Veröffentlicht: 06.04.2021
Nach fast zwei Monaten in Deutschland freue ich mich, als ich am 28. Februar nach einer langen Winterpause wieder zurück nach Trento komme, wo ich mit einem leckeren Abendessen und einer kleinen Überraschung begrüßt werde. Nach meiner anstrengenden Reise mit Bahn, Bus und Flugzeug bin ich erleichtert nach fast 15h Stunden endlich angekommen zu sein.
Die ersten Tage starten für mich auch sehr entspannt, da ich nicht direkt anfange zu arbeiten, sondern beim Onlineseminar altbekannte Gesichter der Freiwilligen und Teamer wiedersehe.
Allerdings beginnt mit meinem ersten Arbeitstag ein komplett neues Projekt in Mezzolombardo. Dort unterstütze ich die Betreuer*innen bei der Hausaufgabenhilfe und der Aufsicht von 18 Kindern, ebenfalls eine ganz neue Zahl für mich. Auf dem Weg dahin bin ich sehr aufgeregt, da ich nach so langer Zeit wieder italienisch sprechen und verstehen muss und zudem noch neue Kolleg*innen und Kinder kennenlerne. Wie aber auch bei allen anderen Projekten von Kaleidoscopio stelle ich fest, dass alle Sorgen umsonst waren. Ich werde von allen sehr lieb empfangen und jeder achtet darauf, dass ich alles verstehe. Auch mit den Kindern läuft alles super und sie sehen mich als „richtige“ Betreuerin an.
Am nächsten Tag arbeite ich im schon bekannten Centro Marco und freue mich sehr, als die Kinder mich wortwörtlich mit ausgebreiteten Armen empfangen und mich herzlich begrüßen.
Ein Glück fällt mir die Umstellung auf Italien gar nicht schwer und ich lebe mich direkt wieder in den Alltag ein. Auch mein Sprachvermögen hat sich in meiner Abwesenheit nicht verschlechtert, es wird sogar von Tag zu Tag besser, sodass ich mich schon richtig mit Kolleg*innen unterhalten kann.
Durch ein weiteres neues Projekt arbeiten wir nun auch vormittags und so vergehen die Tage sehr schnell. Erst ab diesem Halbjahr dürfen wir wieder mit den Kindern bzw. Jugendlichen zusammen im PePe, der Fahrradwerkstatt bzw. Bastelwerkstatt, arbeiten. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß, da ich meine eigene Kreativität mit einfließen lassen kann und auch die Kinder viel mehr Spaß an der praktischen Arbeit haben. Dort arbeiten wir sehr eng mit der Schule zusammen, denn dort sollen die Kinder am Ende des Jahres ihr Projekt mit einem großen Vortrag in der Klasse zeigen. Wir bauen z.B. Modelle von Energiekreisläufen nach und die Kinder sollen dann die Energiegewinnung usw. erklären und herausarbeiten. Ich unterstütze sie bei allen Aufgaben, z.B. bei der Gestaltung von Plakaten, beim Herausarbeiten von Informationen, aber auch beim Bauen der Modelle.
Die dritte neue Arbeitsstelle von mir ist das „Kaos“, welches ebenfalls in Mezzolombardo liegt. Dies ist ein Jugendzentrum, bei dem wir uns durch viel Bewegung an der frischen Luft mit bestimmten Themen & Projekten befassen, aber auch bei Hausaufgaben helfen oder Spiele spielen. An meinem ersten Arbeitstag machen wir direkt eine Radtour mit den Kindern (auch im „Kaos“ ist eine Fahrradwerkstatt mit sehr vielen alten, aber wieder funktionierenden Fahrrädern) und da das Thema „Fotos“ ist, suchen wir auf dem Weg nach bestimmten Gegenständen und fotografieren sie. Auch hier gefällt es mir sehr gut, da ich im Gegensatz zu anderen Stellen auch mit älteren Jugendlichen zusammenarbeite und so in alle Bereiche reinschnuppern kann. Zudem ist die Umgebung in Mezzolombardo wunderschön und jeder kleine Ausflug, bei dem wir zwischen Flüssen, Bergen und Weinplantagen hindurchfahren, ist ein kleines Abenteuer für mich.
