Veröffentlicht: 13.04.2023
Mein erster Gedanke nach einer schlechten Nacht: "Sport täte gut!" Das ständige Wechseln erschwert eine Routine, ich lerne dazu. Für den Rest meiner Reise werde ich es vermeiden nur eine Nacht zu bleiben.
Ich habe nach wie vor eine Mission: Die Suche nach einem Homebase-Duft. Ich weiß, wo ich ihn nicht finden: Auf dem Fischmarkt, auf welchem Damian und ich gehen werden. Im Grunde ist er wie jeder andere Fischmarkt. Nur ein wenig exotischer. Wir sehen ein ausländisches Kamerateam, welches einen dieser Stände filmt. Als wir erneut dran vorbeikommen hören wird: Deutsche.
Nach dem Auschecken gehe ich los, Richtung Bahnhof. Es ist 09³⁰, schon jetzt ist es bereits mit Sonnenschein 18° Grad warm. Irgendwann komme ich mal wieder an einen Koban vorbei. Diese Polizeistationen haben ihre eigene Seele. In dem Fenster sehen ich Spielzeugmodelle sowie Winke-Katzen ausgestellt.
Da ich noch Zeit habe, schlendere ich durch den Bahnhof. Dort begegnet mir ein einheimischer Senior, er hat erhebliches Meme-Potential. Zu spät, dieses Meme ist bereits vorhanden.
Auf geht's in den Süden im Thunderbird, einem IC vergleichbar. Ich beginne zu arbeiten; freies WLAN bei über 150 km/h. Auf den Ohren läuft "Benjie - Schöner Tag", passend dazu ziehen die, von saftigem Grün umgebenen, traditionellen Häuser im Sonnenschein an uns vorbei. So lässt es sich arbeiten.
Ich gewöhne mich auch schnell an die Türen hier im Zug. Die haben zwar einen Griff, der zum seitlichen Schieben einlädt, aber das automatische zur Seite schieben wird erst dadurch aktiviert, dass man auf die Tür drückt. Ohne dass ein Schalter ersichtlich ist. 😵💫
Wenn es um die Klo-Kultur geht, habe ich ja mit einigem gerechnet. Aber womit ich hier begrüßt werde, hätte ich mir nicht ausmalen können. Ich stand in meinem Leben an einigen Pissoirs. Teilweise auch schunkelnd. Aber nie in einem Hochgeschwindigkeitszug. 🤣
In Kyōto trennen sich unsere Wege erst mal, ich fahre weiter nach Nara. Nara ist nur 380.000 Einwohner groß, aber bekannt für seine Rehe. Diese sollen sich wohl vor einem verbeugen, wenn man Essen in Aussicht stellt. Wir stellen fest, dass die keine Geiseln nehmen, wenn es um die Kekse geht. Aber Verbeugung gibt's nur gegen Verbeugung. Fair.
Na, wann hast du dich das letzte Mal mit einem Fehler verewigt?
Wie wäre es mit heute? 😉
Gegenüber dem Park ist eine weitere Tempelanlage. Auch diese gehört zu den schönen Anlagen, die dazu noch wenig besucht ist. Wir gehen hinüber, ich wende mein neues Wissen an. Rechts ist das Maul des Löwenhunds geöffnet, ich gehe also auf dieser Seite durch das erste Torii und betrete die Anlage. Nach all diesen beschrifteten Emas mit seinen Segen und Wünschen habe ich das Gefühl nun auch eine dieser Holztafel mit meinem Gesuch zu beschriften und diesem Tempel zu übergeben.
Ich spende das Geld, nehme mir Zeit und beschreibe bedächtig das Ema, überdenke jedes Wort. Bedenke alle meine Liebsten, die mir am Herzen liegen. Es fühlt sich gut an. Es fühlt sich verbindet an. Ich mag es. Auch wenn es sich offengestanden nicht komplett rund anfühlt, auch wenn ich den Finger nicht drauflegen kann. Erst einen Tag später werde ich bei der dritten Durchsicht der Bilder denken:
"Fuuuuuuuuuuuuck!" - Koj, Thomas - 2023
Jetzt kann ich endlich den Finger drauf legen. Auf die Stelle, wo noch Platz für ein zweites "s" beim "das" ist. 🙄
Nach dem Essen gehen wir Richtung Bahnhof, biegen in eine der unzähligen Einkaufsstraßen ein. Überall läuft Musik, aber irgendwo kommt auch ein Gespräch aus den Lautsprechern. Als wir die Straße weiter entlang gehen, staunen wir nicht schlecht. Wir stehen vor einer Schaufensterscheibe und machen das, wofür die gedacht sind: Wir schauen durch diese Fensterschreiben. Denn hinter der Scheibe befindet sich ein Radio-Studio, in welchem gerade eine Sendung läuft. Eine Frau steht davor, sieht und hört zu.
Nach dieser Kuriosität gehen wir weiter und landen gemeinsam im nächsten FamilyMart. Ich hole mir ein Eis und Kekse in allen möglichen Tierformen. Natürlich beides mit Matcha drin. 😅 Nachdem wir beim FamilyMart raus sind verabschieden wir uns. Diesmal ein letztes Mal. Wir wünschen uns alles Gute und eine sichere Reise. Zufrieden gehe ich am See entlang das Eis genießen.
Während ich so vor mir herspaziere, hüpfe ich von einer Gedankenscholle zur anderen.
Ich bin nun 19 Tage in Japan, fast drei Wochen.
Einen Tag werde ich noch in Japan verbringen, dann geht's weiter.
Ich habe noch fast 40 Tage vor mir, ab diesem Zeitpunkt aber Workcation. Vormittags Vacation, nachmittags bis in die Nacht Working.
Ich hätte hier noch gerne so viel mehr gemacht, noch viel mehr gesehen. All die großen Dinge, die ich mir vorgenommen habe, habe ich nicht mal ansatzweise miterlebt. Ein Baseballspiel im Land des Baseballs. Ein Sumo-Kampf im Land der Sumo-Ringer. Nicht mal eine Tee-Zeremonie.
Aber hey, das ist alles nur Konjunktiv-Gewese. Ich habe eine großartige Zeit mit der großen Gruppe erlebt, die ich mir habe nie erträumen lassen. Ich habe so viel über andere aber auch über mich gelernt. Und ich hatte eine lustige Zeit mit Damian und Mark.
Ich habe seit Beginn der Reise vor 19 Tagen bis heute insgesamt ~ 2.700 km mit der Bahn und ~ 270 km zu Fuß zurückgelegt. Keine Ahnung, wie viel Weg noch vor mir liegt, aber diese Strecke werde ich nun aller Voraussicht nach alleine zurücklegen.
Nach einer Weile werde ich aus den Gedanken gerissen. Diese beiden Stimmen habe ich bereits vor 20 Minuten gehört. Ich finde mich erneut vor der Radiosendung wieder, diesmal ist noch ein Studiogast dabei. Die Frau von vorhin steht immer noch an der gleichen Stelle. Ich geselle mich neben ihr dazu, bleibe einfach nur stehen und genieße diese Szenerie. Die drei hinter der Scheibe unterhalten sich, ich verstehe kein einziges Wort. Die Radiomoderatorin guckt uns an, grinst sympathisch und wackelt dabei witzig mit ihrem Kopf von links nach rechts. "Was für ein schöner Abschluss einer guten Zeit.", denke ich mir und mache mich auf den Weg ins Bettenlager.