Veröffentlicht: 27.04.2023
Heute steht die Food Market Tour an. Auf dem Weg dorthin schaue ich noch bei der Klinik von gestern vorbei. Mittlerweile habe ich ja einen besseren Plan. Als ich die Klinik betrete, bin ich nicht weiter überrascht; es ist rappelvoll. Ich bin auch nicht davon ausgegangen, vor der Food Market Tour einen Test machen zu können. Also ziehe ich direkt weiter.
Ich evaluieren auf dem Weg zur Food Market Tour die Option, den PCR-Test am Incheon Flughafen zu mache. Ja, eine Stunde Fahrt, aber währenddessen kann ich auch arbeiten.
Plötzlich kommt mir ein Gedanke. Die günstigen Flughäfen liegen ja immer außerhalb der Metropole. Wie alle anderen Metropolen auch, hat Seoul garantiert auch einen Flughafen näher an der Stadt.
Yup, der andere Flughafen ist nur eine halbe Stunde Fahrt entfernt.
Und jeder Flughafen hat bestimmt eine PCR Test Station. Dieser auch? Yup. Und auch das noch, der Test ist auch weitaus günstiger. Termin gebucht, läuft.
Nach einer recht kurzen Fahrt komme ich am Treffpunkt der Food Market Tour an. Ich sehe bereits von weitem eine Koreanerin, die am Eingang der Metro steht und deren Blicke zwischen ihrem Smartphone und der Umgebung wandern. Ich steuere sie an und wir begrüßen uns freundlich. Sie stellt sich mit Sujin vor. Sie wirkt ein klein wenig verwundert, denn später stellt sich heraus: Sie habe einen Japaner erwartet. Ja, antworte ich; mit dem Nachnamen höre ich das nicht das erste Mal. 😁
Sie sagt mir, dass ich heute ihr einziger Gast sei. Daraufhin ernenne ich sie zum CEO - meiner Chief Experience Office. Sie ernennt mich im Gegenzug zum VIP - Very Individual Person.
Wir ziehen los, gehen ein wenig die relativ unbelebte Markstraße, die ich bereits vor zwei Tagen in der Nacht besichtigt hatte. Nach einer halben Stunde kehren wir in ein kleines aber sehr gemütliches Restaurant ein. Ich erkenne das Alter eines Restuarants an dem Alter der Kundschaft, verrät mir Sujin.
In Korea war es bisher immer schwierig, alleine essen zu gehen. Das ist nicht nur in Korea so, sondern auch in vielen anderen asiatischen Ländern. Nicht verwunderlich, ist Asien doch für seine Alle-an-einem-Strang-Attitüde bekannt. Wie auch in Japan findet das Leben vor allem in solchen Lokalen statt. Asiaten lieben das Essen. Bei diesem Essen zurecht. Bisher hatte ich nur wenig Einblicke in die koreanische Küche bekommen, nun aber bekomme ich den vollen Rundumschlag.
> An dieser Stelle könnte jetzt ein Foto von einem überquillenden Tisch für zwei Personen stehen. Darauf zu sehen wären eine blaue Thermoskanne mit koreanischem Tee und zwei Teeschälchen. Dazu unzählige Schälchen mit Kimchi, Suppe, Fleisch, Sprossen, Fisch und Salat. Stattdessen habe ich lieber die Zeit, das gute Essen und die Gespräche mit Sujin genossen, deshalb gibt's keine Fotos vom Essen. ; ) <
Bei unseren Gesprächen stelle ich fest: Von uns beiden bin nur ich, der über "South Korea" sagt. Für Sujin ist es nur "Korea".
