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Abschlussgedanken

Veröffentlicht: 27.09.2024

Ich bin jetzt seit gestern Nachmittag wieder zuhause. Mein Kopf ist noch ziemlich voll, die ganzen Eindrücke der letzten 16 Tage sind noch lange nicht verarbeitet. Ich glaube ich bin noch nicht wieder richtig zuhause angekommen - am liebsten würde ich wieder zurückfliegen und weiterlaufen... 

Bisher fühlt sich zuhause alles noch etwas fremd an und mir fällt es schwer, einfach nur rumzusitzen bzw. mich zu entspannen. Ich weiß nicht so richtig, ob ich meinem Körper jetzt eine kleine Pause gönnen soll (da ich mich schon ein bisschen angeschlagen fühle), oder ob ich den "Trainings"-Impuls jetzt mitnehmen und mich umso mehr bewegen soll, auch wenn mein Körper sich etwas schwach anfühlt. 

Die letzten beiden Tage meiner Reise waren sehr anstrengend. Lange Busfahrten, schlechtes Wetter, ein Abschied nach dem anderen und das anschließende Gefühl, plötzlich wieder alleine zu sein, haben mich doch ziemlich mitgenommen. Auch wenn ich die Reise ursprünglich alleine gestartet hab, habe ich mich unterwegs wirklich nie einsam oder alleine gefühlt. 

Die 14 Tage pilgern waren für mich körperlich definitiv eine Herausforderung - meine Gelenke und Bänder waren so eine Anstrengung absolut nicht gewohnt - aber dafür war es gleichzeitig eine komplette Entspannung für meinen Kopf. Man hatte täglich nur 1 Ziel: Laufen bis zur nächsten Unterkunft. Alles andere war Nebensache. Selbst als die Knie und Knöchel geschmerzt haben, habe ich gemerkt: Irgendwie geht es immer weiter! Jeden Morgen war ich erneut überrascht dass die Schmerzen vom Vortag deutlich geringer oder sogar weg waren und ich wieder mit vollem Schwung in den Tag starten konnte. Bis auf den Tag 6, da waren die Schmerzen leider wirklich zu stark um weiterzulaufen. Umso überraschter war ich, wie schnell sich der Körper mit nur einem Tag Pause wieder erholen kann. Fitness-/Ausdauermäßig war es echt gut machbar, da es auch nicht so viele Höhenmeter oder anderweitig herausfordernde Strecken waren. Selbst an den schweren Rucksack hatte ich mich schnell gewöhnt - dieser war irgendwann einfach ein Teil von mir.

Ich habe im Durchschnitt knapp 30.000 Schritte pro Tag gemacht (in einer normalen Arbeitswoche bin ich froh wenn ich mal über 5000 Schritte pro Tag komme). Die Laufstrecken waren zwischen 14 und 28.5 km lang, das entspricht einem Durchschnitt von um die 20 km pro Tag. Die offizielle Strecke des portugiesischen Küstenwegs sind 280 km, kommt also hin bei 14 Etappen :)

Landschaftlich war der Küstenweg natürlich größtenteils von Etappen direkt am Meer oder in Meernähe geprägt - auch wenn es zum ausgiebigen Baden leider doch etwas zu kalt war. Das Wellenrauschen, den Geruch von Salzwasser und die (manchmal etwas zu starke) Meeresbrise vermisse ich jetzt schon. Aber auch sonst war die Umgebung des Jakobsweges sowohl in Portugal als auch Galicien sehr abwechslungsreich: von breiten Sandstränden über kilometerweite Holzstege, eindrucksvolle Wohngebiete, viel befahrene Feldwege, schmale Gassen in traumhaften Innenstädten, Abschnitte direkt an der Küstenstraße, verwunschene Waldwege, knöchelbrechendes Kopfsteinpflaster bis hin zum lauten Industrieviertel war wirklich alles dabei.

