meisten Früchte hatte ich nie zuvor probiert geschweige denn gesehen. Eine Sternfrucht kostet hier gerade einmal umgerechnet 15 Cent. Zuhause angekommen breitete ich meine Ausbeute (jedenfalls was ich davon noch nicht auf dem Weg gegessen hatte) auf dem Tisch aus und machte mir einen verrückten Smoothie. Dann kam ich auf die Idee, die Samen aufzuheben und einzupflanzen.
Da Plastikflaschen hier in Costa Rica nicht recycelt werden können, schnitt ich dafür die untere Hälfte einer Plastikflasche ab und füllte diese mit Erde. Dann musste ich das Fruchtfleisch von den Samen entfernen und die Samen trocknen lassen, bis ich sie schließlich einpflanzen konnte. Weil ich für eine einzige Pflanze tatsächlich noch zu ungeduldig war, wiederholte ich den Prozess mit Samen von Sternfrüchten, Mangos, Avocados, Maracujas, Kakaopflanzen, Limetten, Litschis und vielen weiteren Früchten, von denen ich nicht weiß wie sie heißen. Inzwischen habe ich hier eine kleine Plantage mit 25 Plastikgefäßen aus dem Müll errichtet.
Was ist sonst noch so passiert?
Ich hatte viel zu tun auf der Station. Sponsoren haben uns besucht und alles musste sauber sein. Jeden zweiten Tag muss ich etwa 500 Strandmandeln sammeln und gammelige Stellen davon entfernen, weil eine einzige Bakterienkolonie sonst die gesamte Arapopulation ausrotten könnte. Außerdem muss ich die Aras jeden Tag zweimal füttern und die Station sauber halten. Nach der ersten Fütterung helfe ich immer Sara und Duaro bei Baumkletterarbeiten. Gestern durfte ich das erste mal selber auf einen kleineren Baum klettern. Ich brauchte ein bisschen bis ich den komplizierten Sicherungsablauf draufhatte, aber jetzt bin ich bereit, um morgen zum ersten Mal bis zu einem Nistkasten in 25 Metern Höhe zu klettern.
Gestern habe ich auch das erste Mal Touristen über die Station geführt. Ich fühlte mich ein wenig an die PowerPoint Präsentationen in der Schule zurückerinnert. Nur dass ich bei dieser Präsentation keine Karteikarten brauche, weil mich das Projekt wirklich interessiert. Auch wenn die Fragen der Schweizer es manchmal echt in sich hatten.
Es ist sehr lustig zu sehen, wie unterschiedlich die Touristen auf die Aras reagieren. Manche wollen sich nur selbst vor den Aras fotografieren lassen, manche sind mit Fernglas und Vogelführer zu gut ausgestattet für das Erlebnis und wiederum andere sind so damit beschäftigt, die Aras mit dem Handy zu filmen, dass ich das Gefühl habe, sie hätten die Aras bis zum Ende nur auf dem Bildschirm gesehen. Eine Familie hat sogar die ganze Zeit nur nach heruntergefallenen Federn gesucht.
Ein kleiner Junge kam an seinem fünften Geburtstag auf die Station und da habe ich ihm eine besonders große bunte Feder geschenkt. Daraufhin strahlte er so, dass er sich gleich mehrmals bei mir bedankte und mich mit der Feder im Gesicht kitzelte. Ein sehr schöner Moment.
Die Abende sind weiterhin sehr lang auf der Station. Besonders weil die Wellen momentan zu klein zum Surfen sind. Auch wenn das etwas sehr Meditatives hat und ich viel zum lesen und Trompete spielen komme, wünsche ich mir doch, dass sich bald noch andere Freiwillige hierhin trauen.