Veröffentlicht: 27.10.2019
Es ist Herbst in Europa. Das heißt es ist fast überall regnerisch, schmuddelig und kalt und man möchte eigentlich viel lieber eingekuschelt auf dem Sofa Auflauf essen und Harry Potter gucken als viel draußen zu sein. Da wir diese Reise aber nicht machen, um auf dem Sofa zu sitzen, sondern um zu sehen, was die Welt ansonsten so zu bieten hat (nagut Harry Potter ist schwer zu überbieten), brauchten wir einen Ort, an dem das Wetter auch im Oktober noch gut ist. Von Georgien aus gibt es nicht so viel Auswahl und so fiel die Wahl auf Griechenland: 1. Ist Oktober die beste Reisezeit für Griechenland, denn es ist mit ca. 25-30°C angenehm warm, und 2. Gibt es einen Direktflug von Tiflis nach Athen. Wir sind also wieder auf europäischem Boden!
In Athen hieß es dann natürlich: Alte griechische Kultur tanken und die Mittagshitze (und Touristenströme) meiden. Tagsüber sahen wir uns also altgriechische Bauwerke und schöne Stadtviertel mit engen Gassen und kleinen Häuschen an, abends entspannten wir auf unserer Dachterrasse mit Blick über Athen und aßen bei Sonnenuntergang selbstgekochte Gerichte. So ist das Leben schön!
Am besten hat uns beim Schlendern durch die Innenstadt das Stadtviertel Anafiotika gefallen. Es liegt direkt am ältesten und wahrscheinlich berühmtesten Stadtviertel Athens, Plaka, und besteht aus vielen sehr kleinen Häuschen, deren Besitzer alles für ein schönes Aussehen tun. Viele Häuser sind klassisch weiß und blau gestrichen und haben kleine weiße Mauern um ihre Gärten. Bunt wird es durch die Pflanzenwelt wie riesige Drillingsblumen, die die schmalen Wege, auf denen häufig nur ein Mensch Platz hat, überwuchern und dabei strahlend pink blühen. Natürlich gibt es dort auch keinen Verkehr und es ist wunderbar ruhig.
Da man in Athen nicht drum herum kommt auch die Akropolis zu besuchen, denn sie thront über der Stadt wie eine riesige Statue und fordert einen förmlich heraus sie zu besichtigen, haben wir uns in das Getümmel gestürzt und auch dieser einige Stunden gewidmet. Zuerst waren wir vollkommen schockiert über die Menschenmassen, die sich hier schon morgens durch den schmalen Eingang drängen, aber ist man erst einmal auf dem Gelände der Akropolis, verläuft es sich schnell. Natürlich waren wir beeindruckt von ihrer Geschichte und ihrer schieren Größe, aber was uns viel mehr interessiert hat waren die Restaurationsarbeiten. Seit vielen Jahrzehnten versucht man nicht nur die Einzelteile der zerstörten Tempel wie ein Puzzle zusammenzufügen, sondern auch schlecht und falsch vorgenommene Restaurationsarbeiten der Vorjahre wieder zu beheben. Natürlich ist dies angesichts der vielen kleinen und großen Gesteinsteile, die über Jahrhunderte abgenutzt und zerstört wurden, eine sehr langwierige Arbeit, aber dank moderner Technik kann man Vieles wieder rekonstruieren. Alle Einzelteile werden dafür genau vermessen und mittels Computersoftware in 3D dargestellt, um digital passende Gegenstücke zu finden, ihre Herkunft im Tempel zu bestimmen und dann alles zusammensetzen zu können. Warum haben wir uns eigentlich beim Puzzeln als Kinder immer so viel Arbeit gemacht? Wir hätten doch nur eine gute Computersoftware programmieren müssen und die hätte dann alles für uns erledigt.
Nach Athen war es Zeit für ein wenig Wanderspaß, also fuhren wir mit unserem Mietwagen landeinwärts nach Kalambaka zu den berühmten Meteora Klöstern. Auf dem Weg kamen wir an kilometerlangen Baumwollfeldern vorbei, die die Landschaft in eine flauschige Wattewelt verwandelten, denn durch die Erntearbeiten flogen überall die Wattebällchen herum. Ansonsten war die Vegetation eher karg, denn auf Grund des trockenen Klimas wächst in Griechenland wohl hauptsächlich Baumwolle und Oliven, bis wir endlich die riesigen Felswände der Meteora Klöster erblicken konnten. Vollkommen unwirklich ragt das graue Gestein hinter Kalambaka senkrecht aus der flachen Landschaft empor und bildet eine Art Minigebirge.