Sprachlich bin ich in Portugal mit Englisch gut durchgekommen - das sprechen dort fast alle. Ganz zur Not hat dort auch etwas Spanisch geholfen. In Spanien war ich dann doch froh, dass ich zu Beginn des Jahres angefangen hab, spanisch zu lernen, denn dort war Englisch nicht immer selbstverständlich. Aber Bernat und Arturo waren dort dann meistens zur Stelle und konnten aushelfen, falls mein Spanisch nicht mehr ausgereicht hat.

Mein Rucksack (Deuter Aircontact Lite 35+10 SL) war sein Geld auf alle Fälle wert! Er saß super auf meinem Rücken, ich hatte keine Druckstellen, das Gewicht war perfekt verteilt, sodass ich kaum Gewicht auf den Schultern getragen hatte. Auch die Größe war perfekt - alles hat reingepasst, aber es war nicht mehr viel Raum nach oben, was nur zusätzliches Gewicht bedeuten würde. Die verschiedenen Fächer und Taschen sind sehr gut durchdacht. Das nächste Mal würde ich allerdings wahrscheinlich entweder eine Trinkblase oder eine Trinkflasche mit Trinkschlauch wählen, da ich zwar an meine Trinkflasche rankam, ohne den Rucksack abzusetzen, sie aber dann nicht mehr alleine zurückstecken konnte.

Auch meine Ausrüstung war letztendlich gar nicht so schlecht gewählt - ich hab fast alles verwendet.
Das aufblasbare Kopfkissen hätte ich mir sparen können, da es überall Kissen gab. Im Nachhinein hätte ich mich statt einem kompletten Poncho eher für Rucksack-Cape + Regenjacke entschieden, da ich die Jacke auch wann anders noch anziehen und als Windschutz hätte nehmen können. Das Flug-Cover hätte ich mir sparen können - im Endeffekt konnte ich den Rucksack doch als Handgepäck mitnehmen (ich hatte da die Maße auf den Websites zu genau genommen). Aber es hat seinen Job auf dem Hinflug auf jeden Fall erledigt ;-).
Mit meiner Sockenwahl (doppellagige "Wrightsocks") bin ich sehr zufrieden, auch die waren ihr Geld absolut wert. Mit den Schuhen bin ich insgesamt auch sehr zufrieden, vor allem hatte ich einfach gar nicht wirklich eine Alternative gehabt, da mir sonst nichts gepasst hat. 
Die Merino-Shirts waren eine absolut gute Wahl, die konnte ich locker 2 Tage hintereinander anziehen, ohne dass sie gerochen haben. Außerdem sind sie sehr schnell wieder getrocknet, was nicht bei allen Kleidungsstücken der Fall war.
Über meinen Sommer-Daunen-Schlafsack war ich bei manchen Nächten sehr froh, in anderen Unterkünften wiederum gab es entweder Decken oder es war so warm, dass der dünne Hüttenschlafsack gereicht hat. Ohne diesen wäre es definitiv nicht gegangen, bzw. hätte ich mich dann mancherorts nicht so wohlgefühlt.

Als Frau alleine zu verreisen hatte mich schon etwas Überwindung gekostet - aber ich denke da war der Jakobsweg genau der perfekte Einstieg. Ich hatte zu keiner Zeit und an keinem Ort Bedenken, nicht sicher zu sein. Klar bin ich jetzt nicht Nachts alleine durch irgendwelche Hintergassen gelaufen, aber das mache ich auch in Deutschland nicht so gerne ;-). Ich habe immer absolut sicher und wohl gefühlt. Selbst ohne Karte oder App hatte man bis auf ganz wenige Ausnahmen immer genug Pfeile oder Schilder, die einem den Weg gezeigt haben, es war also sehr einfach sich zu orientieren.

Dieses sichere Gefühl lag bestimmt auch mit an den Menschen, die man unterwegs überall getroffen hat. Mit ein paar Ausnahmefällen waren alle immer sehr nett, egal ob Einheimische oder andere Pilgerer. Vor allem von älteren Einheimischen kam einem mehrmals täglich ein "Bom Caminho/Buen Camino" entgegen. 

