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Zwischen Indiandern und Zigarrenrauch: 3 Tage in Estelí

Veröffentlicht: 26.10.2019

Früh morgens haben wir uns von Las Penitas gemeinsam mit Laura mit dem chicken bus Richtung Estelí aufgemacht. In León mussten wir umsteigen und den Busbahnhof am anderen Ende der Stadt aufsuchen (zentrale Busbahnhöfe gibt es hier irgendwie nicht), weswegen wir uns mit Laura ein Taxi teilen wollten, die etwa auf halber Strecke ins Hostel musste. Wie immer wurden wir bevor wir recht aus dem Bus aussteigen konnten von jungen Männern überrannt, die uns Taxi & Co. angeboten haben. Von einem haben wir uns dann überzeugen lassen (im Glauben der gute Herr sei ein Taxifahrer), Paddy hat den Preis noch etwas gedrückt und der Kerl schien trotzdem absolut zufrieden zu sein. Es hat sich dann auch schnell herausgestellt wieso: der Gute hatte überhaupt kein Taxi, sondern wollte allen Ernstes 3 Personen plus 2 große und schwere Rucksäcke in seinem Rikscha (die heißen hier irgendwie anders, habe leider vergessen wie), also mit einem FAHRRAD, durch die gesamte Stadt kutschieren. Wir wollten dann eigentlich einen Rückzieher machen, er war aber doch sehr hartnäckig und kurze Zeit später saßen wir zusammengepfercht im Gefährt dieses etwas zu optimistischen Herrn, der, wer hätte das gedacht, nach kürzester Zeit geschnauft hat als wäre er einen Marathon gelaufen. Als wir dann im Schneckentempo in den Busbahnhof einfuhren wollte er auch tatsächlich doppelt so viel Geld wie vereinbart von uns haben, weil er ja unsere schweren Rucksäcke transportieren musste - an Dreistigkeit sind die Leute hier teilweise nicht zu übertreffen. Er hat dann aber doch schnell wieder aufgegeben, als er gemerkt hat dass wir nicht mal annähernd darüber nachgedacht haben ihm mehr zu zahlen. 

In den chicken busses werden unsere Rucksäcke meistens auf's Dach geschmissen, was uns immer ein bisschen nervös macht, da wir leider schon einige Stories über gestohlenes Gepäck in Nicaragua gehört haben. Deswegen sitzen wir bei jedem Halt etwas unentspannt auf den Sitzen und beobachten, mit welchem Gepäck die Leute den Bus verlassen. Bis jetzt lief glücklicherweise alles gut :) Auf der Fahrt Richtung Estelí war der Bus wie so oft zeitweise extrem voll (es gibt einen Grund warum sie als chicken busses bezeichnet werden) - wir finden es immer wieder beeindruckend, wie die Mütter sich hier ihre Kinder in den vollen Bussen regelrecht unter den Arm klemmen und es dann noch schaffen, während der Fahrt zu stillen. 

Hier noch eine kleine Anekdote aus der Kategorie unnötige Erlebnisse einer offensichtlich europäischen Frau in Nicaragua: leider hat die Gafferei der nicaraguanischen Männer gegen Ende der Fahrt seinen absoluten Höhepunkt erreicht: der Kerl vor mir hat schon eine Weile den dunklen Bildschirm seines Smartphones auf der Sitzlehne vor ihm abgelegt gehabt, bis ich mal geschnallt hatte, dass er mich tatsächlich die ganze Zeit über den Bildschirm beobachtet. Anfangs dachte ich noch ich bilde mir das ganze vielleicht nur ein und habe mich zu Paddy umgedreht der zwei Sitzreihen hinter mir bei unseren Rucksäcken saß. Nachdem der Kerl immer noch gestarrt hat als ich mich wieder umgedreht hatte habe ich mich auf die andere Seite des Busses gesetzt und der Typ hat doch tatsächlich seinen Bildschirm so gedreht, um mich auch da beobachten zu können. Als Paddy, der zwei Reihen hinter mir zuerst nichts mitbekommen hatte, sich dann zu mir gesetzt hat, hat der Kerl auch sein Handy weggepackt. 

Eigentlich hatten wir für den Tag unserer Ankunft in Estelí die Besichtigung einer der vielen Zigarrenfabriken angedacht (überraschenderweise kommen anscheinend 6 der 10 weltweit besten Zigarren aus Nicaragua), da wir aber beide ziemlich platt von der langen Fahrt waren hat es doch nur für ein Mittagsschläfchen im Hostel mit anschließendem Schlendern durch das Städtchen gereicht. Durch Zufall sind wir gerade dann losgezogen, als anlässlich des Día de la Resistencia indigena (Tag des Widerstands der indigenen Völker) ein Umzug durch die Innenstadt lief. Tänzer, Trommler und vor allem viele Kinder in Indianerkostümen - witzigerweise haben die Kinder uns teilweise mehr angestarrt als anders herum, das Schöne bei Kindern ist allerdings dass sie im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen zurück lächeln oder winken ;) nach einem sehr enttäuschenden Essen haben wir uns dann noch in einem kleinen Café mit leckerem Kuchen belohnt. Man gönnt sich ja sonst nix :)

