Veröffentlicht: 31.10.2018
Oh mein Gott (alternativ kann auch jede andere Gottheit angerufen werden)! Das ganze Land und insbesondere Jerusalem ist voll von Historie, Glaube, Religion,Tradition, richtig alten Gebäuden, hellem Stein, Sonnenlicht, Unterschiede, Abgrenzung und Streitigkeiten. Wie kriege ich das nur in Worte gefasst…
Aber der Reihe nach. Die Grenze zu Israel habe ich in Eilat im Süden überquert. Der 12 km lange Küstenstreifen ist der einzige Seezugang am Roten Meer. Demnach tummelt sich dort das Strandleben im Süden. Insbesondere die russischstämmigen Touristen haben den Fleck für sich entdeckt. Da ich 15 km weiter in Aqaba auf jordanischer Seite schon die Wasserwelt des roten Meeres erlebt habe, war ich dort nicht mehr zu untriebig.
Danach war ich in Mitzpe Ramon, einem Ort in der Wüste Negev, wo ich zum Sonnenaufgang im größten Krater der Welt (durch Erosion, also natürlich entstanden) wandern war. Das war super beeindruckend. Man hätte meinen können, auf einem anderen Planeten zu sein. Auch was die Temperatur angeht. Um 11 Uhr war es so heiß, dass ich im Nachhinein sehr gerne um 5.30 aufgestanden bin, um zeitig zu starten und vor allem, zeitig mit der Wanderung fertig zu sein.
Danach ging es dann nach Jerusalem, wo ich deutlich mehr Zeit verbracht habe, als ich es ursprünglich veranschlagt hatte. Es gibt einfach so viel zu sehen und zu entdecken. Besonders aufschlussreich war eine Tagestour nach Hebron, das im Westjordanland und somit in den palästinensischen Autonomiegebieten liegt.
Die Leidensgeschichte des Volkes Israels ist eigentlich schnell erzählt wenn man auf die Details verzichtet. Der erste Tempel im 6. Jahrhundert vor Christus befand sich auf dem heute noch stark frequentierten Tempelberg und war das Herzstück des Judentums. Durch die Zerstörung durch die Neubabylonier und die anschließende Deportation ins Exil beginnt die Diaspora.
Zurückgekehrte Juden beginnen mit dem Neubau des Tempels, der u.a. auch von Herodes, dem großen Erbauer dieser Zeit, erweitert und neukonzipiert wird. Dieser wird wiederum im Jahre 70 n. Chr. von den Römern geplündert und in Brand gesetzt. Aus der damaligen Zeit steht nur noch ein sehr kleines Stück der westlichen Außenmauer, besser bekannt als die Klagemauer, die heute als Synagoge dient und der Gebetsplatz Nummer 1 der Juden ist.
Und so zieht es sich eigentlich durch die Geschichte. Immer wieder wird das heimatlose, jüdische Volk überall auf der Welt verfolgt und in Pogromen regelrecht abgeschlachtet. Unbeirrt und mit einer Leidensfähigkeit die ihres Gleichen sucht, zieht es die Menschen immer wieder an den Ort zurück, wo die historischen Wurzeln sind.
Eine besonders große Anziehung hat das Gebiet Palästinas Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts als die Juden wieder intensiver verfolgt werden - trauriger Höhepunkt ist die 'shoah', wenn rund 6 Mio. Juden während des zweiten Weltkrieges von den Deutschen und deren Helfer systematisch umgebracht werden. Die Zionistische Bewegung ("heim zum Berg Zion in Jerusalem") um Herzl ermuntert zudem den Weg nach Hause anzutreten.
Aus aller Welt kehren Menschen zurück in die Heimat ihrer Vorfahren, siedeln sich an und kämpfen in den nächsten Jahrzehnten voller Inbrunst und erbarmungslos für die Zurückgewinnung des Heiligen Landes. Die Errichtung eines eigenen Staates Israel war noch nie in so greifbarer Nähe wie jetzt und wurde dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dann auch offiziell ausgerufen und international anerkannt.
Dass sich in der ganzen Zeit, während die Juden im Exil waren, auch andere Völker in diesem Gebiet angesiedelt haben, die nicht zwangsläufig für die Vertreibung zur Rechenschaft gezogen werden können, wird dabei gerne außer Acht gelassen. Und so streitet man sich im Grunde darum, wer das Recht hat auf diesem Land zu leben.
Im Laufe der Zeit gab es sehr viele unterschiedliche Besetzer (Griechen, Römer, Perser, Araber, Osmanen, Mamluken, Kreuzfahrer, Briten, usw..). Ironischerweise gab es bereits Zeiten friedlichen Zusammenlebens der Religionen und gegenseitige Toleranz, unter der Herrschaft der Osmanen.
Ein Grund, weshalb es im Nahen Osten heute immer noch viele Spannungen gibt, liegt vor allem auch im Handeln Großbritanniens begründet. Die Siegermächte des ersten Weltkrieges haben die gesamte Region des Nahen Ostens unter sich aufgeteilt, ungeachtet von ethnischen oder religösen Hintergründen und Großbritannien hat das Mandat für Palästina erhalten. Zu häufig gibt es leider Situationen, in den die Engländer bei Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis nicht eingegriffen haben und durch Versprechungen (Balfour-Deklaration) den Konflikt noch weiter geschürt haben.
Heute fühlen sich die muslimisch-stämmigen Einheimischen häufig durch die Ausübung des starken israelischen Militärs massiv in ihrem Alltagsleben im Westjordanland eingeschränkt und irgendwie als Mensch zweiter Klasse. Auch wenn in den Autonomiegebieten die palästinensische Polizei unterwegs ist, so scheint es immer wieder Checkpoints zu geben, wo israelische Soldaten ihre Macht ganz bewusst demonstrieren.
Und als wenn der Konflikt nicht schon intensiv genug ist, provozieren die Israelis noch zusätzlich, in dem sie bewusst neue Siedlungen in den Palästinensergebieten aufbauen und sich im wahrsten Sinne des Wortes breit machen. Wenn sie daraufhin von den Nachbarn angefeindet werden, bekommen sie militärischen Schutz, zur Sicherheit werden Straßenzüge abgeriegelt und benachbarte Häuser besetzt. Bei proklamierten (aber nicht bewiesenen) Sicherheitsrisiken wird eine tagelange Ausgangssperre verhängt. Einen Ausgleich für entgangenes Einkommen gibt es nicht.
Ich kann beiden Konfliktparteien sehr gut nachempfinden und bin einerseits sehr froh, dass nicht ich eine Lösung hierzu finden muss. Auf der anderen Seite haben sich schon so viele hochrangige Politiker an diesem Konflikt die Zähne ausgebissen, so dass es nicht realistisch erscheint an eine baldige Lösung zu glauben.