Die einzelnen Felssäulen mit ihren vielen hochgelegenen Höhlen begeisterten schon im 11. Jahrhundert die ersten Einsiedler, die in den Höhlen ein asketisches Leben führten. Durch diese kam im 14. Jahrhundert die Idee auf, auf den Felsen gut gesicherte Klöster zu errichten und so wurden nach und nach 24 Klöster gebaut. Damals waren viele hiervon nur durch Seilwinden überhaupt zu erreichen, wodurch die Mönche in Sicherheit ihren Glauben ausleben konnten. Heute sind die meisten dieser Gebäude verlassen oder zerstört und nur noch 6 Klöster werden genutzt und wurden für Fußgänger über Treppen zugänglich gemacht. Also mussten wir leider nicht mit einer Seilwinde hochgezogen werden, sondern kamen in den Genuss viele hundert Stufen zu laufen und uns die Klöster von allen Seiten genau anzusehen. Vor allem die Kirchen waren spektakulär, denn sie waren mehr als pompös verziert und mit hunderten Kronleuchtern ausgestattet. Leider durfte man ausgerechnet in diesen Räumen keine Fotos machen, also müsst ihr selbst hinreisen, wenn ihr diese sehen möchtet.
Neben den schönen Wanderungen durch die Klöster, entlang der Felswände und durch Herbstwälder mit einem Meer aus Alpenveilchen, haben wir die Sonnenuntergänge von den Bergen aus am meisten genossen. So haben wir auch Jans Geburtstag gefeiert: Bei Sonnenuntergang auf einem einsamen Felsvorsprung mit Blick über die Berge und Klöster und mit einem kühlen Bier in der Hand. Die Klöster und ihr Gebirge zu verlassen fiel uns richtig schwer, dieser Ort hat einfach eine magische Atmosphäre, aber nach einigen Tagen, an denen es oft stark geregnet hat, sind wir doch weitergezogen.
Unser nächstes Ziel war die Insel Zakynthos (von den Einheimischen „Zante“ genannt) im Westen Griechenlands. Da wir bisher Stadt und Berge gesehen hatten, wollten wir nun das Meer und die Küste genießen und auf Zante gibt es einige beeindruckende Klippen und super blaues Meer mit Sandstränden. Zumindest war so der Plan…bis wir auf Zante ankamen und von 7 Tagen geschlagene 5 Tage Unwetter mit heftigen Gewittern erlebten. Zum Glück hatten wir ein Apartment mit Küche gebucht, sodass wir einfach mal wieder richtig kochen und gammeln konnten. Also auch in Griechenland verbringt man im Oktober Tage auf dem Sofa mit Auflauf und Harry Potter.
Die Schönwettertage haben wir dafür richtig ausgenutzt und die tolle Küstenlandschaft von Zante erkundet. Besonders das Meerwasser, das überall auf Zante lupenrein ist und in allen möglichen Blautönen strahlt, hat uns gefallen. Hier will man überall baden gehen. Wir waren bei vielen hohen Klippen, sind zu Felsvorsprüngen abgestiegen und haben vom Rand einer ca. 300m hohen Klippe den Sonnenuntergang überm Meer gesehen. Da uns dieser Ort mit seiner Bucht, in der ein Schiffswrack liegt, besonders beeindruckt hat, sind wir entlang der Klippe gewandert und haben die Bucht von mehreren Seiten betrachtet. Das Schiffswrack strandete dort übrigens 1980, als, der Geschichte nach, einige Schmuggler es dort entsorgten und anzündeten, um ihre Spuren zu verwischen. Damit haben sie unbewusst eine echte Touristenattraktion geschaffen. Zum Schiff selbst kann man nur per Bootstour gelangen, also haben wir uns das gespart, aber der Ausblick von Oben und die Wanderung waren faszinierend genug.
