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Heute gibt es Eisbein

Veröffentlicht: 10.11.2017

Man sollte meinen, dass nach vier Tagen Dauerregen auch mal eine Pause in Aussicht sei, aber da hat man die Rechnung ohne die Südinsel Neuseelands gemacht. In unserem heutigen Ziel Franz Josef regnete es sogar tatsächlich noch stärker als bisher. Trotzdem machten wir uns nach der Ankunft auf, die Stadt zu erkunden. Zu unserem Glück war sie nicht sonderlich groß – man läuft einmal im Kreis und das war‘s dann quasi, also wieder ab ins Trockene. Am nächsten Morgen hingen die Wolken immer noch sehr tief, aber immerhin regnete es nicht. Wir entschieden uns das einzige zu unternehmen, was man hier so machen konnte: eine Wanderung zum Franz Josef Gletscher. Bei all dem, was man sich so über diesen Gletscher anlesen kann, hatte ich schon vorher ziemlich großen Respekt vor dieser massigen Naturgewalt. Dort, wo wir entlang wanderten, treffen die Pazifische und die Australische Erdplatte aufeinander und formten so die südlichen Alpen Neuseelands. Diese wachsen jährlich 10 bis zu 20 mm. Lage und Höhe der neuseeländischen Alpen begünstigen die Entstehung von Gletschern wie eben unserem Wanderziel: dem Franz Josef Gletscher. Dessen Schmelzwasser formt wiederum das sich ständig wandelnde Flussbett rund um die Stadt. Noch vor 50 Jahren lag dieses rund 30 Meter tiefer, füllte sich aber nach und nach mit abgetragenem Gestein. Wenn also irgendwo in Neuseeland pure, natürliche Energie vorhanden war, dann ganz sicher hier.

Der Wanderweg gestaltete sich doch etwas länger als erwartet. Normalerweise kann man die ausgeschrieben Zeiten auf den Wegweisern getrost halbieren, den in Franz Josef sollte man eher verdoppeln. Immer weiter folgten wir dem rauschenden Flussbett, in welchem sich das Gletscherwasser durch Steine und abgebrochene Bäume kämpfte. Nach rund 1,5 Stunden waren wir auch fast am Ziel. Der Gletscher war schon in Sichtweite. Diesen Anblick musste ich erst einmal verdauen. Gut fünf Minuten standen wir einfach nur dort und bestaunten den Gletscher aus der Entfernung. Die Struktur der umliegenden Gebirgskette zog malerisch ihre Wege. Sie stach so heraus, dass sie fast schon unrealistisch wirkte – wie eine übertrieben gute Animation in einem Film, die schärfer zu sein scheint als der Rest. An vielen Hängen waren Wasserfälle zu erblicken, die prasselnd den Weg zum Boden suchten. Und wieder einmal stand ich an einem Punkt dieser Erde, den ich mir nie hätte erträumen können. Voller Vorfreude gingen wir schließlich weiter Richtung Gletscher, der uns eisblau entgegen schien. Doch aus dem Nichts hatten wir das Gefühl, unter einem der vorher beobachteten Wasserfälle zu stehen. Es fühlte sich an wie der Sturm des Jahrhunderts. Regen mischte sich mit Hagel und der Wind veränderte die natürliche Fallrichtung des Niederschlags von senkrecht zu waagerecht. Innerhalb von Sekunden waren vor komplett bis auf die Knochen durchnässt. Dabei waren unsere Regenjacken, Trekkinghosen und Wanderschuhe eigentlich als sehr wasserdicht deklariert. Na ja, bei der Masse an Wasser, das auf uns herab stürmte, verlief die Wassersäule der Kleidung vermutlich gegen Null. Schweren Herzens mussten wir umkehren und dabei feststellen, dass der Wanderweg kaum noch vom Flussbett zu unterscheiden war. Es war schon recht angsteinflößend. Noch nie war ich in einem solchen Sturm so lange im Freien. Der Wind brachte eisige Luft mit sich, die im Eiltempo in unsere Kleidung kroch und unsere Körper in Eiszapfen zu verwandeln schien. Und in diesem Wetter stand uns ein mittlerweile zweistündiger Rückweg bevor. Das neuseeländische Wetter hatte sich wirklich selbst übertroffen. Immer noch schweigend hoffend, dass der Sturm genau so schnell verschwinden würde, wie er gekommen war, kämpften wir uns den Weg zurück zum Hostel. Aber das Wetter war heute nicht gnädig. Fröstelnd sehnten wir uns die Tage zurück, an denen uns heiß, kalt und wieder heiß war. Also, eigentlich sehnten wir uns nur nach der Hitze. Aber kalt wäre auch okay gewesen, so eisig wie wir uns in diesem Moment fühlten. Erschöpft schafften wir es dennoch irgendwie ins Hostel. Nach einer heißen Dusche standen wir nun vor der nächsten Aufgabe - alles trocknen. Jacken, Hosen, T-Shirts, Socken, Rucksäcke, deren Inhalt… und die Schuhe. Das Problem mit diesen wasserfesten Stiefeln ist folgendes: wenn erst mal Wasser drin ist, bekommt man es auch nur ganz schwer wieder raus. Trotz vier Stunden im Trocknerraum des Hostels, mehreren Stunden an der Zimmerheizung und mehrfachem Föhnen blieben dicke Pfützen in unseren Schuhen.
Ob sich das letztendlich gelohnt hat? Wir sind enttäuscht, es nicht bis zum Gletscher geschafft zu haben. Aber allein der Anblick aus der Entfernung war diese Strapazen auf jeden Fall wert. Nur das nächste Wanderabenteuer wird jetzt erst mal ein paar Tage auf sich warten lassen müssen. Langweilig wird es auf der Südinsel jedenfalls nicht so schnell.

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