Veröffentlicht: 28.10.2024
Weil ich die letzten Tage immer etwas zu wenig Schlaf bekommen hatte, schlief ich heute aus. Wegen der Zeitverschiebung war es so auch schnell 10:00 Uhr. Ich lief zum Bäcker und kaufte mir bulgarisches Banitsa: Brotrollen, die mit Joghurt, Käse und teilweise Schinken gefüllt sind.
Um 14:00 Uhr stand ich vor dem Justizpalast, bereit für meine nächste Stadtführung. Bis jetzt war es die unterhaltsamste Führung, an der ich teilgenommen habe. Neben vielen spannenden Anekdoten und Schauspieleinlagen von unserem Führer Slavyan, faszinierte mich die Geschichte zum Bombenattentat 1925 am meisten. Ziel der Attentäter, die von der Sowjetunion unterstützt und finanziert wurde, war es, die führenden bulgarischen Politiker zu töten, um die Macht an sich zu reißen. Hauptziel war die Ermordung des bulgarischen Zaren Boris III.
Dafür nahmen sie einen angesehenen Offizier das Leben. Das Land war in tiefer Trauer, jedoch sollte sein Tod nur Mittel zum Zweck sein. Am 16. April 1925 versammelte sich die politische und militärische Elite in der „Sweta Nedalja“ Kathedrale zur Trauerfeier um den gefallen Offizier - nichts wissend, dass sie von 25 Kilogramm Sprengstoff umringt waren. Kurz nach Beginn des Gottesdienstes zündeten die Attentäter diesen und töteten direkt um die 100 Menschen. 500 Personen wurden verletzt, viele erlagen ihren Wunden. Die einzige unversehrte Person war Zar Boris III., der nach bulgarischer Manier, wie unser Führer betonte, zu spät kam.
Neben der lustigen Art des Führers Slavyan konnte ich auf der Tour viele neue Menschen kennenlernen. Neben einem Schotten und einem Brasilianer, der in Dresden lebte, verstand ich mich am besten mit den beiden Franzosen Marius Loic. Für die zwei Studenten aus Paris und Lyon war es ihr letzter Tag in Sofia und wie ich wollten sie die einheimische Küche probieren. Für den Abend verabredeten wir uns also in ein traditionelles bulgarisches Restaurant.
Nach der Führung ging ich in das berühmteste und prunkvollste Wahrzeichen Sofias: Die Alexander Newsiki Kathedrale. Im Kirchturm befinden sich 12 Glocken, die in Moskau hergestellt wurde. Die kleinste wiegt 10kg, die größte 12 Tonnen.
Mein Rückweg zum Hostel führte durch einige Straßenunterführungen. Dort sind oft historische Ausgrabungen zu sehen. Sofia wurde in verschiedenen Ebenen gebaut und mit jeder neuen Herrschaft wurde über das bestehende Stadtbild gebaut. Das führt dazu, dass heutige Bauarbeiten in der Stadt häufig für mehrere Jahre unterbrochen werden müssen, da Archäologen immer neue Funde verzeichnen.
Am Abend begab ich mich zum verabredeten Restaurant und wartete noch wenige Minuten auf die beiden Franzosen. Schon von außen strahlte die Gaststätte Tradition aus, gedämpfte Musik drang auf die Straße und die Speisekarte sah verheißungsvoll aus. Gemeinsam mit Marius und Loic betrat ich die Gaststätte und wir wurden an unseren reservierten Tisch gebracht. Auch die Inneneinrichtung vermittelte ein wohlig warmes Ambiente: alte Pfeifen, Schnapskaraffen, aus denen traditionell zu Hochzeiten getrunken wird und ausgestopfte Tiere zierten die Holzwände. Unser Essen wurde serviert und wir unterhielten uns gemeinsam ausgelassen. Mein Hühnchen mit Kartoffeln war deftig und sehr lecker. Als wir fertig waren, betraten drei ältere Musikanten mit Akkordeon, Dudelsack und Waschbrett die Gaststube und begannen Live-Musik zu spielen. Wir bestellten bulgarischen Rakija Schnaps und genossen die Stimmung.
Weil wir feststellten, dass wir im selben Hostel schliefen, liefen wir nach dem Abendessen gemeinsam zurück, hielten uns noch eine Weile im Gemeinschaftsraum auf und spielten Billiard.