Veröffentlicht: 19.11.2023
Nach der langen Busfahrt freute ich mich sehr auf ein bisschen Bewegung und habe gleich nach der Ankunft eine 2-tägige Trekkingtour für den nächsten Tag gebucht. Am nächsten Morgen jedoch kam der Manager der Agentur ganz aufgeregt auf mich zu, die beiden anderen Teilnehmer stecken irgendwo fest und schaffen es nicht rechtzeitig. Ob es mir etwas ausmache, wenn ich meine Tour erst am nächsten Tag starte? Nein, eigentlich nicht, wollte mich in Luang Namtha ja auch noch umsehen. Das habe ich dann auch gemacht und zu Fuss das kleine Nest erkundet. Es soll nach eigenen Angaben DAS Trekkingparadies in Südostasien schlecht werden. Dafür ist es aber herzlich wenig auf Touristen eingestellt! Zumindest außerhalb der Hauptstraße, auf der die Damen eines bestimmten Stammes, der früher durch den Opiumanbau seinen Lebensunterhalt bestritt, fleißig bis aufdringlich ihre Armbändchen verkaufen. Bisher echt die einzigen fordernden Menschen und auch die bekommt man mit ner halben Minute unhöflicher Ignoranz schnell wieder los.
Nach dem kurzen Aufstieg zum Stupa (der/die/das Stupa??) wollte ich noch den Wasserfall in 34 km
Entfernung besuchen. Nur mit einer groben Idee der Himmelsrichtung war ich schnell unsicher. Als
ich mit Fotoapparat in der Hand auf der Suche nach schönen Motiven auf einmal vor einem
uniformierten Herrn stand, war ich kurz verunsichert. Schon auf der Busfahrt war mir die Nähe zu
China aufgefallen. Zum einen durch ein Schild, das auf den Grenzübergang in rund 40 km hinwies,
als auch durch die vielen chinesischen Schriftzeichen. China nimmt hier sehr großen Einfluss und
nutzt das arme, abhängige Land ganz schön aus und lässt z.B. die schönen Wälder roden. Unter den
Touristen sind viele Japaner, Chinesen und andere Asiaten (muss gestehen, so ganz kann ich die
Nationalitäten nicht immer auf Anhieb auseinander halten), die sich teilweise ganz schön daneben
benehmen.
Auf dem Weg zum Wasserfall brachte mich der Weg durch einige arme Dörfer. Die Reaktion der
Bewohner teilweise erstaunt, teilweise neugierig, besonders Kinder, oder auch einfach nur
gleichgültig. Ich hatte langer gegrübelt, was genau an mir nicht stimmen mag oder ob sich hier nicht
so viele Touris verirren nein, kann eigentlich nicht sein, ist der Wasserfall doch das Highlight und
mehrere Straßen gibt es sicherlich nicht da verlangsamte ein Moped neben mir und ein neugieriger
junger Mann fragte mich, was ich denn da mache? Ich zeigte Richtung Wasserfall und wollte
sichergehen, dass ich auch richtig bin. Ja, ist die richtige Richtung, aber warum ich bitteschön laufe?
Ah, das war es also. Es ging weniger um mich als um die Tatsache dass ich lief. Im Nachhinein ist es
mir schon aufgefallen, dass man hier nur das aller nötigste läuft. Wie gesagt, zum Trekkingparadies ist
es wohl noch ein weites Stück. Am Nachmittag auf dem Rückweg war es, wie man es sich vorstellt:
Kleine Kinder spielten splitterfasernackt im Fluss um sich abzukühlen und Erwachsene kümmerten
sich um die Reisfelder und die Bananenstauden bzw. Maisernte.
Am Abend nach einer wohltuenden Dusche habe ich mich dann wieder an meinem Portier vorbeigeschlichen, dem ich nur sehr schwer ein Lächeln entlocken kann (ist vielleicht auch die eher chinesische Mentalität, das ganze Hotel war auch chinesisch nicht aber englisch beschriftet), und habe allen Mut zusammengefasst und betrat den Nachtmarkt auf der Suche nach was Essbaren. Daran sollte es nicht scheitern. Auf dem Nachtmarkt gibt es eigentlich nur Essen und zwar alles und in allen Ausführungen. Und das macht es zunächst schwierig. Ich war dankbar, dass mich ein nette Verkäufern ansprach und mir etwas anbot, was ich schon kannte und mittlerweile liebend gern esse: Papaya-Salat, ja, auch ein bisschen spicy. Saulecker! Dazu ein paar Frühlingsrollen und ein großes Beerlao. Und das Ganze für sehr wenig Geld. Kaum platziert, schon ging es mal wieder mit dem Regen los, aber bei meiner Verkäuferin durfte ich es mir unterm Stand bequem machen. Und kurze Zeit später gesellte sich noch ein Neuseeländer dazu, mit dem ich mich angeregt über sein Heimatland und dessen Probleme bzw. der Umgang damit, dass es keine Probleme hat, unterhielt. Schon spannend, was man von Mitreisenden auch über deren Heimatländer mitbekommt. Irgendwie lernt man nicht nur das konkrete Reiseland sondern auch die ganze Welt ein klitzeklein bisschen besser kennen.
