Veröffentlicht: 21.10.2022
Wo ist bloß die Zeit geblieben…?! Die letzte Woche in Kalifornien stand bevor. 3 Monate meiner Reise sind fast um. Mein Hubschraubertraining war zu Ende und ich habe die geplanten Flugstunden beisammen, um nächstes Jahr in Hawaii das Training vollenden zu können.
Ich beschloss meine letzten Tage im Yosemite Nationalpark zu verbringen. Wenn man schon hier ist, dann ist das definitiv ein Muss! Und ja, um es kurz auszudrücken, es war traumhaft und faszinierend! Auch wenn das Yosemite Valley und der Nationalpark mit Besuchern überlaufen ist, so lohnt es sich. Da ich unter der Woche und nach den Sommerferien dort aufschlug, war es nicht hoffnungslos überfüllt und die Trails nicht mit Wanderern vollgestopft. Ich verbrachte 5 Nächte im Yosemite Valley im Yosemite Bug Rustic Mountain Resort. Ich teilte mir mit 5 anderen Frauen eine Hütte. Machte hier und da wieder nette Bekanntschaften und das Resort bot jeden Morgen ein super und günstiges Frühstückbuffet. Zwar war der Nationalpark eine Autostunde entfernt, aber preislich kam ich so am günstigsten. Im Nationalpark waren die Preise unverschämt hoch. Campen ist zwar noch eine gute Option, nur fehlt mir dazu Zelt und Schlafsack. War alles in allem eine gute Wahl. In einer Gemeinschaftsküche konnte ich mir abends Essen zubereiten. Das Restaurant in dem Resort bot auch ein Dinner Menu an, sollte die Lust am Selberkochen fehlen.
Ich mietete mir für die Fahrt ein Auto, holte es am International Airport San Jose ab und konnte es ohne Mehrkosten am International Airport San Fransisco wieder zurückgeben. Richtig gut. Mike fuhr mich am Montagmorgen nach San Jose und setzte mich am Flughafen ab. Ich war echt dankbar dafür! Da es kein gutes öffentliches Verkehrsnetz in Kalifornien gibt, ist man hier auf Mitfahrgelegenheiten regelrecht angewiesen. Ich verabschiedete mich von Paul. In Berlin werden wir uns irgendwann einmal wiedersehen...
Als ich am Dienstagmorgen in den Nationalpark hineinfuhr, war ich überwältigt! Da ist der El Capitan, wooow! Das Mekka für Tradclimber! Und dann der Sentinel Rock und der Half Dome, ebenfalls einmalig und imposant! Kein Wunder, dass es Menschen aus aller Welt hierherzieht und vor allem Kletterjunkies. Ich verbrachte meinen ersten Tag auf dem John-Muir-Trail zum Nevada Wasserfall. Ich muss sagen, ich war vom North Cascades Nationalpark und Pinnacle Nationalpark ganz schön verwöhnt… Da hatte ich kaum Wanderer auf meinen Trails :-P Der Yosemite ist zwar sehr groß und bietet diverse Wanderwege, doch der Ansturm bleibt hier und da nicht aus. Aber gut, es ging trotzdem allemal. Wie gesagt, bin wohl zu verwöhnt :-D
Der Park war von der immensen Trockenzeit gezeichnet. Durch weitläufige Waldbrände, waren viele Bäume und Flächen niedergebrannt und manche Wasserfälle waren keine Fälle, sondern meist nur ein paar Tropfen. Doch der Nevada Fall bot noch genug Wasser und eine richtig schöne Kulisse. Ich war so happy!!! Ich liebe solch von Bergen, massiven Felsen, Wäldern und wilden Flüssen geprägte Landschaften! Was für ein Anblick Leute! Nach 6 Stunden habe ich 11 km hinter mir gelassen, schöne Augenblicke mit der Kamera eingefangen, bin über Felsen gesprungen, um auf die andere Seite des Flusses und näher zum Wasserfall zu gelangen und habe diesen Moment genossen, abseits vom Trail und allein umgeben von dieser wundervollen Natur zu sein. Und trocken bin ich auch geblieben! Apropo „trocken geblieben“… da fällt mir doch glatt eine Szene dazu ein! :-D Ich schweif mal ab und komme zu einer kleinen Anekdote, die ich gar nicht in meinem Bericht zu Kalifornien erwähnt hatte:
Als ich auf meinen letzten Tagen in Watsonville zusammen mit Tyler zum Maple Falls wanderte, habe ich den Vogel regelrecht abgeschossen. Ich wollte am Wasserfall eine schöne Aufnahme mit meiner Dronie machen. Doch in dem Waldgebiet bekam ich kein GPS-Signal. Ich bot Tyler an, die Drohne mal zu fliegen. Da er Angst hatte, diese im Wald zu crashen, lehnte er ab. Schlau, wie ich bin, demonstrierte ich ihm die tolle Technik mit Hinderniserkennung… Ich steuerte die Drohne auf die Felswand vom Wasserfall zu und verließ mich auf die Sensoren, die auch im ersten Moment funktionierten. Die Drohne blieb vor der Wand in der Luft stehen. Nun ja, dann auf einmal nicht mehr… Scheiße!!! Ich hatte den Steuerknüppel noch voll nach vorne ausgerichtet und Sensoren hin oder her, die Drohne flog frontal gegen die Wand und stürzte in das Bächlein! Au Kacke… Ich zog schnell meine Schuhe und Socken aus, krempelte die Hose nach oben (das Wasser war relativ flach) und dachte nur noch, meine Drohne muss sofort rausgefischt werden!
