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Alles eine Frage der Balance

Veröffentlicht: 12.08.2018

Heute vor genau fünf Wochen bin ich im Ashram angekommen. Inzwischen fühle ich mich - wie so oft, wenn ich mehr als ein paar Tage irgendwo bleibe - wie zu Hause und es wird mir, wie immer, schwer fallen, mich übermorgen zu verabschieden. Ich habe viele nette Menschen kommen und gehen sehen, von vielen weiß ich nicht einmal die Namen, andere werden mir noch lange in Erinnerung bleiben. Dazu gehören auf jeden Fall die Yogalehrerinnen, Vandana und Varsha, sowie Shubham aus Indien und Diego aus Brasilien, mit denen ich die letzten anderthalb Wochen jeden Tag verbracht und ziemlich viel gelacht habe.

Beim Essen servieren ein gutes Team.

Vandana, eine der beiden Yogalehrerinnen und ich haben uns regelmäßig zum Kätzchen füttern und beobachten getroffen.




wie könnte ich bei diesen Blicken widerstehen?


Irgendwann hat sie mich gefragt ob ich ihr dabei helfen kann, einen englischen Text für ihr Studium zu schreiben. Sie ist gerade dabei ihren Doktorabschluss in Yoga zu machen und muss bei einer Konferenz einen Vortrag darüber halten, inwieweit die Bhagvadgita (die wichtigste Schrift der Hindus) dabei helfen kann, mit stressigen Situationen umzugehen. Ich habe in den drei Tagen, in denen wir uns täglich zwischen den Mahlzeiten und den Yogakursen getroffen haben einiges gelernt. Und Spaß hatten wir auch eine Menge. 

Kein Spaziergang ohne Selfie 

Zur Belohnung für die getane Arbeit wollte Vandana mit mir, ihrer Schwester Varsha und Deeksha, die auch hier im Ashram arbeitet, Pizza essen gehen. Die Pizza war ein totaler Reinfall - ich habe noch nieeee im Leben eine so kleine Pizza gesehen und dann hat sie noch nichtmal geschmeckt. 

Um satt zu werden, haben wir Deekshas Pasta gegessen, die leider auch nicht gerade ein Genuss war. Ich bleibe lieber bei indischem Essen. Es tat mir echt Leid für Vandana, die seit einem halben Jahr Lust auf Pizza hatte und dann einen halb rohen, fade mini Teigfladen bekommen hat, mit einem Durchmesser von vielleicht 12cm. Gelacht haben wir an dem Abend trotzdem ziemlich viel. 

Der gemeinsame Besuch bei meinem Lieblings Chai Wallah war zum Glück keine Enttäuschung. Besonders viel Spaß hatten wir auf dem Rückweg bei dem Versuch, diesen Schneckenhörnern schön klingende Töne zu entlocken.

Es sah so einfach aus...

... aber außer einem komischen Geräusch ist nichts passiert. Da muss ich noch ein bisschen üben. Dieses Horn wird an vielen Orten für Gebetszeremonien verwendet und ich liebe es, morgens auf der Dachterrasse des Ashrams zu stehen und den Tönen zu lauschen, die aus verschiedensten Richtungen herüberschallen. Das erinnert mich an die Sundarbans, wo ich dieses Geräusch zum ersten Mal gehört habe zusammen mit einem merkwürdigen Ton, den die Frauen während der Puja mit ihrer Zunge machen.

In meinen ersten zwei Wochen in Rishikesh hat es kaum geregnet, es war sehr warm und die Luftfeuchtigkeit war extrem hoch. Das Wetter war für die Monsunzeit eher ungewöhnlich. Aber irgendwann kam der lang ersehnte Regen und das ziemlich heftig und meist unvorhersehbar. Wenn ich nach dem Frühstück meinen täglichen Spaziergang gemacht habe, kam es ein paar Mal vor, dass ich ein bis zwei Stunden am Chai Stand sitzen bleiben musste, da die Straße zum Ashram sich in einen Fluss verwandelt hatte und meine Regenjacke mich auch nicht trocken gehalten hätte.



nach dem Regen ist vor dem Regen

An einem Chai Stand gibt es aber immer etwas zu beobachten, sodass ich mich nie langweilen musste.


Von hier aus konnte ich auch aus sicherer Entfernung die Pilger beobachten, die in den letzten Wochen in Scharen durch Rishikesh geströmt sind. 


Es ist im Moment Shiva-Monat und die Hindus sagen, dass das Anbeten Shivas in dieser Zeit besonders erfolgversprechend ist und Shiva Mantrag besonders kraftvoll sind. Die meisten der Pilger tragen orangefarbene Kleidung, weshalb wir sie hier eigentlich nur "the orange people" nennen. Sie kommen aus allen möglichen Orten, manche über 100km zu Fuß, um Wasser aus dem Ganges zu holen und in den 32km entfernten Neelkanth Tempel zu bringen, wo Shiva der Legende nach Gift getrunken hat, welches seinen Hals blau werden ließ. Außerdem bringen sie das Wasser auch nach Hause in ihre eigenen Tempel. Es war zeitweise anstrengend, auf die Straße zu gehen, da alles total überfüllt war. Für die Leute hier ist dieses Festival wohl das was der Schlagermove für die Anwohner von Sankt Pauli ist. Nur, dass der Spuk dort nach einem Tag wieder vorbei ist. Hier kann es je nach Sternenkonstellation auch mal vier Wochen dauern. Geschäfte und Restaurants, deren Zielgruppe vor allem westliche Touristen sind, schließen oft für diesen Zeitraum. Die Einwohner von Rishikesh sind total genervt und sagen, dass nur zwanzig Prozent der Pilger wirklich kommen, um Shiva zu verehren. Viele würden den Anlass nutzen, um große Mengen an Alkohol zu trinken und eine Menge Ganjah zu rauchen. Vor allem jüngere Frauen gehen zum Teil nicht allein auf die Straße und auch uns wurde davon abgeraten, den Ashram allein zu verlassen. Ich hatte zum Glück immer Begleitung, sodass ich auch in dieser Zeit nicht auf meinen täglichen Chai verzichten musste.

