Veröffentlicht: 22.09.2021
Heute muss ich mal nicht packen. Ich bleibe noch eine Nacht hier und schaue mir Halifax an. Noch ahne ich nicht, wie unglaublich dieser Tag werden wird. Wie schon in Truro gibt es eine Frühstücks-Ausgabe. Nur diesmal nicht in Tüten. Und Achmed liebt seinen Job. Nicht. Völlig lustlos fragt er die Standards ab. Ich entscheide mich für ein Omelette und einen English Muffin. Das Omelette ist erstaunlich gut für Industrieware, und wenn es jetzt statt Margarine noch Butter gegeben hätte, wäre das fast schon ein akzeptables Mahl. So gebe ich mal ein befriedigend. Der arme Kerl ist schon seit 5 Uhr auf, also gebe ich Achmed dieselbe Note.
Ich fahre, wie mir geraten wurde, mit dem Auto nach Halifax. Dafür muss ich über eine der 2 Mautbrücken, die Dartmouth und Halifax verbinden. Einen Dollar in einen Eimer geschmissen, und schon öffnet sich die Schranke. Und nach nicht einmal 15 Minuten bin ich im Parkhaus. Halifax soll man zu Fuß erkunden, und bei der Größe ist das auch locker möglich.
Halifax ist auch nur ein Teil der Halifax Regional Municipality (HRM) und hat mit den anderen Teilen zusammen ca. 400.000 Einwohner, das entspricht 40 Prozent von ganz Nova Scotia. Man vergisst schnell, dass in diesem Teil Kanadas nicht einmal 1 Million Menschen lebt, das entspricht 17,3 Einwohner auf den Quadratkilometer. Deutschland kommt auf 233. Kanada selber hat nur 38 Millionen Einwohner, und bei der Riesengröße sind das 3,9 Einwohner pro Quadratkilometer. Labrador, als extremstes Beispiel, ist so groß wie Italien und hat 27.000 Einwohner. Da kommen in einem Hotel in Las Vegas fast mehr zusammen.
Ich beginne meine Erkundung mit dem Harbour Walk, entlang der Kais auf Holzplanken. Nach ein paar Minuten verliebt man sich schon in diese Stadt. Zahlreiche Restaurants und Bars laden zum Verweilen ein, auch wenn die um diese Uhrzeit noch nicht geöffnet haben. Alles ist total sauber, Müll findet man hier überhaupt nicht. Dazu stehen an allen Stellen farbige Sitzgelegenheiten, die man völlig kostenlos benutzen darf. Das Wetter spielt auch mit, strahlender Sonnenschein machen den Tag zu einem wirklichen Höhepunkt dieser Reise.
Nachdem ich mir vorgenommen habe, gegen später wieder zurück zu kommen, laufe ich einfach weiter in Richtung Point Pleasant Park ganz im Süden der Stadt. Es geht an mächtigen Hafenanlagen vorbei und riesigen Containeransammlungen, die Zeugnis geben, wie wichtig Halifax für das Verladen von Gütern ist. Der Park ist riesig und ich mache mich zum Prince of Wales Tower auf. Dort erfahre ich, dass dieser der älteste Martello-Turm in Nordamerika ist und der Park noch im Besitz der britischen Regierung ist, die ihn für die symbolische Summe von einem Schilling (ca. 10 cent) an die HRM vermietet. Auf 999 Jahre.
Den Rückweg in die Stadt gehe ich durch ein Wohngebiet, und auch hier fallen die sauberen und schön hergerichteten Häuschen auf. Eine gutaussehende Frau im Porsche Cayenne lässt mich freundlich lächelnd über die Straße gehen. Armut sieht anders aus. Vorbei an Schule und Uni geht es zu den Halifax Public Gardens, die immer noch in voller Blüte strahlen. Am 1. November ist hier allerdings Schicht im Schacht.
Von dort sind es nur ein paar Minuten zur Zitadelle, die auf einem kleinen Hügel steht, und von wo man einen tollen Blick auf die Stadt und die Region hat. Den Eintritt spare ich mir und umrunde das Anwesen einmal auf der Straße, die hier oben langführt. Hier oben wird einem auch klar, dass Halifax Downtown eher klein ist, was die Stadt aber umso attraktiver macht.
Ich gehe den Hügel wieder hinab und steuere das Bluenose II Restaurant an, das es schon seit 1964 gibt und das mit die besten Lobster Rolls haben soll. Nach Eintrag in eine COVID-Gästeliste erspäht Brock, mein Kellner, meinen deutschen Namen. Er findet ihn cool. Und kennt tatsächlich Mozart und Puck. Was für ein Fortschritt. Ich schlage vor, dass er seinen Sohn nach mir nennen soll, worauf er meint, ich käme leider 7 Wochen zu spät. Und das Kind heißt schon Baker. Der Arme. 7 Wochen können viel ausmachen.
Die Lobster Roll ist wirklich lecker, wobei ich natürlich mangels Erfahrung nicht sagen kann, ob sie nicht woanders noch besser ist. Aber vielleicht bekomme ich das noch raus. Jedenfalls ist Hummer ab sofort eine meiner Leibspeisen, aber wie bei Austern werde ich mich wohl darauf beschränken, den maximal im Ausland an der Quelle zu essen. Ist ja auch dann was Besonderes.
Wie ich mir vorgenommen hatte, begebe ich mich von dort wieder zu den Kaianlagen und lasse mich auf einem der zahlreichen Stühle nieder. Inzwischen ist das Treiben in den Restaurants auch richtig im Gange. Es wird wohl eine Mischung aus Touristen und Geschäftsleuten sein, die hier den Lunch bei strahlendem Sonnenschein draußen einnehmen. Wer weiß, wie lange das noch geht. Dank seiner maritimen Lage wird es hier nicht saukalt, aber frostfrei ist es meist nur von Mai bis Oktober.
Ich genieße den Vibe dieser Stadt, und trage sie ab sofort als eine der Top 5 Lieblingsstädte in meinem Herzen. Neben London, Dublin, San Francisco und Barcelona. Halifax ist davon die kleinste und übersichtlichste, was natürlich den besonderen Charme auch ausmacht. Dazu kommt, dass dieser Tag sich so phänomenal präsentiert hat, das man sich schlecht nicht in dieses Städtchen verlieben konnte. Aber wie sagte schon der Postbeamte, bei dem ich heute meine Briefmarken gekauft habe: "I would never leave this place forever!" In Neufundland habe ich den Satz auch schon ein paarmal gehört.