Veröffentlicht: 25.10.2019
Wie bereits im letzten Blog erwähnt, tagsüber finden friedliche Straßenproteste statt und man kann sich sicher fortbewegen. Nur in der Nacht treiben sich vereinzelt wütende Chilenos herum, die etwas randalieren. Der Großteil der Bevölkerung trommelt Nachts mit Löffeln auf Bratpfannen herum, um ihre Unzufriedenheit auch während des „Toque de Queda“ (Ausgangssperre) zu demonstrieren.
Durch das Lahmlegen der öffentlichen Verwaltung hat die Universität die gesamte Woche geschlossen. In Fakt: ungewohnte Freiheit für mich. Im Zusammenspiel mit bombigen Wetteraussichten und meinen „Hornissen im Hintern“ (Zitat von Yannik) erkundete ich die Gegend und so lief ich im Schnitt 15- 20 km pro Tag. Ich bin schon etwas beeindruckt von mir selbst und gut vorbereitet für meinen großen Wandertrip, der nächste Woche startet.
Dienstag um 22 Uhr rauft mich dann meine deutsche Freundin Julia an: Hey Frieda, ich hab spontan zwei Tage frei bekommen, wollen wir morgen zum „Lago Ranco“ fahren? Also ja warum nicht, dieser riesige See liegt im Hinterland und damit sind dort keine Unruhen zu erwarten und man kommt endlich mal raus aus der Stadt und kann von den Protesten richtig abschalten. (Witziger Fakt: Julia kommt aus Frankfurt Oder, ging auf die gleiche Schule wie meine Cousine und wir lernten uns auf einem englischen Meet-Up hier in Valdivia kennen. Wie klein die Welt doch ist!)
Nächsten Tag sitzen wir also im Bus nach Futrono. Dort angekommen, stellen wir fest, das wir scheinbar die einzigen Touristen sind. Die Stadt ist eigentlich ein Badeort der Chilenos im Sommer und wegen der Proteste trauen sich nicht viele zu reisen. Vllt auch deshalb hat der Vermieter unseres Hostels nicht mitbekommen, dass wir gebucht haben. So mussten wir durch Anrufe klären, dass wir gerne hier schlafen würden und er räumte extra das Haus für uns auf. Den Rest des Tages erkundeten wir die Stadt und die umliegenden Strände. Sobald sich die Sonne zeigt, brennt sie wirklich unbarmherzig auf Schultern und Gesicht. Selbst wenn man 50er Sonnencreme drauf schmiert, fühlt es sich unangenehm an. Vllt ist die Ozonschicht hier viel dünner als in Europa, aber man muss sich auf jeden Fall gut eincremen, ansonsten hat man gleich rote Haut. Aber die Sonne hat auch ihr Gutes für verrückte Mädchen ;). Einmal kurz untertauchen im Lago Ranco und ein Fotoshooting war drin.
Um den Tag abzuschließen, fanden wir nach längerem suchen (weil wir die einzigen Touris sind) doch noch ein Restaurant, was uns super leckeren Lachs auftischte.
Der nächste Tag startete entspannt, mit einem Frühstück im Hostel, welches sogar inklusive war (kannte ich so auch noch nicht) Gestern Nacht schmissen wir unsere Pläne nochmal komplett um, weil der Besuch eines Nationalparkes nur mit dem Auto möglich war. Also versuchten wir übers Trampen einmal um den See zu einer weiteren Ortschaft zu gelangen. Wow, wie aufregend mein erstes Mal per Anhalter fahren. Fazit: in Chile ist es super einfach, im Schnitt hält jedes 3. Auto an, weil es hier einfach super normal ist. Angst muss man eigentlich keine haben, man sollte nur bei der Auswahl des Fahrzeuges auf den gesunden Menschenverstand hören. Wir hatten super liebe Gespräche und erfuhren so gleich noch was über Land und Leute.
Generell nehmen sich die Chilenos viel mehr Zeit für kleine Gespräche und sind sehr viel offener als wir Deutschen. So mussten wir unsere Kellnerin im gestrigen Restaurant doch überzeugen, morgen nicht freizumachen, um uns zum Nationalpark zu begleiten. Ich kann nur raten, nehmt euch Zeit für solche kleinen Smalltalks, man kann so viel aus ihnen lernen.
Auf dem Weg um den See lagen noch zwei wunderschöne Wasserfälle, für die wir uns auch etwas Zeit nahmen. Dazu noch die bergige Landschaft um den Lago Ranco mit der riesenhaften Vegetation, strahlender Sonnenschein und ein kleiner Road-Trip . Leute, so fühlt sich Freiheit an! Ich fühlte pures Glück in diesem Moment.
Am frühen Nachmittag kamen wir in besagtem Örtchen an, das ging fix. Da hatten wir sogar noch Zeit für um zu einem Aussichtspunkt über den See und den umliegenden Nationalpark zu laufen. Vale la pena! (Es lohnt sich,) Atemberaubende Ausblicke, sogar auf einen weiter entfernten Vulkan.
Wir hatten den halben Rückweg zurückgelegt, da lasen uns Chilenos, die wir oben am Mirador trafen mit ihrem Pickup auf. Die restliche Strecke durften wir auf der Ladefläche mitfahren. Wind in den Haaren und der Lago Ranco vor Augen, bildeten einen perfekten Abschluss unseres Kurzurlaubes. Euphorie pur.
Lebendig!
Schließlich noch ein paar Empanadas gekauft, dann ab mit dem Bus nach Valdivia, bevor die Ausgangssperre anfängt.
Was habe ich gelernt? Ich glaube eine Menge: Spontane Trips sind die Besten. Manchmal muss man auch ein bisschen verrückt sein und sich was trauen. Im Großen und Ganzen kommt man schon dahin, wo man will. Es gibt eigentlich keinen Grund sich vor fremden Menschen oder einer fremden Kultur zu fürchten, man sollte sie kennenlernen. Nimm dir Zeit für Gespräche und die lieben Menschen, um dich herum. Es ist nicht wichtig, was macht, sondern das man das genießt, was man tut.
Frieda (25.10)