Nach einigen Tagen mit viel Grübeln darüber, wo wir als nächstes hinwollen und wo uns das Wetter noch „wohlgesonnen“ sein könnte, entschlossen wir uns dazu nach Kreta zu fliegen. Dies war die günstigste und einfachste Option, insbesondere weil wir nicht bedacht hatten, dass überall in Europa Herbstferien sind und dadurch die Flugpreise ganz schön in die Höhe steigen. Außerdem wollten wir unbedingt noch ein paar schöne Wanderungen machen und Kreta ist für seine Wanderwege berühmt, insbesondere durch Schluchten. Wir lieben Schluchten, also ab nach Kreta.Anfangs hielt sich unsere Begeisterung aber ehrlich gesagt in Grenzen. Von Heraklion fuhren wir entlang der Küste bis an die Westseite Kretas und sahen stundenlang nur trockene Einöde, unschöne Touristendörfer und Kiesstrände. Die einzige Schlucht, die wir auf der Fahrt als Zwischenstopp durchwanderten, war eher ein Bachlauf in einem kleinen Tal und ziemlich unspektakulär. Nur die Freude über etwas Bewegung hob die Stimmung. ABER wir lassen uns ja gerne eines Besseren belehren und machten das Beste draus und siehe da: Nach einigen Tagen lernten wir die Insel richtig zu schätzen. Und es wurde von Tag zu Tag besser, insbesondere weil wir noch einmal richtig sommerliches Wetter hatten!
Im Westen Kretas besuchten wir ein paar schöne Strände mit warmem Wasser, ewig langen Sandbänken und dem völlig überbewerteten aber lustigen Phänomen des pinken Sandes. Dieser ist eigentlich kein Sand, sondern zerkleinerte Überreste von Austern mit roten Schalen, die einen klitzekleinen Streifen des Strandes rosa erscheinen lassen. Aber die Aussicht auf ein Foto mit dem schönen Phänomen reicht wohl, um tausende Touristen anzulocken. Dennoch haben wir meistens ein paar tolle abgelegene und ruhige Buchten gefunden, um den Massen zu entkommen. Als an einem der Strände, den man nur durch eine Wanderung oder per Boot erreichen kann, dann allerdings auch noch eine riesige Fähre mit hunderten Menschen anlegte und alle wie ein Heuschreckenschwarm auf den Strand zuliefen, beschlossen wir den Stränden den Rücken zu kehren.
Um noch ein paar Souvenirs einzutüten und auch mal eine typisch kretische Stadt zu sehen, haben wir Chania einen Besuch abgestattet. Die Innenstadt von Chania ist eine einzige verwinkelte Fußgängerzone direkt an einem alten venezianischen Hafen und perfekt dafür geeignet, um ziellos durch die Gassen zu schlendern und kleine Läden und Tavernen zu entdecken. Wie in einem Labyrinth kann man sich hier stundenlang verlieren und entdeckt immer wieder neue wunderschöne Wege durch die alten Häuser. Außerdem haben wir einen Markt besucht, auf dem tonnenweise Obst und Gemüse verkauft wurde und sind endlich mal wieder zum Friseur gegangen, denn das letzte Mal ist 4 Monate bei Jan und über 1 Jahr bei Natalie her gewesen. Wir dachten so verlottert können wir nicht mehr rumlaufen geschweige denn nach Hause fliegen.
Auf dem Weg Richtung Süden statteten wir dem wunderschönen botanischen Garten von Kreta einen Besuch ab. So eine schöne Anlage haben wir selten gesehen: Eigentlich hat man nicht das Gefühl in einem angelegten Garten, sondern viel mehr in einem planmäßig verwilderten Dschungel aus jeder Menge Obstbäumen und Kräutern umherzuwandern. Es hat um jede Ecke anders gerochen und wir haben viele Obstbäume zum ersten Mal in unserem Leben gesehen. Vor allem für uns absolut spannend, da wir jetzt zu vielen Früchten, die wir auf der Reise gegessen haben auch den Baum kennen. Und als Highlight beherbergt der Garten noch einige Tiere, unter anderem einen sehr verschmusten Esel.
