Veröffentlicht: 15.07.2019
Aufgrund von heftigen Regenfällen ist eine Strasse zwischen Quito und Lago Agrio, dem Ausgangspunkt der Dschungeltour, nicht passierbar, weshalb ich die längere Nachtbusreise von Banos aus antrete. Nach zehn Stunden Busfahrt, weiteren zwei Stunden Minivan und noch mal zwei Stunden Bootsfahrt auf dem Cuyabenofluss kommen wir in unserer Lodge und Herberge für die nächsten vier Tage an. Sie liegt wirklich mitten in der Natur.
Es ist gerade Regenzeit, was man unschwer an dem vielen Wasser um uns herum erkennen kann. Dennoch regnet es während der ganzen Zeit kaum tagsüber und beeinflusst unseren Tagesablauf überhaupt nicht. Die Szenerie beim ersten Bootausflug ist schlichtweg atemberaubend. Das Wasser ist im wahrsten Sinne des Wortes spiegelglatt, keine einzige Welle verzehrt das Bild. Die Bäume spiegeln sich in dem dunklem aber klaren Wasser und geben ihren Zwillingsbrüdern die Hände. Das Boot, dass von unserem Guide mit Paddel fortbewegt wird, gleitet bis auf eine minimale Bugwelle lautlos dahin. Es fühlt sich fast wie fliegen an, wie wir zwischen realen Bäumen oberhalb und Illusionen unterhalb der nicht zu erkennenden Wassergrenze schweben.
Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es hier zur Trockenzeit aussehen soll. Keine Lagunen, der Fluss führt kaum Wasser, die Bäume stehen nicht im Wasser, sondern bilden einen Wald, in dem man spazieren gehen kann. Die Tiere soll man dafür sehr viel häufiger und näher sehen, da sie sich ja in geringerem Umkreis aufhalten müssen.
Es ist zwar schade, dass ich all die Tiere nicht in unmittelbarer Nähe betrachten kann, aber es reicht mir zu sehen, dass es sie gibt und sie vom Menschen hier nicht so sehr belagert werden können.
Der pinke Flussdelfin, der gar nicht so pink sondern viel mehr silbergrau ist (die Farbe ist nur temporär, wenn die helle Haut sich durch Erregung rötet, ähnlich wie beim Menschen), lässt sich in der Lagune ausmachen, aber da er leider nicht so gerne hüpft wie seine martimen Verwandten, kann man ihn leider nur bruchstückhaft sehen. Und erst recht kein Foto von ihm schiessen.
Nachts sind wir auf die Suche nach Kaimanen gegangen. Leider haben wir da nur ein einzelnes und flinkes, also schnell verschwundenes Tier erspähen können. Im März/April kann man hier Seekühe sehen, die ausschließlich nach dem ersten Regen kommen, alles ratzekahl fressen und dann für ein Jahr so gut wie unsichtbar bleiben.
Aber es gibt dennoch genug anderes zu sehen. Äffchen, Frösche, Vögel, Faultiere, Schlangen (ja, auch eine Anaconda, die allerdings nur 2-3 m lang ist, in der Trockenzeit sieht man auch die 5-7 m großen Exemplare) und Spinnen. Was es hingegen so gut wie nicht gibt, sind Moskitos seltsamerweise. Die Erklärung liefert der Guide. Durch den vielen Regen wäscht das Wasser diverse Mineralien und Tannine, die man sonst nur vom Wein her kennt, aus dem Boden, die dann in der Lagune schwimmen und verhindern, dass sich Stechmücken dort aufhalten.
Neben den Ausflügen mit Boot und mit Gummistiefeln an Land, hat mir das baden in der Lagune besonderen Spaß gemacht. Das zunächst ungute Gefühl, da man nun weiß, was hier alles lebt, weicht schnell einer wohltuenden Abkühlung und dem Gefühl im Hier und Jetzt mit der Natur verbunden zu sein. Der anschließende farbenreiche Sonnenuntergang und der nächtliche üppige Sternenhimmel sind hier abseits der Zivilisation einfach wunderschön.
Einen Tag ging es - erneut zwei Stunden Bootsfahrt - zu einer im Amazonas lebenden Gemeinde. Viel mehr einem Ehepaar, dass versucht hat, uns einen kleinen Einblick in die Geschichte und das tägliche Leben zu liefern. Das Yucabrot wird mit viel Aufwand ein-, zweimal pro Monat gebacken und zu jeder Tageszeit mit unterschiedlichen Beilagen gegessen. Der Ehemann der Bäckerin, ist einer der wenigen Schamanen im Dorf und schildert uns, dass er fürseine Ausbildung 22 Jahre benötigt hat. Zentraler Schlüssel für die spirituelle Entwicklung ist Ayahuasca, ein Trank, der aus der Dschungelliane und weiteren Zutaten besonders zubereitet wird. In einem der Ingredienzien enthalten ist auch DMT, das stärkste Halluzinogen der Welt. In monatlichen Treffen nehmen die Schamanen und die, die es werden wollen, das Getränk zu sich, erzählen sich alte, nur mündlich überlieferte Geschichten und Erkenntnisse zur Sicherung der eigenen Kultur und verfallen nach und nach in Trance. Dann werden die anstehenden Probleme der Gemeinschaft oder von einzelnen Personen beleuchtet und Lösungen, wie auch immer, gefunden.
Die alte Tradition dieser Droge im Amazonas (klingt bei uns so negativ, während sie in dieser Kultur wie gesagt der Dreh- und Angelpunkt, das weisheitstiftende Mittel schlecht hin ist) hat seit einigen Jahren in die Backpackerdrogen-"Das muss man mal ausprobiert haben"-Liste Einzug gehalten. Mittlerweile gibt es touristische Pakete, bei denen man unter ärztlicher Aufsicht eine solche persönliche Entdeckungsreise in die kreativsten Windungen seines Gehirns unternehmen kann. Erzählungen nach zu urteilen, ist es aber nicht nur angenehm, denn bei vielen geht der Halluzination erstmal stundenlangen Übergeben und Unwohlsein voraus.
Der Schamane hat uns dann noch mit einem überdimensionierten Blasrohr das Schießen mit Giftpfeilen simulieren lassen und mit einer brennesselartigen Pflanze die Hände "durchblutet". Als krönenden Abschluss wurde ich noch durch Blättergeraschel, Gesang und der persönlichen Gabe des Schamanen von negativen Energien befreit.