Was die Reise aber wirklich so besonders gemacht hat, sind die Menschen, die einen Teil (oder sogar mehrere Teile) dieses Weges mit einem geteilt haben. Von Beginn an war es sehr leicht, andere Pilger zu treffen, mit denen man ein paar Worte ausgetauscht hat und dann ein kurzes oder längeres Stück gemeinsam gegangen ist. Manche hat man danach nie wieder gesehen, während man andere immer wieder entweder unterwegs oder abends in den Herbergen getroffen hat. Auch da ergab sich dann immer irgendeine Möglichkeit, gemeinsam Essen zu gehen, gemeinsam zu kochen oder einfach nur gut zu unterhalten und Erfahrungen auszutauschen. Alle waren sehr hilfsbereit und jeder hat versucht, sein Wissen an andere weiterzugeben, egal worum es ging. Es gab fast immer jemanden, der einem mit dem spezifischen Problem helfen konnte - Blasen richtig versorgen, Gelenke tapen, Rucksack richtig einstellen, Schuhe richtig binden. Jeder Erfahrungswert war hier herzlich willkommen. Man hat sich trotz der unterschiedlichen Herkünfte, Altersklassen, Motivation etc. wie eine kleine Gemeinschaft gefühlt - jeder wollte, dass alle anderen ihr Ziel auch erreichen. 

Wenn ich mich noch richtig erinnere, war die Altersspanne der Pilger von ca. 18 - 85 Jahren, zumindest bei denen die ich unterwegs getroffen / gesehen hatte. Ich kann mich an Pilgerer aus folgenden Nationen erinnern: Deutschland, Niederlande, Belgien, Irland, England, Dänemark, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Polen, Tschechien, Österreich, Ungarn, Ukraine, USA, Mexico, Südafrika, Australien, China... 

Jede dieser Personen hatte eine eigene Motivation, den Jakobsweg zu gehen. Für manche war es der erste, für manche der 2./6./... und für manche der letzte. Das war aber alles egal - in diesen Tagen hatten wir alle das gleiche Ziel - dass jeder in seinem eigenen Tempo irgendwann in Santiago de Compostela ankommt.

Für mich wird es wahrscheinlich nicht der letzte Jakobsweg gewesen sein, das war mit Abstand die eindrucksvollste Reise, die ich bisher erlebt habe. Es gab ein paar Tiefpunkte, aber die Glücksgefühle und Höhepunkte haben absolut überwogen. Selten habe ich mich so erschöpft und dabei aber gleichzeitig einfach so frei und glücklich gefühlt. Für mich gab es definitiv ein paar Denkanstöße, ich denke es wird ein paar Dinge geben, die ich in meinem Leben etwas verändern werde. Unter anderem will ich mich definitiv besser um meinen Körper kümmern, damit dieser den nächsten Jakobsweg vielleicht etwas schmerzfreier übersteht ;-).

Jetzt werde ich aber am Wochenende erstmal noch ein bisschen in Erinnerungen schwelgen, bevor am Montag der normale Wahnsinn wieder beginnt. 

Ich hoffe ich konnte euch mit meinen Beiträgen ein bisschen Freude bringen und danke allen, die hier mitgelesen und mitgefiebert haben :)

Bis vielleicht zum nächsten Mal!

Lena

Antworten (2)

So liebe Lena, vielen Dank für deine Berichte deine Bilder und dass wir teilhaben durften an deinem Camino, wir durten mit Dir Mitfühlen und uns mit Dir freuen und das schwierigste hast du ja auch noch gemeistert die Schlußworte (Gedanken). Fettes Lob Danke Dir Vogge😘

Wann hattest du nur immer noch die Zeit gefunden, um diese schönen Berichte zu schreiben? Ich musste dabei auch immer wieder mal paar (Glücks) Tränchen verdrücken. Bei den Schlussworten aber war's am Schlimmsten (das Glück😅) So froh, dass du diesen Weg gegangen bist. Dein Camino ❤️ Und Danke, dass wir dabei sein durften🥰 Deine Mama