Im Süden Kretas fanden wir dann endlich unsere ersehnte Ruhe und Natur, denn hier gibt es die tiefsten und schönsten Schluchten der Insel, die zu Wanderungen einladen. Eines der Highlights eines Kretabesuchs ist wohl für die meisten Urlauber die Durchquerung der Samariaschlucht. Diese ist 13 km lang und führt vom höchsten Gebirge Kretas bis ans Meer. Da uns der Transport zum Startpunkt und vom Endpunkt wieder weg allerdings zu kompliziert und kostspielig war (man muss Bus und Fähre nehmen), haben wir eine bequemere Lösung für uns gefunden. Wir sind mit dem Auto zum Ort Sougia am Meer gefahren, haben die Fähre bis zum unteren Beginn der Schlucht am Meer genommen und sind dann so weit wir konnten in die Schlucht hinein gelaufen und auf selbem Wege wieder zurück nach Sougia.
Dadurch mussten wir zwar etwas mehr bergauf laufen als bei der normalen Wanderung von den Bergen zum Meer, aber es hat sich absolut gelohnt. Der Clou bei der Sache war nämlich, dass wir schon früh morgens unten an der Schlucht waren und den schönsten Teil fast vollkommen alleine genießen konnten, da die Tageswanderer erst wesentlich später dort ankommen. Bei mehreren hundert Wanderern täglich in der Nebensaison (und mehreren tausend täglich in der Hauptsaison) war das schon ein riesiger Vorteil. Also durchwanderten wir bei strahlendem Sonnenschein eine stille, tiefe Schlucht, in der man nur das Wasser des Flusses plätschern hörte. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie erleichtert wir waren, als wir feststellten, dass trotz der Trockenheit Kretas auch im Oktober noch Wasser in der Schlucht fließt. Und wir haben uns dort „Geruchsfotografie“ gewünscht, denn es hat überall wundervoll nach heißem Pinienwald gerochen. Natalie hat sich sofort wieder in ihre Kindheit in Yosemite zurückversetzt gefühlt. Tatsächlich hat uns die ganze Schlucht mit ihren kargen hohen Felswänden, ihrem türkisen Bach in der Mitte, ihrem Pinienwald und der heißen Sonne sehr an US-Nationalparks wie Zion oder Yosemite erinnert und zeigte uns einmal wieder, dass wir viele schöne Orte eigentlich direkt vor der Haustür haben.
Außer der Samariaschlucht haben wir noch einige andere Schluchten erwandert und waren jedes Mal wieder beeindruckt. Jede Schlucht hatte ihre eigenen Besonderheiten: Z.B. führte uns die Lissosschlucht zu einem lange verlassenen Ort aus den Jahren 500-300 vor Christus, der eine heilende und spirituelle Wirkung haben soll.
In der Aradenaschlucht mussten wir unsere Kletterkünste anwenden und leichte Höhenangst überwinden, während wir versuchten die Ziegenkadaver auf dem Weg zu ignorieren. Selbst diese Kletterexperten stürzen hier öfter mal ab. Der Ort Aradena, der über der Schlucht thront, ist seit ca. 70 Jahren ebenfalls verlassen, da er bis vor kurzem nicht an das Straßennetz angeschlossen war. Nun gibt es allerdings eine Brücke über die Schlucht und zwischen den Ruinen der alten Häuser haben sich einige Hirten mit ihren Ziegen und super süßen Katzen wieder angesiedelt (wenn ihr das Foto von unserer „Lucy“ seht, wisst ihr was wir meinen). Es grenzt echt an ein Wunder, dass wir von dieser Reise ohne ein Haustier zurückkehren bei den vielen niedlichen Streunern, die wir ins Herz geschlossen haben. Hier haben wir auch das Landleben Kretas zu lieben gelernt, denn unsere schöne Unterkunft lag mitten im Nirgendwo in den Bergen und jeden morgen wurden wir von einem Chor aus Glöckchen geweckt, wenn die Schafsherden an unserem Haus vorbei in die Berge getrieben wurden.
Daraufhin hieß es Abschied nehmen von der Idylle und Natur, denn Griechenland war das letzte Land auf unserer Reise. Irgendwann gehen auch uns die Geldreserven aus und unsere Auslandsversicherungen laufen ab, also müssen wir wieder zurück zum Ernst des Lebens. Aber einen kleinen Abschlussbericht werden wir noch verfassen, denn so sang und klanglos können wir diesen Blog nicht beenden.
Song of weather in Greece: Can't control the weather – Fairground Saints