Am nächsten Tag stand dann ein etwas größerer Ausflug für uns an:  eine Canyoning-Tour im Somoto Canyon, direkt an der Grenze zu Honduras, mit einem Freund des Sohnes der Familie, bei der wir ein Zimmer hatten. Nach 2h Fahrt im Bus haben wir Juan am Bahnhof getroffen, der uns dann nach einer weiteren kurzen Busfahrt in sein Haus mitgenommen hat wo wir uns umziehen und die wichtigsten Sachen in eine Dry Bag packen konnten. Dann ging es auch schon los - nach 2 km über Stock und Stein mit herrlichem Ausblick auf den Somoto Canyon ging es ins Wasser. Insgesamt 4h voller über Felsen klettern, sich von Stromschnellen mitziehen lassen und Klippenspringen (9 m waren das Maximum) - und das in einer so coolen Kulisse, mega! Juan, der die Tour in unseren Augen absolut perfekt gestaltet hat, hatte uns noch vor der Tour erzählt dass die Wasserströmung aufgrund des Regens des Vortages recht stark ist, was während des Treibenlassens zwar ziemlich spaßig war, mir aber beim aus der Strömung herauskommen 1,2 mal ganz schön Schwierigkeiten bereitet hat. Deswegen kam auch folgende Situation zustande: Paddy war gerade noch dabei sich an einem Stein hochzuziehen, als ich wegen der starken Strömung fast den Absprung nicht geschafft hätte und mich deswegen nur an seiner Badehose festgekrallt habe. Blöderweise habe ich daraufhin so lachen müssen, dass mich auch meine letzten Kräfte verlassen haben und so hingen wir da - Paddy, der verzweifelt versucht hat sich mit allen Vieren an dem Stein festzuhalten ohne seine Badehose zu verlieren und ich lachend an seiner Hose :)

Am darauffolgenden Tag hatten wir eigentlich vor Wandern zu gehen, leider hatte ich bei der Canyoning-Tour meinen Oberschenkel in der Strömung so stark an einen Stein im Wasser angeschlagen, dass ich nur noch schwer auftreten konnte. Deswegen hatten wir Zeit, unsere restliche Zeit in Nicaragua zu planen, was definitiv nötig ist wenn man auf die Corn Islands (zwei Inseln mitten in der Karibik) möchte und nicht endlos Zeit zur Verfügung hat, da sich die Fahrt dorthin als eher kompliziert erweist. Nach dem ein oder anderen kleinen Nervenzusammenbruch/Wutanfall seitens Paddy hatten wir unsere gesamte ursprüngliche Planung über den Haufen geschmissen und die restlichen Tage geplant :) 

Mittags sind wir dann noch in eine Zigarrenfabrik gelaufen, bei der wir eigentlich erwartet hatten, dass sie ein bisschen mehr auf Touristen ausgelegt sei - es stand jedenfalls im Internet, dass man dort Führungen bekommen könnte. Als wir dort ankamen wurden wir allerdings noch vor der Eingangstür gefragt, was wir hier wollen, woraufhin ein weiterer Kerl geholt wurde, der allem Anschein nach was in der Fabrik zu sagen hatte: dicke goldene Uhr, aufgepumpt, tätowiert, Goldkettchen und Zigarre in der Hand - vermutlich der Grund dafür, warum der gute Kerl trotz jungem Alter kaum noch Stimme hatte. Jedenfalls durften wir mit ihm dann die Fabrik betreten, in der wir erstmal schräg von den Arbeitern angeschaut und dann in ein Hinterzimmer geführt wurden, wo er uns (anders als wir es uns in dem Moment ausgemalt haben) glücklicherweise lediglich den trockenen Tabak zeigen wollte. Alles in allem hatten wir dann eine etwa 10-minütige Führung durch die wenigen kleinen Räumlichkeiten, bei der selbst Paddy kaum etwas verstanden hat. Am Ende hat der stimmenlose Kerl uns noch zwei Zigarren in die Hand gedrückt - auch gut! An Authentizität war diese Führung auf jeden Fall nicht zu übertreffen :)

Wir haben es jedenfalls nicht bereut, den Weg in den Norden Nicaraguas auf uns genommen zu haben, der von den meisten Reisenden anscheinend einfach übersprungen wird, was man unter anderem an den Blicken der Einheimischen deutlich merkt. In Estelí gibt es auch nicht besonders viele Möglichkeiten zu übernachten, wir sind letztendlich im Hostel einer sehr lieben Familie untergekommen, mit denen wir uns Küche und Wohnzimmer geteilt haben. Für uns ist es immer sehr spannend zu sehen, wie die Menschen hier leben (kleines Beispiel: Garage, Wohnzimmer und Esszimmer in einem) - da merkt man am intensivsten, in welchem Luxus wir in Deutschland eigentlich leben!


Antworten (1)

Elvira Huber
Das klingt sehr Abendteuerlich und nicht zu unterschätzen. Liebe Grüße aus dem Allgäu Elli und Papa.😄👍