Sie stellte beim Essen fest, dass ich koreanisch sprechen würde. Ich wiegele lachend ab, ich habe nur die Begrüßung sowie das Danke benutzt. Später am Flughafen wird mir erneut auffallen, dass selbst das für Ausländer zu viel zu sein scheint. Wir kommen darüber auf das Thema Respekt zu sprechen; meine Einheit habe ich mir ja gestern abgeholt gehabt. 😅
Wir reden über eine Menge. Und das will ich muss ich immer wieder aufpassen, dass ich Japan nicht so oft erwähne oder über den Klee lobe. Denn Südkorea und Japan haben sie ihre eigene Vergangenheit. Korea ist gebeutelt von Überfällen und Besatzung, nicht nur von japanischer Seite aus. Über 940 Überfalle verzeichnet Korea auf sein Territorium.
Sujin war auch schon mal in Deutschland, genauer gesagt in München. Da stellt sich mir natürlich die Frage, wie für sie das Essen war. Die Frage wird dadurch interessanter, dass sie Pesco-Vegetarierin ist. Nun ja, jeder hat bisher auf die Frage diplomatisch geantwortet. 😁
Auf dem Weg durch die Stadt gehen wir den nächsten Punkt ihrer Liste ab, dem Handcraft Market. Ich war hier bereits bei Nacht; aber ich wollte hier sowieso noch mal wieder zurück kommen, um ein paar Souvenirs zu shoppen. Diese Gelegenheit bekomme ich nun. Und am Ende gibt's noch die Auflösung, was es mit dem Poo-Café oben auf sich hat.
Danach kommt etwas unerwartet. Also unerwartet, wenn man bucht ohne den genauen Tagesablauf zu lesen. 😁 Sie führt mit zu einem Hanbok-Laden. Mittlerweile habe ich erfahren, dass sie eine künstlerische Vergangenheit hat und auch gerne fotografiert. Und wohl schauspielerisch bewandert ist. Ich stelle das ein wenig auf die Probe und wir haben ein richtig gutes und lustiges Fotoshooting. Ich solle ernst gucken? Klar, kann ich. Ich soll K-Drama machen? Ne, kann ich nicht - und überzeuge uns beide vom Gegenteil. 🤣
Nach diesem Punkt auf der Agenda geht's weiter zu einem Atelier. Ich darf mir eines von sechs Häusern aussuchen. Das Pencil-Haus lacht mich an. Es waren schöne Bilder dabei und es war eine interessante Erfahrung, vor allem für meinen ersten Besuch in einem Atelier.
Beim Schlendern durch die Gassen reden wir auch über das Thema Sicherheit. Das sei hier kein Problem, wie ich es bereits vermutet hatte. Sie höre über Schusswaffengewalt und Messerstecherei im Westen. Hier hat sie als Frau kein Thema damit nachts Joggen zu gehen.
Anschließend geht's zum letzten Punkt, dem ältesten Teehaus der Stadt. Ein wenig versteckt in einer Seitengasse hätte ich es so schnell nicht gefunden. Es ist eine schöne Mischung aus hellem Holz und Glas, es wirkt sehr einladend. Mittlerweile sind die über drei Stunden um, verflogen. Ich frage sie nach ihrem Traumberuf aus ihrer früheren Zeit. Es war Theater und Dram. Wir unterhalten uns angeregt darüber, mit Impro haben wir auch eine weitere Verbindung.
Es waren funtastische drei Stunden, die wie im Flug vergangen sind. Wir verabschieden uns mit einer freudvollen und herzlichen Umarmung. Ich sei kein Kunde, sondern mehr ein Freund gewesen. Es schmeichelt mir, ich lobe sie offen und ehrlich zurück. Ich mag sie. Sie mag mich. Und beim Gehen lässt mich mit einem halb offenen Mund und einen "You are the most handsome German I've ever met." zurück. 😮
Ich glaube, das wäre wahrscheinlich das einer der wenigen Sachen, die ich beim nächsten Mal hätte anders machen sollen. Ziemlich am Anfang solch einer Reise sollte man auch solch eine Tour mit einem Local machen, man kann dabei so viel mitnehmen.
