Veröffentlicht: 06.01.2020
05.01.2020
Am Sonntag war unser zweiter und damit letzter Tag im Bangalore-Prothesen-Camp. Mit dem Bus wieder quer durch Bangalore waren wir gegen 9:45 im Camp. Es startete sehr gemächlich. Erst gegen 10:30 nahm das Ganze wieder so richtig Fahrt auf. Bis dahin konnten Marcel, Ramon und Joe schon mal bei der Frühstücksausgabe helfen und haben auch noch ein bisschen mitgefrühstückt. Mit dem Koch ist auf jeden Fall auch eine sehr innige Freundschaft entstanden. Er hat Joe, Claudia und Ramon später dann auch nochmal direkt für die Frühstücksausgabe im nahegelegenen Tempel der „Jain“-Gemeinde rekrutiert. Das Areal, auf dem das Camp stattgefunden hat, gehörte zum Tempel dieser Gemeinde.
Wir haben an diesem Tag nochmal viel bei der Gipsabnahme helfen können und es gab auch einige Handprothesen, die mit Mounicas Hilfe angepasst werden konnten. Mounica ist eine Ärztin, die wir schon im letzten Jahr kennengelernt haben. Sie hat selbst über 6.000 Handprothesen „gefittet“. Sie und Mohan werden auf unsere Einladung hin, im Mai oder Juni nach Köln kommen, um die medizinischen Aspekte unsere Software und App genauer zu besprechen.
Da es der vorletzte Tag des gesamten Camps war, war zum einen die Dichte der lokalen Offiziellen sehr hoch (man muss ja auch gesehen werden) und zum anderen war der Andrang dann doch nochmal recht groß. Eine große Gruppe von teilweise sehr jungen Männern aus mehreren über 300 Kilometer entfernten Dörfern mit teilweise sehr seltenen Verletzungen und Missbildungen haben uns dabei in vieler Hinsicht sehr beeindruckt. Teilweise müssen sie mit den Auswirkungen von zwei amputierten Beinen leben.
Am späten Vormittag haben wir uns nochmal den Bereich für die Beinschienen genau angeschaut. Diese Schienen werden, zumindest in diesem Camp, überwiegend bei Kindern eingesetzt, die Schwierigkeiten beim Erlernen des Gehens haben oder die durch Krankheiten oder Unfälle ihre Beine nur noch eingeschränkt einsetzen können. Im Camp werden auch diese Schienen komplett in mehreren Arbeitsschritten individuell gefertigt: Zu Beginn werden die Beine Vermessen und es wird die grobe Schale zugeschnitten. Dann wird diese Schale aus Kunststoff mit Riemen für das Festschnallen versehen und es wird ein Schutzpolster eingeklebt. Im nächsten Anschrift werden dann Metall-Gelenke angebracht und am Ende wird alles nochmal feingeschliffen (Kanten werden entfernt) und genau eingepasst. Dabei wird dann die überschüssige Polsterung entfernt und die Höhe wird final angepasst. So wird hier die Orthese innerhalb von ca. 1,5 Stunden komplett gefertigt. Für die Wartezeit bis zur Fertigstellung der Beinprothesen und Orthesen gibt es es einen Aufenthaltsbereich, wo alle Menschen essen und schlafen können.
Am Nachmittag war dann auch endlich unsere kleine Freundin vom Vortag mit der Ausgabe ihrer Beinprothesen an der Reihe und war total begeistert (siehe Fotos). Das war ein sehr emotionaler Moment, speziell für Vanessa, die bei Ihr die ganze Zeit gewartet hat und dann den Moment miterleben durfte.
Während wir am ersten Tag noch ein Lunchpaket vom Hotel hatte, wollten wir am Sonntag unbedingt mit allen anderen Volunteers das landestypische Mittagessen einnehmen. Für unseren persischen Freund Ramon war das ja sowieso kein Problem, da seine Zunge und der Rachenbereich spätestens seit dem zweiten Abend nur noch „Wasteland“ waren :-) und für Joe und einige andere aus der Gruppe, die es gern ordentlich würzig mögen, war es auch ein Muss. Ich persönlich und ich glaube auch Vanessa waren aber sehr vorsichtig geworden. UND DAS WAR GUT SO. Wir konnten größere Verletzungen im Bereich der Zunge vermeiden...war aber knapp. Aber auch sehr lecker.
Nach dem Mittag wurden Joe und Marcel noch fix für ein Interview eines lokalen Schülers eingespannt. Er wollte die beiden „german boys“ gern kennenlernen und einen Aufsatz für ein Schulprojekt schreiben. Dazu wollte er auch genau wissen, wie es dazu kam, das wir überhaupt nach Indien gekommen sind. Das passiert tatsächlich nicht so oft.
Schweren Herzens haben wir uns dann am Nachmittag vom Camp und allen Beteiligten verabschiedet und sind Richtung Hotel aufgebrochen. Nach ein bisschen Sport und einem kleinen Schläfchen sind wir am Abend, DIESMAL DIREKT MIT UBER, zum „Byg Brewski“ gefahren. Die Brauerei/Location hatte uns Mohan empfohlen und uns am Sonntag direkt einen Tisch für abends reserviert. Er war zwar schon auf dem Weg nach Delhi, aber er wollte sicher ergehen, dass wir den Laden noch erleben. Das war auf jeden Fall eine richtig gute Idee, da es eine einmalige Location ist. Zu den Essgewohnheiten von Ramon muss ich ja nix mehr sagen...ich sach mal so: er schwitzt immer noch :-) aber das Essen war durchweg gut, nur das Bier wurde mit jedem Schluck süßer. Brrrrr.
Erkenntnisse des Tages: Sven gesundet langsam, Ramon wird zunehmend mutiger und alles ist „No Problem“...das hat unser Gipsmeister ungefähr 2.800 Mal gesagt (egal worum es ging, ist so eine Art Füllphrase ;-)) und damit wurde das der offizielle Slogan des Tages und er bleibt für uns nur Mr. No Problem!!! (Letztes Foto)