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Tag 35 - Monte de Gozo nach Santiago de Compostela

Veröffentlicht: 19.05.2024

Gestern Abend war mir nicht danach schon zu schreiben und weil ich heute einen Pausentag einlege, nutze ich es, um einen Post für beide Tage zu machen. 


Genau 5 Wochen. 35 Tage bin ich bis gestern unterwegs gewesen, als ich ankam.


Wir wollten um 8uhr starten. Was natürlich sehr gut geklappt hat und wir erst um halb zehn zum frühstücken sind. Wir hatten dann noch Nachrichten von anderen erhalten, dass sie auch bald da sind und wir haben uns entschlossen auf sie zu warten und dann gemeinsam, die letzten 4km nach Santiago de Compostela zu laufen. 
Und so waren wir dann eine Gruppe von 7 Pilgern, die wir im strömenden Regen Richtung Santiago aufbrachen. 
Nur kurze Zeit später erreichten wir dann schon das Stadtgebiet von Santiago. Relativ unspektakulär ging es durch die äußeren Stadtteile, bis wir dann zur Altstadt kamen. Dort wurde es von Meter zu Meter voller, obwohl es immer noch regnete. 
Ein erster Blick auf die linke Seite der Kathedrale. Anschließend ging es durch einen Hausbogen hindurch, wo uns ein Dudelsackspieler mit einheimischer Musik begrüßte. Dann die letzten Meter. Links um die Ecke und da ist sie. Die prachtvolle Kathedrale von Santiago de Compostela. Wie von jetzt auf gleich hört es auf zu regnen und die Sonne kämpft sich langsam durch die Wolken und wird den restlichen Tag scheinen. 
Alle fallen sich in die Arme. Viele Tränen kullern die Wangen herunter. 779km sind es offiziell von Saint-Jean-Pied-de-Port bis nach Santiago. Auf dem kürzesten Weg, den wir fast nie gewählt haben. Viele Emotionen wurden durchlebt. Schmerzen ausgehalten. Einige Tage des bangens, ob ich nach der Verletzung an Tag 8 überhaupt zu Ende laufen können werde. Viel Muskelkater. Viele Gedanken die durch den Kopf gegangen sind. Viel über die Vergangenheit und vor allem über die letzten Monate reflektiert. Höhen und Tiefen durchlebt. Bis an die Grenzen des Körpers gegangen und teilweise darüber hinaus. Jeden Tag mit dem Rucksack auf dem Rücken. Viele wunderbare Menschen kennenlernen dürfen. Viele sehr interessante Gespräche geführt. Verbindungen zwischen Menschen, die in so einer kurzen Zeit im normalen Leben niemals möglich wären. Vertrauen aufgebaut. Sich fallen lassen und so sein, wie man ist. Niemand kennt hier jemanden, niemand urteilt, jeder nimmt einem so wie man ist und das ist die wichtigste Errungenschaft auf dieser Reise gewesen. Sei wie du bist. Sei du selbst und werde dir klar über deine Bedürfnisse. Man kann alles erreichen und man ist niemals alleine. Hat man einen schwachen Moment, kommt völlig unerwartet jemand vorbei und ist genau die richtige Person im richtigen Augenblick. Weil alles ohne Erwartungen vonstatten geht. Alles so simpel, offen und natürlich ist. Jeden Tag erneut los zu laufen, sich physisch Tag ein und Tag aus zu belasten. Sich mit sich selbst beschäftigen. Viele verschiedene Blicke auf die verschiedenen Erlebnisse im Leben zu hören. Viele Ratschläge, viel Zuspruch. Jeder glaubt hier an jeden und es ist eine unfassbar schöne und intensive Atmosphäre überall. Der Camino schafft Freundschaften, schafft quasi familiäre Gefühle, weil man so vertraut mit den Menschen reden kann, ohne Ängste haben zu müssen. 
All diesen wunderbaren Menschen, die mich auf meiner Reise bis hierher begleitet haben, möchte ich einfach danken. Von Herzen danken. Die aufmunternden und aufbauenden Worte. Die intensiven Gespräche. Die Gemeinschaft die sich hier gebildet hat. Egal ob man nur 5 Minuten mit jemandem redet oder immer wieder für längere Zeit. 
Ich kann gar nicht alle Namen erwähnen, von den Menschen die mir hier begegnet sind. Erstens kenne bzw. Erinnere ich mich gar nicht an alle Namen und zweitens würde ich mindestens die Hälfte nicht erwähnen. 
Gestern und heute hier in Santiago. Die Ankunft, der Weg ins Pilgerbüro um die offizielle Urkunde des Pilgerweges und die Distanzurkunde zu erhalten, das Zertifikat von einem Mönch im Kloster.... Der Besuch der Kathedrale, in der es erst zum Grab vom heiligen Apostel ging, anschließend die Heiligenstatue über dem Altar umarmt und dann die heutige Pfingstmesse mit dem Bischof von Santiago und weiteren Bischöfen und Priestern aus Deutschland, Frankreich, Uganda, Portugal, Kolumbien, England und und und. Die Prozession des heiligen Apostels durch die Kathedrale und am Ende die Pilgersegnung. Die vielen Wiedersehen und Verabschiedungen in diesen zwei Tagen. Überall kurz zusammensetzen und reden, beglückwünschen, zurückblicken, feiern.... 

Es ist gar nicht in Worte zu fassen und wenn ich alles schreiben würde, würde ich hier noch in zwei Wochen sitzen. Aber dafür ist keine Zeit. Jetzt geht es gleich wieder zum Platz vor der Kathedrale und dann einem weiteren gemeinsamen Essen mit jeglichen Pilgern und für heute eine ruhige Nacht im Hotel. 
Der Weg fühlt sich noch nicht zu Ende an.Also geht für mich die Reise morgen früh weiter. Richtung Küste. Erst nach Muxia und anschließend nach Finisterre, dem "Ende der Welt". Weitere knapp 120km, über die Route die ich wähle. 
Antworten (3)

Tita Maru
Me dejas sin palabras, mi querido peregrino , no has podido describir mejor tus sentimientos en el camino.Dios te bendiga, querido Luis. Buen camino hasta “el fin de la tierra “.

David
¡Enhorabuena, un logro increíble!

Hendrik
Ich sitze gerade in Finisterre auf den Felsen, mein Blich schweift über den Camino, ich lese gerade deine Ausführungen zum Camino, die wunderbaren Begegnungen mit all den Menschen und die Grenzerfahrung mit seinem eigenen Körper und Geist. Du sprichst mir so aus dem Herzen, dass ich gerade sehr emotional werde. Viel Dank für den kleinen Teil des gemeinsamen Weges. Ich wünsche dir noch ein gutes Ankommen hier in Finisterre.

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