So, jetzt ging es aber wirklich zum Trekking. Naja, da gab es dann doch noch mal eine Planänderung. Ob es mir etwas ausmache, dass es nur einen Tag Trekken geht und der andere dann durch eine Kajaktour ausgefüllt wird? Wäre auch mit der Übernachtung bei einem Stamm und ich bekomme noch Geld wieder. Na gut, was hatte ich für eine Wahl? Unter uns gesagt, hege ich den Verdacht, dass einfach sämtliche Touranfragen kurzerhand zusammengeworfen wurden, egal was man vorher gebucht hätte. Aber egal, ich wollte ja was erleben! Und das habe ich dann ja auch!
Kurzer Abstecher zum Morgenmarkt (ja, den gibt es auch! Da gibt es auch viel zu Essen, aber eher roh als fertig zubereitet und auch Dinge des täglichen Lebens aus der NonFood-Abteilung) um für das Mittagessen einzukaufen und dann ne halbe Stunde mit dem Tuk-tuk zum Start unserer Wanderung. Die Gruppe war recht international besetzt und schnell kam gute Stimmung auf, da sich einige wohl schon von der Busfahrt am Tag vorher kannten.
Es war äußerst schwül, wie eigentlich schon die ganze Zeit, aber jetzt halt in Bewegung und zwar bergauf. Und das auf ziemlich schlammigen, sehr schmalen Wegen. Hin und wieder rutsche mal einer aus und schnell waren Schuhe und Klamotten von oben bis unten eingesaut. Nach 2 Stunden wurde zum Rasten angehalten. Aha! Wie jetzt? An der vorher kahlen Stelle wurde ruck zuck ein Feuerchen geschürt und ein "Wasserkocher" sowie ein Tisch errichtet. Und zwar aus Bambus. Ich hatte vorher schon beobachtet, dass manche ein mittelgroßes Messer mit sich mitschleppen (übrigens auch Kleinkinder, die anscheinend schon direkt an den Umgang damit gewöhnt werden sollen wir würden sie mit nur allen möglichen Mitteln von scharfen Dingen fernhalten!) und jetzt kam es zum Einsatz. Mit flinken Hieben und Schnitten wurde das dicke Stück, das an der einen Seite von Natur aus an den Knubbeln verschlossen war, mit Wasser, Zitronengras und anderen Zutaten gefüllt und ins Feuer gestellt. Aus kleineren Bambusstöcken und Blättern wurden Tisch, Tischdecke und sogar Löffel gebastelt. Die mitgebrachten Sachen und die Suppe zusammen mit dem Klebreis, den es überall dazu oder einfach nur so gibt, wurden auf dem Tisch verteilt und mit den Fingern, wie offenbar üblich, gegessen. Es war köstlich! Und bis auf ein paar Plastiktütchen hatten wir keinen Müll, der Rest wurde mit samt Bananenblatt im Wald entsorgt.
Gestärkt ging es nach dem Mittagessen weiter. Gestärkt war auch der Monsun, der es heute auch wieder wissen wollte. Wir waren nass bis auf die Haut! Zwischendurch gab es von Sai, einem unserer gutgelaunten, englischsprechenden Guides immer wieder Erläuterungen, welche Dinge man essen kann, wie die Kardamomernte abläuft (dreimal dürft ihr raten, wer den Kardamom den Dorfbewohnern dann billig abkauft und nach Europa exportiert...) oder wie die Reisefelder bestellt werden.
Eine letzte Mutprobe war eine Hängebrücke, die ebenfalls von allen gemeistert wurde. Danach gabs ein Bad im Fluss, so wie es unsere Gastgeber für diese Nacht täglich zur Körperpflege tun.
Anfangs noch etwas verhalten, lockerte die Stimmung sich, als wir beim Ballspiel (Mischung aus Volley und Fußball mit einem aus Fasern geflochtenen handballgroßen Ball) zusahen bzw. manche auch zarte Versuche des Mitspielens einbrachten. Das Abendessen wurde im "Wohnzimmer" auf dem Boden eingenommen. Neben unseren beiden Guides und dem Gastgeber und seinem kleinen Sohn gesellte sich keiner zu uns, obwohl vorher viele neugierige Blicke zu uns geworfen wurden. Die Frauen (Mutter plus drei Töchter) trauten sich nicht. Das Essen war ähnlich phantastisch wie das zu Mittag, auch wenn es zunächst gewöhnungsbedürftig ist, mit fremden Menschen das Essen mit den Fingern zu teilen. Während des Essens wurden Fragen hin und her übersetzt, häufig reichte aber ein einfaches Lächeln für die Völkerverständigung aus.