Natürlich wird das Wasser an der Stelle schön tief, wo der Wasserfall endet. Ich war mit einmal schön eingesunken und komplett im Wasser, aber meine Drohne war gerettet :-D
Es fehlten zwei Rotorblätter, aber die Gimbalkamera war glücklicherweise intakt. Also um auf den Punkt zurückzukommen: Ich war komplett nass! Man ey, ich musste drüber lachen und ärgerte mich über meine Blödheit, die Drohne ausgerechnet dort demonstriert zu haben, wo sie ins Wasser fallen kann… Tyler hatte auf alle Fälle seinen Spaß :-D
Glücklicherweise ist nicht viel Wasser (vor allem kein Salzwasser!) in die Drohne eingedrungen und neue Rotorblätter waren schnell über Amazon bestellt. Meine Dronie funzt wieder 😊 Hehe!!!
Zurück zum Yosemite. Mein Kletterherz schlug höher und ich wollte unbedingt den nächsten Tag im Klettergebiet verbringen. Ich fuhr zum Camp 4, denn dort halten sich die Climbing Cracks auf. Ich fragte mich hier und da durch, wo man denn am besten Sportrouten klettern und sich anderen anschließen kann. Eine Gruppe von Spaniern hatte vor eine Mehrseillängenroute zu besteigen und hätten mich auch mitgenommen. Ich war mir jedoch nicht sicher, mithalten zu können, zumal ich absolut keine Erfahrung im Trad Climbing habe. Trad Climbing bedeutet, an einem Riss die Wand entlang zu klettern und Sicherungen selbst zu setzen. Zwar wäre ich letztendlich nur nachgestiegen und hätte keine Sicherungen setzen müssen, aber Rissklettern war ebenfalls neu für mich und verlangt sehr viel Können und Kraft voraus! Ich wollte kein Hindernis für die Jungs sein und setzte meine Suche fort. Im Camp fand ich nicht wirklich Anschluss und fuhr etwas deprimiert zum El Capitan. Dachte mir, ok, gehe ich dort etwas wandern und schaue mal, was sich eventuell da ergibt. Ich vermisste meine Kletterkumpis aus Berlin: Philipp, Timmy, Andy, Susan und Sabrina… Alleine ist es gar nicht immer so einfach die passenden Leute zu finden. Und wie der Zufall es so will, traf ich am Parkplatz am El Capitan auf zwei Guys aus Baltimore. Andrew und Brian waren so cool und nahmen mich auf ihren Kletterausflug mit 😊 Sie hatten ein Projekt mit einer Seillänge in Aussicht und kletterten eine Route in einem Schwierigkeitsgrad (5.8-5.10a), der für mich machbar ist. Und das Allerbeste, ich hatte die Möglichkeit im „Toprope“ (Seil ist am Routenende eingehangen) mich mit Trad- bzw. Rissklettern vertraut zu machen. Ich schaute gespannt Andrew zu, der die Route vorstieg. Ich hatte echt großen Respekt davor und Andrew zollte meine Anerkennung! Ich wüsste nicht, ob ich es mir jemals zutrauen würde an einem Riss hochzuklettern und Sicherungen selbst zu setzen… Mir fehlten dazu einfach die Erfahrung und das Training. Brian, der als zweites vorstieg, setzte einen Anker und hing das Seil für mich ein. Also fallen konnte ich schon mal nicht, was gut für den Kopf war. Und der Sicherung vertraute ich auch. Ich bekam am Boden noch einen kurzen Crashkurs, wie ich meine Finger, Hände oder Fäuste im Riss einsetze (hängt von der Breite des Risses ab) und los geht’s! Ein paar andere Kletterer mussten schmunzeln, als ich die Einweisung bekam. Nicht, um mich zu belächeln, sondern da ich das noch nie gemacht bzw. trainiert habe und mich gleich an einen 35 Meter langen Riss hoch wage ohne jeglichen Dunst :-D
Das erste Stück war ein sehr breiter Spalt, in dem ich meinen ganzen Körper rein quetschen musste. Ich dachte zunächst, das wird zu schwer für mich, doch so nach und nach fand ich heraus, wie ich mich am besten positionierte und rein quetschte 😊 Der Riss wurde mal schmaler und mal breiter, mal musste ich die flache Hand rein pressen und mal die Faust. Mit den Füßen war das teilweise auch nicht so einfach. Das verdrehen und reinquetschen war ebenfalls ungewohnt. Links und rechts vom Riss gab es nichts zum Greifen oder Treten. Umdenken war hier angesagt. Brian, der mich sicherte, war super geduldig und ich wurde von allen angefeuert und bestärkt, dass ich das verdammt gut mache! Mit viel Anstrengung und Durchatmen schaffte ich es tatsächlich bis zum Top! Geil! Richtig geiles Gefühl!!! Ich bin die Wand vom El Capitan an einem Riss hochgeklettert, auch wenn es nur 35 Meter waren. Ich war verdammt glücklich! Und ich wurde mit einer tollen Aussicht auf die gegenüberliegenden Berge belohnt. Meine Arme, Füße und Hände taten weh. Doch ich hatte es geschafft!!! Ich bekam von den Kletterern verdammt viel Applaus, dass ich für das erste Mal überhaupt technisch so gut hochgeklettert bin 😊 Meine Hände sahen etwas geschunden aus. Doch die Wunden, so lange sie da waren, erinnerten mich immer wieder an diesen einmaligen Tag am El Cap.
