Veröffentlicht: 01.12.2018
Um die großen Massen des Tourismus zu vermeiden, zogen wir heute schon früh los, um einen der wohl schönsten und besondersten Tempel Nordthailands zu bestaunen. Er nennt sich Wat Rong Khun und befindet sich immer noch im Bauprozess, wobei es sich noch um ein paar Jahrzehnte handeln soll, bis er laut Architekt fertig gestellt worden ist. Der Architekt, Chalermchai Kositpipat, ist das eine lebende „Wunderkind“ dieser Region, erbaute viele prachtvolle Häuser und Skulpturen und erschuf ganz nebenbei ein museumfüllendes Sammelsurium aus Gemälden, Zeichnungen und Statuen. Woher er die Zeit für all dies nimmt, eröffnet sich mir jedenfalls nicht...
Obwohl wir eine halbe Stunde nach der Öffnungszeit ankamen, war der Tempel schon gut besucht, allerdings auch nicht komplett überlaufenen, wie es zum Schluss der Fall war. In einem blütenreinen Weiß lag er vor uns, mit tausenden Verzierungen versehen und von grünem Gras und Wasserläufen umgeben. Fotos können dies wie immer am besten vermitteln.
Schon von außen kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus, so sehr zog mich die blendende Schönheit des buddhistischen Glaubenshauses in seinen Bann. Beim Betreten konnte man auch die Botschaft des Künstlers verfolgen. Im Buddhismus ist der Kreis aus Leben, Sterben und Wiedergeburt der Innbegriff der christlichen Hölle. Allein wer rein und ohne Sünde ist, kann auf ein Entkommen aus diesem endlosen Kreislauf hoffen und ins Nirvana eingehen. Wirklich gut sehen die Erfolgschancen dafür allerdings nicht aus, denn bisher hat hat dies nur ein menschliches Wesen erreicht - der von allen verehrte Buddha.
Grundsätzlich finde ich den Gedanken jedoch gut zu versuchen im harmonischen Einklang mit sich und der Welt zu leben und Gutes zu tun, um die angesprochene Reinheit zu erreichen. Ich schreibe all dies, da der Tempel den Weg von der Hölle ins Nirvana aufzeigte. Es begann vor dem Tempel in einer Grube über die man laufen musste. Aus dieser reckten sich dutzende hilfesuchende Arme, die dem Klammergriff des Kreislaufes des Lebens entkommen wollten, es jedoch nicht schafften.
Wollte man der Hölle entkommen, musste man über einen See die Brücke der Weisheit in Angriff nehmen. Dieser Weg sei allerdings gefährlich und bot, symbolisiert durch das Wasser, Gefahren vom rechten Wege anzukommen und sich so selbst zu verlieren.
War die Überquerung der Brücke erfolgreich, rückte das Nirvana in greifbare, jedoch nicht erreichbare Nähe. Denn man müsste sich von allen Zwängen, Verführungen und Bequemlichkeiten der materiellen Welt befreien. Diese weltlichen Dinge waren an der Wand des Tempels in Bodennähe festgehalten. Neben historischen Ereignissen wie etwa dem Unglück vom 9/11 waren auch Figuren vertreten. So konnte man unter anderem sämtliche populäre Superhelden (Spiderman, Ironman, Supermam & Co.), Jonny Depp als Captain Jack Sparrow, Michael Jackson und sogar die kleinen gelben Minions aus „Ich, einfach unverbesserlich“ entdecken. Diese Zwänge und Wahrheiten hielten einen auf dem Boden der Tatsachen. Um allerdings das Nirvana zu erreichen, das an der Decke des Tempels zu finden war, war es notwendig darüber hinaus zu wachsen und sich so davon zu befreien. Nur dann sei es möglich der Hölle auf Erden zu entkommen, um sich zu Buddha zu gesellen.
Leider waren im Inneren des Tempels keine Fotos erlaubt, folglich müssen die Phantasie und meine Worte wohl ausreichen...
Neben dem sich nun füllenden und immer greller werdenden Haupttempel gab es ein paar weitere kleinere an denen man vorbei schlendern konnte sowie eine Galerie mit weiteren Kunstwerken des Architekten. Zudem konnten wir wieder gute Wünsche für uns und alle anderen Menschen auf so genannte Happy Leafs schreiben, die später Teil eines Baumes werden würden.
Von Weiß ging es zu Schwarz. Dieses fanden wir im Baandam (Schwarzes Haus), einer neueren Anlage im düsteren gothic-Stil. Sie war voll von Tierskeletten und -fellen, teils sehr obszönen Statuen und ausgefallenen Möbeln, die alle in düsteren Farben gehalten waren. Der Künstler ist wie der vom weißen Tempel sehr erfolgreich und über die Landesgrenzen heraus bekannt. Er setzt sich für eine Reformation des Buddhismus ein und zeigt seine Neuinterpretation des Glaubens in seiner Kunst. Das Gelände bestand aus mehreren kleinen Häusern, von denen viele Tempel aber genauso viele zum wohnen eingerichtet waren und Toiletten besaßen.
Vom Baandam aus ging es darauf wieder in Richtung Chiang Rai, jedoch legten wir einen Zwischenstopp ein, am dem wir einfach nicht vorbei fahren konnten. Auf einem Hügel saß ein riesiger weiblicher Buddha. Schon von weitem zu sehen, beschlossen wir noch dort vorbei zu schauen. Die Größe war schlicht faszinierend und der weiße Buddha in weiblicher Form sah einfach schön aus. Wir erklommen also die Stufen zu dem Sockel der ehrenwerten Dame und schauten uns dort um, da es viele, teils sehr lustige, Stauen um den (oder die?) Buddha herum gab.
Oben sahen wir Lifte und Preisschilder für einen Aufzug. Wo er denn hinführen würde, fragten wir und bekamen als Antwort nur einen Fingerzeig noch oben und „head“ als Antwort. Wer könnte es schon ablehnen, einmal im Kopf eines Buddhas zu sein, der dazu noch riesig und weiblich war? Wir fuhren folglich nach oben und wurden von dem wunderschönen Inneren des Kopfes überrascht. Auch hier war alles in Weiß gehalten und mit Tieren, menschlichen Wesen und vielen weiteren Verzierungen ausgestattet - ein wundervoller Anblick.
Außerdem war der Umstand toll, durch die Augenschlitze und das geöffnete „Dritte Auge“ der Buddhafrau spähen zu können, um so einen tollen Ausblick auf das Umland Chiang Rais und die restliche Anlage zu haben.
Neben dem weiblichem Buddha gab es dazu noch einen weiteren schönen weißen Tempel und eine Pagode, die wir bis zur Spitze hinauf steigen konnten und somit die Buddhafrau in ganzer Pracht bestaunen konnten. Mit der weißen Buddhastatue und dem weißen Tempel endete der Tag also so wie er anfing - ein Tag der Kontratse.
Zurück im Hostel zogen wir noch durch das abendliche Chiang Rai und kamen dabei bei einer Lichtershow an einem traditionellen Glockenturm auf einer Straßeninsel vorbei, die mit Musik untermalt war und bei der sich der Turm stetig veränderte und so eine Art Geschichte erzählte. War der Tag bis jetzt in Schwarz-Weiß gewesen wurde er nun durch die Farben des Turms wieder belebter. Verantwortlich für diesen Turm war nebenbei bemerkt wieder der Architekt des weißen Tempels vom Anfang des Tages.
Ein weiterer schöner Tag ging somit zu Ende, morgen steht noch ein weiterer an bis es wieder nach Chiang Mai und mit dem Flieger tief in den Süden geht.