Die Straßen haben sich mittlerweile gefüllt, ich navigiere mich nach Hause. Nachdem ich ein paar Minuten die Straße rauf gegangen bin stelle ich fest: ich hätte sie runter gehen müssen. Na ja, improvise, adapt, overcome. Ich gehe Richtung der nächsten Metro und stelle dabei erneut fest: Schicksal. Ich komme nämlich an einem kleinen Laden mit Rucksäcken und Taschen vorbei. Genau das suche ich seit über einer Woche. Manchmal muss man es einfach nur zulassen.
Auch hier mein typisches Glück. Es dauert keine zehn Sekunden und ich erblicke den perfekten Ersatz für meinen mich nervenden Rucksack. Keine Preisschilder dran. Aber wozu gibt's Google Lens? Ich fotografiere den Rucksack, bekomme im Internet genau das Modell sowie einen Richtpreis angezeigt. 20.000 WON. Ich gehe rein und mache deutlich, dass ich diesen Rucksack nehme. Sie sagt "Twenty", ich gebe ihr die Karte. Drei Minuten später beim Blick auf mein Handy realisiere ich, dass ich nicht für 20 Euro sondern für 14 Euro einen Rucksack gekauft haben. Er wird mich vermutlich nicht bis in die Rente begleiten, aber lang genug glücklich machen.
Danach verirre ich mich erneut. Auf dem Weg von der Metro zum Zug steige ich eine zu früh aus. Ich suche den Zug Richtung Airport und stelle meinen Fehler fest. Dann korrigiere ich mich, für einen wunderschönen Spaziergang durch den Soul Trail bin ich genau richtig ausgestiegen.
Ich fahre wieder mit der Metro, schaue mir mit Freude die Clips auf den Bildschirmen an. Die Feuer- und Rettungsübung kannte ich ja bereits. Diesmal sehe ich einen Clip der zeigte, was man nicht machen sollte, wenn das Handy zwischen Zug und Bahnsteig fällt. Kannte ich. Aber es wird auch gezeigt, was denn stattdessen zu tun ist. Melden, warten bis die Station dich gemacht wird, danach Handy abholen. Scheint wohl öfter vorzukommen..
Ich habe ja bereits auf Treppen gesehen, wie KCal Angaben gemacht wurden, um die Leute zum Gehen zu motivieren. Ironischerweise hat das auf die Einheimischen keinen Effekt, Weder im Bezug auf das Befolgen dieser Empfehlung noch auf die Körperfülle der Menschen hier. Vor allem die jüngerne sind... "properer" als 99,9 % aller Japaner. Dieses schöne Experiment ist also gescheitert.
Hier habe ich aber noch eine andere Version dieser vergeblichen Motivation gefunden. Auf dem Weg zum professionellen Nasenbohren gehe ich nämlich durch die langen Gänge zum Flughafen und auch vorbei an den vertikalen Rolltreppen, die meist nur am Flughafen zu finden sind. Und da erblicke ich doch am Rand auch wieder die KCal angeben, diesem mit einer Frau und auf dem Rückweg mit einem Mann drauf. Der charmante Kniff: Am Anfang der Rollfläche ist die Person noch echt fett, enorm, . Und mit jeden 10 Metern nimmt die Körperfülle ab. Ich find's spitze. In Deutschland hätte das bestimmt keine Chance, da würde sich garantiert jemand diskrimiert fühlen oder problemlose Social-Justice-Warrior hätten endlich wieder die Gelegenheit sich ungefragt für andere zu streiten.
Ein Glück habe ich die Klinik gegen den Flughafen eingetauscht. Mit deutscher Effizienz und koreanische Zärtlichkeit einer Schlagbohrmaschine bin ich innerhalb von 2 Minuten draußen. Bereit bis wortwörtlich Ende des Tages zu arbeiten. Es schlaucht, ich bin immer um 6 Uhr wach. Aber es ist die beste Option, die ich habe. Und das, was ich hier erlebe und noch erleben werde, das ist es auf jeden Fall wert.