Die Polizei an der Lakshman Jula Brücke bereitet sich auf den Ansturm vor


In den ersten Tage war die Anzahl der Menschen noch überschaubar aber es wurde täglich mehr.

Menschen beim obligatorischen Bad im Ganges





Die Tempel werden festlich geschmückt und in riesigen Töpfen wird Essen für die Pilger zubereitet.

Überall sitzen Sadhus  hier sogar mit Flöten aber ohne tanzende Schlangen - das ist mittlerweile verboten.

Für einige Menschen in Rishikesh ist das Festival sicher eine gute Einkommensquelle. 

Am 9.August war der Höhepunkt des Festivals Shivaratri. Pünktlich an diesem Tag mussten die Pilger wieder zurück zu Hause sein, um das Gangeswasser in ihre eigenen Tempel zu bringen. Unsere Yogalehrerinnen haben ein paar von uns mit in einen nahegelegenenTempel genommen. Vorher sind allerding auch wir erst zum Ganges gegangen, um Wasser zu holen.




Ja, die Menschen hier schmücken eine riesige Statue in Form eines Penis mit Blumen und Geld und gießen Milch und Gangeswasser darüber.

Ob die Beates auch hier waren, um Shiva anzubeten, weiß ich nicht. Auf jeden Fall waren sie 1968 in einem Ashram in Rishikesh, um an einem Kurs in Transcendentaler Meditation teilzunehmen. Der Aufenthalt hier hat sie wohl in besonderer Weise inspiriert und so sind angeblich 50 Songs in dieser Zeit entstanden. Ich war nie ein besonders großer Beatles Fan und hatte zunächst eher Interesse, den inzwischen nicht mehr genutzten Ashram zu besuchen und dafür Eintritt zu zahlen. Der lang anhaltende, tägliche Regen hat meine Motivation nicht gerade verstärkt. Aber dann haben mich meine Ashram Kumpels Shubham und Diego eines morgens doch überredet, mit ihnen zum Ashram zu gehen. Und was soll ich sagen: es hat sich absolut gelohnt. Wir hatten so viel Glück, den einzigen sonnigen Tag der letzten zwei Wochen zu erwischen. 

Ganz Rishikesh hat diesen Tag genutzt hat, um endlich Wäsche zu waschen und zu trocknen. Von allen Dächern leuchtete es bunt.



So einen Sari muss man erstmal trocken bekommen. 

Der ehemalige Maharishi Mahesh Yogi Ashram wurde inzwischen von der Natur zurück erobert und Street Art Künster haben die verfallenen Gebäude in eine Art Freilichtgalerie verwandelt. Es ist nicht schwer, einen ganzen Tag hier zu verbringen und immer noch etwas zu entdecken.  





In diesen spacigen Eiern konnte man sicher sehr gut in Ruhe meditieren und im Anschluss die Aussicht auf den Ganges und Rishikesh genießen.






















Die letzten fünf Wochen waren ziemlich großartig. Ich denke es war nicht unbedingt ein typisches Ashram-Erlebnis aber das ist überhaupt nicht schlimm. Für das erste Mal war es sicher genau richtig. Es gab Tage, an denen ich mich viel zurückgezogen und mit den Leuten, die kamen und gingen kaum gesprochen habe. Zwischendurch hatte ich auch keine Lust mehr, auf die doch immer sehr ähnlichen Gespräche zu Beginn und habe mich mehr und mehr an die Menschen gehalten, die länger hier sind, also in erster Linie die, die hier arbeiten. In den letzten anderthalb Wochen fiel es mir allerdings eher schwer, mir Zeit für mich zu nehmen. Irgendwas war immer. Ich habe Zeit mit Vandana verbracht, um ihr bei ihrer Arbeit zu helfen oder mit ihr spazieren zu gehen. Oder ich war mit Diego und Shubham Chai trinken und Kuchen essen. Und dann hat es sich irgendwann ergeben, dass wir jeden Abend mit einigen Leuten zusammengesessen und Musik gemacht haben, was ich auch ungern verpassen wollte. Und sogar das pünktliche Schlafengehen klappt nicht mehr, obwohl ich weiterhin kurz vor 5 Uhr morgens aufstehe. Gerade merke ich allerdings auch, dass ich eine kleine Pause von dem Trubel gut gebrauchen kann. Die richtige Balance zu finden, ist auch in einem Ashram gar nicht so einfach. Und vielleicht ist es auch deswegen nun ein guter Zeitpunkt, mich zunächst zu verabschieden, auch wenn es mir schwer fallen wird. Ich bin aber sicher, dass ich wiederkommen werde.
Morgen früh fahre ich erstmal zum Flughafen nach Dehradun, wo ich selber vor zwei Monaten gelandet bin und meine Reise begonnen habe. Dort hole ich meinen lang Besuch ab und nach noch einer Nacht im Ashram startet dann die gemeinsame Reise für die nächsten vier Wochen, auf die ich schon sehr gespannt bin.
Ich werde berichten...



Antworten (3)

Felizitas
Niemand kann Shubham das wasser riechen.

shubham
Tut mir leid, aber dein Deutsch ist unter aller Sau

shubham
You meant, Niemand kann Shubham das Wasser reichen