Veröffentlicht: 27.11.2016
Heute ist der erste Advent und ich muss sagen, die Vorweihnachtszeit in Deutschland würde ich gern miterleben. Die bunten Lichter, die Weihnachtsmärkte, das Christbaumaufstellen in Sulzthal und Plätzchen essen mit Tee und dem Adventskranz im Hintergrund, ja das wäre schön. Aber toll wie mein Körper ist, verschafft er mich Ablenkung. So habe ich das erste Adventswochenende überwiegend im Bett verbracht. Seit ca. drei Wochen, also seit dem Festivalbesuch, bin ich krank. Mal war es besser und dann mal wieder schlechter. Aber richtig krank war ich nie, nur extrem schlapp und energielos. Am Freitag Morgen hat sich das dann geändert. Mit einer ordentlichen Grippe bin ich aufgewacht und war heilfroh als meine Vorlesungen vorbei waren und ich ins Bett kriechen konnte. Angefangen hat es alles am Festival aber hier auf der Arbeit konnte es auch nicht besser werden. In den letzten Wochen wurde es hier herbstlich und wärmer als 10 Grad war es schon länger nicht mehr. Da sind nicht beheizte Unterrichtsräume natürlich nicht förderlich für die Gesundheit. Ja, die Räume in denen ich arbeite sind nicht beheizt. Die chinesische Regierung hat sich da was ganz tolles einfallen lassen. Um leichter entscheiden zu können, in welchen Provinzen Zentralheizungen gestellt werden und in welchen nicht, wurde das Land in Nord- und Südchina aufgeteilt. Als natürliche Grenze wurde dafür der Yangtze, der drittlängste Fluss der Welt und der längste Fluss Asiens, gewählt. Natürliche Grenze hin oder her, man hätte auch einfach mal aufs Thermometer schauen können. Bei fünf Grad Außentemperatur finde ich Heizungen schon angebracht. Naja wie dem auch sei, in der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurde ich richtig krank und am Samstag beschloss ich ins Krankenhaus zu fahren. Das hört sich allerdings schlimmer an als es ist. In China gibt es keine Arztpraxen. Bei einer normalen Untersuchung muss man bereits in Krankenhaus. Ich wollte nur einen Bluttest machen lassen, um zu sehen ob meine dreiwöchige Grippe ein Virus oder bakteriell ist. Nach kleineren und größeren Schwierigkeiten bekam ich dann das Ergebnis, dass es eine bakterielle Grippe war. Das erklärt auch warum ich so lange damit gekämpft habe. Inzwischen sind die Werte aber nur noch leicht erhöht. Mein Körper hat alle Bakterien allein besiegt, von dem Kampf ist er allerdings noch ein bisschen müde. J So habe ich den ersten Advent also im Bett verbracht und hatte gar keine Zeit die Adventszeit zu vermissen. Was würde ich nur ohne meinen fürsorglichen Körper machen?!
Eigentlich wollte ich aber über das Festival schreiben, bei dem ich mir die Grippe eingefangen hatte. Das Festival war am ersten Novemberwochenende nicht weit von Hangzhou. Am Samstag Morgen bin ich mit einer Gruppe Internationaler mit dem Bus dorthin aufgebrochen. Dabei waren auch meine Freunde Matthias, seine Bekanntschaft Kate, ein guter Freund aus Syrien, Mano und Cassandra eine Studentin aus Großbritannien. Zusammen sind wir mit ca. 30 anderen zum Midi Rock Festival gefahren. Ich hatte keine Ahnung was mich erwartet, bin aber fest davon ausgegangen, dass dort viele Ausländer sein werden. Das Midi wird in den Medien als das größte alternative Rockfestival Chinas beschrieben. Beim besten Willen konnte ich mir keine jungen Chinesen dort vorstellen. Allerdings wurde ich eines besseren belehrt. Wir waren so gut wie die einzigen ausländischen Besucher und der Rest ausgelassen feiernde Chinesen Mitte und Anfang 20. Ich konnte es nicht glauben und war extrem positiv überrascht. Bis zu diesem Festival habe ich nur die Studenten meiner Uni kennengelernt. Man kann sie schlicht und einfach als Lernmaschinen bezeichnen. Sie lernen, schlafen und spielen LOL (ein Onlinespiel). So etwas wie Freizeit und Spaß kennen sie nur theoretisch. Auf dem Midi war es ganz anders. Auch wenn dort nur ca. 4000 Besucher waren, also ca. 3850 Chinesen, war es trotzdem schön zu erfahren, dass auch diese Art von Jugend in China gibt. Junge Menschen, die Musik hören und das Leben zusammen mit Freunden genießen. Schon ohne Musik oder andere Erlebnisse wird des Midi allein aus diesem Grund eines meiner Highlights in China sein und bleiben. Es hat mein Bild auf die chinesische Jugend positiv verändert und ich hoffe, dass es populärer wird und mehr Menschen für diese Art zu leben begeistert.
