Veröffentlicht: 21.01.2020
Pünktlich am nächsten Morgen, am 31.12., trafen wir uns wie verabredet am Busbahnhof und fuhren zusammen nach Cádiz.
Die Fahrt war eine der kommunikativsten, die ich je erlebt habe, im positiven Sinne. Sie war nicht nur für uns unterhaltend, sonder auch übergreifend. Ana war so aufgeregt und glücklich mit uns zusammen und Teil unserer aller Planänderung zu sein, dass Sie mit ihrer kindlichen Freude, die Teil ihrer liebevollen Persönlichkeit war und sie mir so sympathisch machte, die Stimmung des ganzen Busses um einiges anhob. Zumindest erreichte ihre Präsenz jeden, der sich mit uns auf dieser Fahrt befand, ob er oder sie wollte oder nicht. Auf jeden Fall spätestens zu dem Zeitpunkt, als wir Sevilla passierten und an dem Kreisel, der zum dortigen Terminal de Autobuses führte, vorbei an einer Kutsche mit Pferden fuhren und Sie sich zum Fenster streckte und "Amazing" rief. Zugegeben war ihr vorher nicht wirklich bewusst, wo wir waren, denn Sie dachte, dass Sevilla bereits Cadiz sei. Als Sie fragte, ob wir da wären und ich meinte, dass wir gerade in Sevilla seien, rief Sie erneut " Wow ! How beautiful". Das wiederholte sich, als wir über die Brücke und nach Cadiz hereinfuhren. Ehrlich gesagt fand ich das unterhaltsamer, als den um einiges älteren Spanier, der kurz nachdem der Bus losgefahren war, sein Handy rausholte und lautstark Reiseberichte an ein Familienmitglied überlieferte, so dass alle sein 20 minütiges Telefonat mitbekamen.
Da Yousra in Puerto Real wohnte ,einem Vorort, fuhren wir mit dem Zug sozusagen wieder ein Stück zurück, denn wir bekamen erst Info darüber, als wir bereits am Terminal De Autobuses angekommen waren. Vierzig Minuten später stiegen wir dort aus, stellten unser Gepäck ab und warteten auf Sie, die uns via Nachricht mitgeteilt hatte, das Sie uns abholen würde. Nach 10 Minuten sahen wir Sie. Gemeinsam gingen wir über den Platz und bogen links zu einer kleinen Plaza ab, hinter der eine kleine Strasse mit Steinhäusern begann. Wir befanden uns im Herzen Puerto Reals, bogen kurz danach auf die Hauptgeschäftsstrasse ab, die im Unterschied zu der Strasse davor breiter war und einen schickeren Boden hatte. Man spürte, dass das Spanien hier ein anderes war, das uns seine Tür freundschaftlich öffnete. Ich war zwar noch nie in Marroko, aber irgendwie fühlte ich die Nähe zu diesem orientalischen Land. Dieser Vorort erinnerte mich außerdem noch an Pudahuel in Santiago, obwohl es doch so anders hier war. Es war auch arm, jedoch hatte dieser Ort eine Schönheit und Würde, die weit über das Ambiente Pudahuels in Chile hinausging.
Nach 20 Minuten, weil wir alle Gepäck hatten, kamen wir auf derselben Strasse zu einem Platz. Dort war das Haus, in dem Yousra wohnte. Daneben ein freundliches Cafe. Wir gingen in den kühlen Flur, der in Marmor eingerahmt war und das Treppenhaus bis in den dritten Stock.
Hinter der Wohnungstür ergab sich ein langer Flur, hinten lag die Küche, gegenüber, gleich links neben der Eingangstür ein großes Wohnzimmer und daneben unser Schlafzimmer, das auch Yousras Zimmer war. Eine Traumwohnung. Hell und weit.
Nachdem wir uns alle etwas frisch gemacht hatten und im Wohnzimmer auf den beiden Sofas neben einem Mitbewohner und einem Freund saßen und marrokanischen Tee serviert bekamen, näherte sich ein erstes Gefühl von der Welt, in die Yousra uns alle eingeladen hatte. Wir waren, kaum 2 Tage später, gleich nach unserem Aufeinandertreffen, wirklich alle hier.
Als ich vom kleinen Balkon aus den Blick direkt aufs Meer registrierte, war ich noch begeisterter. Der Blick über die Dächer offenbarte in mir eine Nähe zum Orient, der wahrhaftiger nicht hätte sein können.
Alle sprachen hier Berberisch, mit unterschiedlichen Akzenten, aber sie verstanden sich. Ana und ich lauschten dem Klang dieser schönen Sprache, die sich weicher als Arabisch anhörte.
Zwei Stunden später gingen wir alle zum Meer, und schauten uns den Sonnenuntergang an.
Wir wollten noch einkaufen, um für Silvester zu kochen, doch alles hatte zu. Ana war enttäuscht, weil Sie gerne für alle Chinesisch gekocht hätte. Melek und ich hatten einfach nur Hunger. Wir hatten alle nicht daran gedacht, dass die Läden natürlich geschlossen hatten, wenn wir ankommen.
So gingen wir einfach durch die Strassen und landeten wieder in der Hauptgeschäftsstrasse. Die Lichter gingen an. Diese gelben Lampen erschafften ein so unwirkliches Licht, dass das Gefühl der Verortung, selbst weit weg von Spanien zu sein, die einer anderen Dimension glich. Wir waren Marokko hier näher als sonst irgendwo, marrokoanischer ging nicht mehr.
Es war wirklich nichts auffindbar, um noch irgendwie etwas zu kochen.
Als wir in einem marrokanischen Laden Getränke kauften, wurden wir vom Geschäftsinhaber ins Hinterzimmer gebeten. Er war der Onkel des Mitbewohners von Yousra. Wir befanden uns in einem Raum, der als Lager für den Laden ausgerichtet war. Der Freund des Mitbewohners verschwand, wir wurden gebeten uns auf die Hocker zu setzen, die um eine Kiste standen, welche als Ablage diente. Es wurde Tee serviert und innerhalb innerhalb von 10 Minuten wurde auf einer Zweier- Kochplatte, die über Strom funktionierte, Kifta warm gemacht.
Wir saßen alle da und waren gerührt von der Gastfreundschaft.
Es hätte keinen besseren Ort geben können, an dem wir an diesem Abend und in diesem Augenblick hätten sein können. Ein Ort, der uns so herzlich willkommen hieß, zauberte uns allen ein Lächeln ins Gesicht. Die Geste des Verkäufers traf uns dort, wo wir uns getroffen hatten in unseren Begegnungen und deretwegen wir alle zusammen hier waren, im Raum unserer geöffneten Herzen füreinander, die weit über das Interesse des Gegenübers hinausging. Wir suchten und sehnten uns alle nach dem gleichen, nach Verbindung.
Nur der offenherzige Wunsch nach wahrhaftiger Verbindung, schenkt einem eine Nächstenliebe, die mutipliziert werden kann, so wie sie es für uns tat an diesem Abend. Die schöne unsichtbare Energie, die ihr folgt, besteht aus Dankbarkeit und Demut.