Veröffentlicht: 11.11.2017
Nach knapp drei Wochen in Neuseeland waren wir nun schon tatsächlich am südlichsten Punkt unserer Reise angelangt: Queenstown. Obwohl die Stadt zu einer der größten auf der gesamten Südinsel zählt, ist sie doch relativ leicht überschaubar. Es gibt lediglich eine Hauptstraße, in der sich so ziemlich alles befindet – von Apotheke über Supermarkt bis hin zu Bars und Restaurants. Was sich nicht in der Hauptstraße befindet, befindet sich in der anderen größeren Straße. Mit einem zwanzigmütigen Fußmarsch hatten wir Queenstown eigentlich auch schon größtenteils erkundet. Aber eigentlich war es nicht die Stadt selbst, für die es sich anzureisen lohnte, sondern vielmehr die umliegende Natur. Umgeben von schneebedeckten Gebirgsketten und Nadelwäldern fühlten wir uns fast wie im „richtigen“ November. Dabei ist hier ja eigentlich Frühling und auch die Temperaturen lassen nicht unbedingt Schneefall vermuten. Aber die Natur ist eben so ein Phänomen für sich. Eine weitere Besonderheit der Stadt ist der sogenannte Lake Wakatipu, der an der Hauptstraße entlang verläuft. Mit einer Länge von 75 km, einer Tiefe von bis zu 360 m und einer Gesamtfläche von 290 km² ist es der längste und drittgrößte See des Landes. Das Panorama aus Bergen, Wäldern, See und strahlend blauem Himmel (ja, der Südinselwetterfluch hatte endlich ein Ende… oder eine Pause… das werden wir noch sehen) war einfach nur herrlich. Nach unserem Gletschersturm in Franz Josef quasi genau das Richtige! Aber für die aufmerksamen Leser des Blogs wären wir ja nicht wir, wenn wir uns nicht direkt zu einer Wanderung aufmachen würden, um diesen Anblick von oben zu genießen. Uns wurde „Bob‘s Peak“ empfohlen, dort solle die Aussicht besonders schön sein und für faulere Touristen fuhr auch eine Gondelbahn. Aber wir sind ja nicht faul. Zumindest entschieden wir uns gegen die Gondel. Nach fünf Minuten Wanderweg entpuppte sich dies als großer Fehler, aber die Blöße gaben wir uns jetzt nicht… immer schön weiter laufen… klettern… ausrutschen… am Baum festhalten… Jacke an, Jacke aus… Verschnaufpause… kriechen… laufen… klettern… es war die Hölle. Wer diesen Pfad als Wanderweg deklariert hat, gehört im Dauermarsch hier hoch und runtergetrieben. Zumindest zweifelten wir daran, dass dieser jemand den Weg jemals selbst ausprobiert hatte. Mit zitternden Knien erreichten wir nach knapp einer Stunde den ersten Aussichtspunkt – und aus dem Nichts waren bereits alle Strapazen der letzten Minuten vergessen. Die Vögel zwitscherten und tanzten fröhlich im Sonnenlicht, während sich die Berge und Wolken im glasklaren See spiegelten. Die gelb blühenden Strauchlupinen ließen uns fast vergessen, dass wir bereits die ersten Schritte durch Schnee (!!!) gegangen/geklettert/gekrochen waren. Nach einer kurzen Orientierung an der aushängenden Karte setzten wir unseren Weg zum Gipfel fort. Der Schnee wurde immer höher und dichter, kalt war es aber nicht sonderlich, weshalb mit zunehmender Höhe immer mehr Dunst in der Luft lag. Es hatte wirklich etwas abenteuerliches, wie uns unsere eigene Nebelmaschine die Hänge hinauf begleitete. Schließlich stießen wir auf dichten Nadelwald. Obwohl die Sonne noch immer aus vollster Kraft schien, war es vergleichsweise dunkel hier. Der sich über die Nacht angesammelte Schnee schmolz in der Mittagshitze vor sich hin und ließ einen kleinen Fluss durch unsere Mitte laufen. Aus den Baumwipfeln tröpfelte es ebenfalls seichtes Tauwasser. Und plötzlich: Batsch! Ein fetter Schneehaufen landete auf meinem Kopf. Verwundert sah ich mich um, wieso Ulli mich ausgerechnet jetzt beworfen hatte. Aber es war nicht Ulli, es waren die Baumwipfel, die klatschend eisig kalten Schneematsch auf uns feuerten. Immer in Deckung zogen wir die Köpfe ein und zogen das Schritttempo an. Bei der Steigung hielt das ganze zwei Minuten, dann war es uns auch irgendwie egal. Soll er doch kommen, der Schnee, ist ja schließlich November und das bisschen Heimatgefühl kann man sich dann auch mal gönnen. Nach einer guten weiteren Stunde erblickten wir endlich das Licht am Ende des Waldes. Hatten wir es tatsächlich geschafft? Die Stimmen in der Ferne ließen uns aufhorchen: Ja, wir waren endlich am Gipfel des Berges angekommen! Naja, ganz der Gipfel war es eher nicht, aber weiter ging es zu Fuß auch nicht hoch, also behaupte ich jetzt mal, es war der Gipfel. Und ob es glaubhaft ist oder nicht, sei dahin gestellt, aber dieser Ausblick war unbezahlbar und tatsächlich noch schöner als der der ersten Aussichtsplattform. Wow, einfach nur wow! Die Sonne erleuchtete die schneebedeckten Gipfel der Berge und ließ den See wie eine unendlich weiche Decke neben der Stadt liegen. Und ja, die Stadt war von oben tatsächlich noch kleiner. Aber die Aussicht über die Natur dafür umso größer. Wenn sich eine Wanderung hier jemals gelohnt hat, dann diese.