Auch wenn es etwas stressig ist an so vielen Orten mit so unterschiedlichen Kindern, Jugendlichen und Kolleg*innen zu arbeiten, ist es eine tolle Erfahrung und man kann umso mehr lernen.
Jedoch gab es schon einige Herausforderungen zu bewältigen. Dazu zählt mein erster Arztbesuch hier in Italien. Seit mehreren Tagen hatte ich eine Art Entzündung an und unter Nase, die immer schlimmer wurde. Wir beschlossen dann zum Arzt zu gehen und es war eine riesen Überwindung für mich überhaupt anzurufen. Da wir hier nicht einfach zu Hausärzten gehen können, haben wir uns dann den „Pronto soccorso“ (schnelle Hilfe) vom Krankenhaus hier in Trento herausgesucht. Dort riefen wir dann an, um uns nach Ärzten zu erkundigen und zu fragen, wie wir uns am besten verhalten können. Uns wurde dann gesagt, dass wir einfach vorbeikommen sollen und das taten wir auch. Ein Glück konnte ich mich direkt dort melden, wo wir angerufen hatten und ab da wurde ich kurz untersucht und dann zur Dermatologie geschickt. Die Verständigung mit dem Arzt war sehr schwierig, da ich dieses „Fachitalienisch“ natürlich noch nicht beherrsche. Somit dachte ich schon er hätte mir etwas Falsches diagnostiziert und verschrieben, aber nach weiterem recherchieren stellte ich fest, dass wir doch die passenden Medikamente gefunden hatten. Im Nachhinein bin ich sehr stolz auf mich, was ich an diesem Tag gemeistert habe.
Ein weiterer Konflikt war auf der Arbeit im Centro Marco, bei dem ein Kind wegen eines Spiels einen Wutanfall hatte. Währenddessen war nur ich mit einer "Aushilfsbetreuerin" draußen. Das Kind hat dann angefangen um sich zu schlagen und ist auf die anderen Kinder losgegangen. Ich habe dann versucht dazwischen zu gehen, was aber kaum geklappt hat. Durch fehlende Worte konnte ich auch nicht auf ihn einreden und habe nur versucht ihn physisch davon abzuhalten die anderen Kinder zu schlagen. Ein Glück kam in dem Moment ein anderer Betreuer heraus, der dann den Jungen fest umschlossen hat, damit er sich körperlich beruhigen konnte und ist dann in eine ruhige Ecke gegangen, um mit ihm zu sprechen. Dieser Moment hat mir gezeigt, dass ich doch nur eine Freiwillige bin und ich noch gar keine Ahnung habe, wie man in solchen Situationen reagieren soll bzw. durch fehlende sprachliche und pädagogische Kenntnisse gar nicht die Möglichkeit hatte richtig einzuschreiten.
Ich bin trotzdem froh beide Konfliktsituationen miterlebt zu haben, denn dadurch habe ich noch viel mehr Erkenntnisse über mich selbst und meine Tätigkeit gesammelt.
Mittlerweile sind wir sehr gut in unsere Projekte eingearbeitet und auch
unsere Kolleg*innen beziehen uns bei Entscheidungen und neuen Aktionen mit ein.
Vor allem die Osterzeit genieße ich sehr, obwohl unsere Region zu einer "roten Zone" erklärt ist, es also einen Lockdown gibt. Einige Projekte können stattfinden, andere jedoch nicht. Deshalb muss ich sehr flexibel sein und mich der Situation anpassen. Mit zwei anderen "Educatori" habe ich für die Kinder Ostergeschenktüten gebastelt und befüllt, die wir anschließend verteilt haben. Über ein Onlinemeeting haben alle Kinder zusammen ihre Tüten geöffnet.
Das warme sonnige Wetter und die Frühlingsluft sind jeden Tag eine Motivation. Alles blüht und man bekommt richtige Frühlingsgefühle. So entschließe ich mich am Ostersonntag in der Nähe wandern zu gehen. Zwar ist es sehr anstrengend durch extrem steile Wanderwege, jedoch lohnt sich das bei dem tollen Ausblick.
Ich freue mich vor allem auf den Sommer, da wir dort auch Ausflüge mit den Kindern machen und ich hoffentlich ganz viel von Italien bereisen kann, andere Freiwillige besuchen kann und vielleicht auch noch mehr Italiener*innen in meinem Alter kennenlernen werde.