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Gänsehaut in Quenza

Veröffentlicht: 12.08.2018

Als wir am nächsten Morgen erwachten,ging es uns, trotz der ausgiebigen Genüsse der lokalenalkoholhaltigen Getränke am Vorabend, erstaunlich gut. Wir öffnetendie Fensterläden unseres Zimmers und erfreuten uns der bombastischenAussicht und der frischen Bergluft.



Unten im Lokal war für uns und dieanderen Gäste schon fürs Frühstück eingedeckt. Als erste Maßnahmefragte ich, ob wir auch draußen frühstücken dürfen. Das gingnatürlich O.K. und so verputzten wir unser petit-déjeuner instrahlendem Sonnenschein auf der Terrasse, umschwirrt vonSchmetterlingen und mit dem Hofhund zu unseren Füßen. Herz, waswillst du mehr!



Man muss ja wirklich sagen, dass sichalle Gastgeber auf Korsika große Mühe gegeben haben, einordentliches Frühstück anzubieten. Auch heute gab es wiederleckeren Kaffee (den wir zum großen Unverständnis der Korsen meist„noir“, also ohne die obligatorische Milch geordert haben) unddazu Croissants, Brötchen, Honig, Marmelade, Jogurt und Orangensaft.Aber keine Spur von der fantastischen Salami und vom hausgemachtenSchinken, mit denen man uns hier gestern Abend noch verwöhnt hatte.Deftiges zum Frühstück sucht man hier einfach vergebens.Bestenfalls gibt es mal ein gekochtes Ei. „C’estla vie!“ Oder wie man auf Fränkisch sagt: „Basst scho!“


Am Vorabend hattenwir den Tipp bekommen, die Restonica Schlucht zu besuchen. Das wardann heute auch gleich unser erstes Ziel. Von der Hauptstraße ausgeht die Stichstraße die „Gorges de la Restonica“ entlang undüberwindet auf 15 km einen Höhenunterschied von 1.000 m.



Oben auf1.370 m angekommen erwartete uns nicht nur eine wundschöneBerglandschaft und ein beeindruckender Wasserfall, sondernüberraschenderweise auch eine Gruppe perfekt organisierterParkplatz-Einweiser. Die jungen Leute (ich vermute mal es warenStudenten, die sich hier den Sommer über etwas Geld verdienen),dirigierten die Autofahrer zu den raren Abstellflächen in diesemengen Tal. Wer nicht früh genug dran ist, muss dann auch mal 1-2 kmvor dem Ende der Stichstraße parken und den Rest zu Fuß laufen. AlsMotorradfahrer hatten wir wieder mal Glück und durften bis ganz nochoben durchfahren.



Da längereWanderungen mit unserer Motorradkluft nicht angebracht sind, sind wirstattdessen runter zum Bergbach und haben es uns dort gemütlichgemacht. Die Nase in der Sonne und die Füße im Wasser – so ließes sich ausgehalten.





Irgendwann hattenwir dann genug von Sonne, Wasser und Idylle und sind dasRestonica-Tal wieder hinuntergefahren. Für heute war schließlich das Erkunden des Inselinneren unser Ziel! Unser Weg führte unsdeshalb schnurstracks Richtung Süden: zunächst über den Col deSorba nach Ghisoni und dann weiter auf der D69 über Zicavo nachAullène. Hier, abseits der vielbefahrenen Strecken in der Nähe derKüste, hatten wir die Straßen an diesem Nachmittag fast für unsalleine. Die wilde Berglandschaft mit der großartigen Natur und denperfekten Motorradstraßen – einfach traumhaft! 



Spät nachmittagskamen wir schließlich in Quenza, einem hübschen Bergdorf im SüdenKorsikas an. Unsere heutige Hotel-Recherche hatte dort das Hotel SoleE Monti als Favorit ergeben. Wir bekamen ein schönes Zimmer undWaltraud, unser Motorrad, einen abschließbaren Stellplatz. Fürheute Abend wurden uns sogar „traditional singers“ angekündigt.Na, mal schauen, was darunter zu verstehen ist...


Als wir gegen halb acht insRestaurant kamen, war von den versprochenen Sängern nichts zuentdecken. Haben wir sie etwa schon verpasst? Kommen sie noch? Wirsaßen schon eine Weile am Tisch, als einer der vier jungen Männeram Nachbartisch seine Gitarre herausholte und zu singen begann. NetteHintergrundmusik, war unser erster spontaner Eindruck. Von wegenHintergrundmusik! Als nach einigen Takten seine drei Partner miteinstimmten und einen perfekten polyphonen Gesang voller Inbrunstanstimmten, wie ich ihn noch nie erlebt hatte, lief mir die Gänsehaut unweigerlich rauf und runter.



Diese Art der Musik nennt sich Paghjellaund hat sich vermutlich aus dem gregorianischen Choral entwickelt.Die Lieder werden in korsischer Sprache gesungen und handeln vonvergangen Zeiten, der Liebe, der Natur, oder der Jungfrau Maria.Besonders zu Besatzungszeiten kam ihnen die Aufgabe zu, die korsischeIdentität zu erhalten und zu pflegen. Noch heute werden die Liedermit einer besonderen Ernsthaftigkeit und Hingabe vorgetragen, dieeine ganz außergewöhnliche, geradezu erhabene Stimmung aufkommenlässt. Hier ein Youtube-Video eines anderen Paghjella-Ensembles, dass dieseMusik in ganz ähnlicher Weise wie an diesem Abend interpretiert: https://youtu.be/mha3z9Y8gRI (mein Favorit: das Stück ab Minute 28:14).


Später am Abend sind wir noch einwenig in Quenza spazieren gegangen. Auf dem Rückweg wollten wir unsnoch in einer Bar eine Flasche Wasser mitnehmen. Wie üblich, gab esauch hier einen Kühlschrank mit verschiedenen Sorten von Getränkenfür den Straßenverkauf. In meinem nur rudimentär vorhandenenFranzösisch habe ich dem Wirt, einem vollflächig tätowiertenHünen, um eine „boteille eau minerale plate“, also eine Flaschestilles Mineralwasser, gebeten. Der reagierte seltsam ablehnenddarauf und hat mir etwas geantwortet, das ich nicht übersetzenkonnte. Ich war der Meinung, dass er mich eben vielleicht einfachnicht verstanden hat und habe mein Anliegen wiederholt. Aber derTätowierte schüttelte energisch den Kopf, drehte sich um, ging nachhinten in die Bar und ließ sich vom Mann hinter dem Tresen eineWasserflasche reichen. Die Flasche war jedoch leer! Jetzt war ichvöllig verwirrt. Der Wirt drückte mir die leere Plastikflasche indie Hand und forderte uns auf, mit ihm nach draußen zu gehen. Dortzeigte er die Straße entlang und redete wieder auf Französisch aufmich ein. Diesmal verstand ich immerhin ein Wort: „source“! Einkurzer Blickwechsel mit Steffi und dann war uns klar: Er wollte, dasswir uns unser Wasser aus der „Quelle“ zapfen, statt es für teuerGeld bei ihm zu kaufen! Das war ja nett! Vor seiner Bar stehendbeobachtete der Wirt, ob wir die Dorf-Quelle finden und unsereFlasche auch wirklich auffüllen. Das Wasser hatte natürlich eineeinwandfreie Qualität und schmeckte wunderbar. Fröhlich winkendverabschiedeten wir uns voneinander. Welch sympathischer Abschlussfür diesen wunderbaren Tag!

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