Es kommen nur hin und wieder Touris in das Dorf, da zur Trockenzeit andere Routen genommen werden, daher war es anscheinend auch eine willkommene Abwechslung für das Dorf. Unser Gastgeber, der sich neugierig nach unseren Familienständen erkundigte und sich wunderte, dass nur Derrick Kinder hatte und verheiratet war, ließ es sich nicht nehmen, uns zu einem Lao Whiskey einzuladen. Naja gut, so eine Einladung können wir wohl schlecht ausschlagen. Ehe wir uns versahen, waren ein Tonkrug mit zwei Gummischläuchen und sämtliche Nachbarn im Wohnzimmer versammelt. Und dann ging es los. Anscheinend gibt es überall auf der Welt Trinkspiele. Immer zwei nebeneinander sitzende Personen mussten sich die Schläuche nehmen und eine bestimmte Menge Whisky, die man irgendwie mit Aufschütten von Wasser feststellen konnte, trinken. Der Reihe um. In der zweiten Runde wurde die zu trinkende Menge erhöht. Wir Mädels stiegen dann recht zeitig aus, auch wenn uns der Hausherr weiterhin munter aufforderte mitzuhalten. So ein Reiswhiskeykrug wird nur zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Einzügen aufgesetzt. Kein Wunder, dass die Nachbarn die Gunst der Stunde nutzten! Der Guide übersetzte uns, dass man sich mit seiner Frau gutstellen müsse, da nur Frauen den Whiskey ansetzen können. Trotz vieler Unterschiede gab es doch auch immer wieder Aussagen, bei denen ich dachte, irgendwie sind es doch die gleichen Themen, die die Leute beschäftigen! ;o)
Die Familie bedeutet sehr viel, wenn nicht sogar alles. Auf engstem Raum lebend und durch Gebräuche auf einander angewiesen. Viele Väter habe ich liebevoll im Umgang mit ihren Kindern gesehen. Gleichzeitig herrscht größter Respekt vor den Eltern. Ein Sohn bleibt bei den Eltern im Haus um sie zu pflegen, die weiteren dürfen sich ein neues Haus bauen. Die Töchter gehen in den Haushalt des Mannes. Viele Familien haben 4 oder mehr Kinder. Wenn jemand stirbt, so bleiben Verwandte und Freunde 3 Tage lang um zu trösten. Manchmal wird dabei Karten gespielt und getrunken.
Die Nacht war trotz der Gastfreundschaft am Abend mit vielen Wachzeiten verbunden. Insgesamt haben vier von uns plus die zwei Guides und die 6 köpfige Familie, wenn auch durch Wände getrennt (nicht durch Decken!) in dem luftigen Holzraum auf Stelzen geschlafen. Hunde haben gebellt, auf der gut ausgebauten Straße rasten LKWs mit chinesischen Aufschriften mit einem Affenzahn vorbei, die Nachbarn haben Musik gehört oder sind noch mal mit dem Moped weggefahren. Nichts desto trotz konnte man auf den (Reis?)Matten auf dem Boden und den (keine Ahnung von wem schon alles benutzten Decken) besser schlafen als gedacht.
Am Morgen wurde uns Touris Reis mit Rührei kredenzt, die Familie aß entweder schon vorher oder
alleine. Der Abschied von den Menschen (und den Tieren, insbesondere den süßen Hausschweinchen)
fiel nicht ganz so leicht, aber wir wollten ja noch Kajak fahren. Es wurden uns weitere 3 Personen für
diese Tagestour untergejubelt. Da ich noch nie in meinem Leben Kajak gefahren bin und beim
Anblick von Helm und Schwimmweste dann doch etwas Muffensausen bekam, habe ich mir den Erfahrendsten ausgesucht, der mit mir das Kajak teilen sollte. Derrick mit weit über 50 (um
diplomatisch zu sein, sein wahres Alter wollte er partout nicht am Abend vorher bei der Whiskyrunde
preisgeben) war nun mein Partner und war zu Beginn sehr geduldig mit mir, wann ich wie auf welcher
Seite paddeln sollte. Eigentlich haben wir uns ganz gut gemacht, auch wenn wir hin und wieder ein
wenig planlos in der Gegend dümpelten. Als der Fluss dann aber doch wilder wurde, sind wir zu
schnell zu unkontrolliert an einem Baum hängengeblieben, das Kajak kippe und die Ines hat ne ganze
Ladung Wasser geschluckt und sich die Beine ordentlich angehauen. Gut, dass ich Weste und Helm
trug! Mir passierte das dann nicht mehr, aber leider hat es Derrick noch ganze zweimal aus dem Boot
katapultiert, so dass ich sogar ein Stück sogar komplett alleine paddeln musste, was mir gar nicht
behagte. Es gab noch einen Stopp zum Mittagessen, das unsere Gastfamilie in der Früh für uns
zubereitet hatte und einen an einem anderen Dorf, bei dem es noch nicht mal Strom gab. Im Summe
hat es wirklich jeden mal aus dem Boot gehauen und einige Paddel wurden nicht mehr gesichtet,
zudem diverse Schürfwunden, Blasen und Sonnenbrände, aber alles in allem waren die beiden Tage
ein richtiges Abenteuer! Ob ich nochmal Kajakfahren gehe? Erstmal nicht!