Mit diesen ganzen ausgelassenen Chinesen war das Feiern natürlich viel leichter und ich muss sagen, das Festival hat mich ziemlich zerstört. :D In der Nacht von Samstag auf Sonntag sagte Mano irgendwann zu mir: „Lena, take care. There is still a second day. Please, survive it!“ Die Aussage war nicht ganz unberechtigt nachdem ich am ersten Tag meine Sonnenbrille und mein Handy verloren hatte, mir einen Sonnenbrand einfangen hatte und mir selbst das Schienbein aufgeschnitten habe –nur ein kleines Stück. Aber trotzdem war das Wochenende richtig gut. Nicht die Dinge, die ich eben aufgezählt habe. Das Festival allgemein war der Hammer. Es gab nur gute Bands mit unterschiedlichen Musikrichtungen. Von Hardcore über Punkrock und Blues war alles dabei. So bin ich in den Genuss gekommen Chinas bekannteste Punk Rock Band Brain Failure (脑浊) zu sehen. Es gab noch viele andere gute Bands mit interessanter, sehr guter Musik. Von denen weiß ich allerdings die Namen nicht mehr. Teilweise war ich doch mit dem Überleben beschäftigt. :D
Neben den Bands war auch die Stimmung am Festival absoluter Wahnsinn. Wie man auf den Fotos schon erkennen kann, die Chinesen stehen total auf Bengalos und Fahnen. Deutsche Ultras können sich da noch eine gute Scheibe abschneiden. Vor den Bühnen ging es richtig rund mit Pogo, Wall of death, stage diving und was es sonst noch alles gibt. Als ich das auf Foto festhalten wollte habe ich mein Handy verloren. Das Bild habe ich noch gemacht, aber dann vergessen das Handy wieder einzustecken. Naja dumm gelaufen und zum Glück gibt es Freunde, die einem Bilder schicken können. An sich ist es wirklich ärgerlich, weil ich das Handy erst neu gekauft hatte. Aber bei selbstverschuldeten Dingen vergeht der Ärger doch etwas schneller – zumindest bei mir.
Ganz typisch wurde auch gezeltet. Das haben aber nur Mano und ich gemacht. Die restliche Gruppe hat in einer Kneipe bei Technomusik gefeiert bzw. versucht zu schlafen. Da war der Zeltplatz schon angenehmer und viel mehr nach meinem Geschmack. Der nächste Tag ging das etwas ruhiger zu und ich war auch fest entschlossen ohne weitere Verluste das Festival zu überstehen. In riesigen Sitzsäcken hat es sich vor dem Bierstand super aushalten lassen und ab und zu ging es dann mal an die Bühne, um eine Band zu sehen und dabei ein bisschen zu tanzen. Nach der letzten Band sind wir abends zurück nach Hangzhou gefahren und müde aber sehr zufrieden bin ich nachts in meiner Wohnung angekommen.
Organisiert wird das Midi Rockfestival von der Beijing Midi School of Music. Diese Schule hat sich in den 90ern gegründet und veranstaltet noch weitere Festivals wie das Midi Jazz oder Techno Festival. Außerdem verleihen sie auch Preise und ihr Ziel ist die Förderung von neuen und alternativen Musikrichtungen in China. Eine wirklich coole Sache, die zu 100% made by China ist. Falls irgendwer einmal nach China kommt, sollte er oder sie sich auf jeden Fall informieren, ob eines der Festivals in den Aufenthalt fällt. Es ist einen Besuch wert. Ziemlich sicher werde ich auch zu den anderen Midi Festivals gehen. Da ist dann auch egal, ob es meinen Musikgeschmack trifft oder nicht. Die Schule und die Veranstaltungen müssen auf jeden Fall unterstützt und wenn möglich auch verbreitet werden.