Ein weiteres Projekt war am Yosemite Fall zum Abend hin geplant. Ich schloss mich auch dahin mit an. Wir fuhren zum Camp 4 und von dort ging es zu Fuß hoch zum Wasserfall. Hier tummelten sich noch so einige Kletterer an der Wand. Es gab sogar auch Sportrouten, wo Bohrhaken bereits in der Wand zum Sichern verankert sind. Brian suchte sich eine Trad Route im Schwierigkeitsgrad 5.10d aus. Das ist im Vergleich zu dem Riss zuvor weitaus schwieriger. Und ja, der Riss war so schmal, dass hauptsächlich nur ein bis zwei Finger rein passten… Puuuhhh. Ich schaffte nur die Hälfte und hatte keine Kraft mehr. Aber hey, es war gutes Fingertraining. Was richtig schön war, war die Aussicht zum Wasserfall, die steilen Felswände und gegenüberliegenden Berge sowie der Mondschein, der sich im Wasser vom Yosemite Fall spiegelte… Verdammt toller Tag, dank der beiden Jungs aus Baltimore!
Am nächsten Tag wollte ich eigentlich ausschlafen und entspannt in den Tag starten. Doch die Nacht war zu kurz und der Wecker der Bettnachbarin klingelte zu früh. Ich dachte mir also, gut, nun bin ich früh wach und gehe heute den Trail zum Upper Yosemite Fall und Eagle Peak hoch. Dieser ist hin und zurück über 18,5 km lang mit 1317 Hm. Ich plante mir 9-10h ein. Der Weg war verdammt steil und steinig. Genau das Richtige für mich. Doch nicht an diesem Tag. Mein Körper sagte: Ey Alte, du bist müde, durch und deine Beine zittern. Ich quälte mich regelrecht hoch und mein Ego und Ehrgeiz zwangen mich weiter zu gehen. Dazu knallte die Sonne unerbittlich mit voller Wucht und wenig Aussicht auf Schatten. Es erfordert sehr viel Stärke dieses Ego zu überwinden und zuzugeben, dass es klüger wäre umzukehren. Ich ärgerte mich und mochte jeden Wanderer nicht, der an mir vorbei und hoch ging oder bereits oben war :-D Doch ich bereute es nicht umgekehrt zu sein... Ich hatte trotz allem eine schöne Aussicht auf meinem Weg nach oben. Da es noch nicht so spät war, fuhr ich wieder zum El Cap, suchte mir eine schöne Stelle im Wald aus, spannte meine Hängematte zwischen zwei Bäumen, ließ mich hineinfallen, genoss den Ausblick auf den 2307 m hohen Felsen mit den kleinen leuchtenden Punkten von Menschen, die sich Stück für Stück an der nackten, steilen Wand nach oben wagten und ratzte dahin… Das hat mein Körper echt gebraucht. Gut, dass ich auf ihn gehört habe 😊
Dank meines Powernaps in der Hängematte, konnte ich am nächsten und letzten Tag wieder ausgeruht und mit neuer Energie starten! Ich ging den 4-Mile-Trail hinauf zum Glacier Point und weiter hinauf zum Sentinel Dome. War eine richtig gute Idee! Da die Sonne tagsüber auf der anderen Seite des Berges verbrachte, hatte man überwiegend angenehmen und kühlenden Schatten. Und die beiden Aussichtspunkte boten einen 360° und kilometerweiten Blick auf das gesamte Yosemite Gebiet und deren überragenden Bergformationen! Genial! Das war ein wirklich schöner Abschluss.
Mein Abreisetag nach San Fransisco wurde noch damit versüßt, dass Tyler seinen Soloflug mit der Cessna von Watsonville nach Mariposa plante, um mir einen Besuch abzustatten. Richtig lustig! Der Flugplatz lag direkt auf meinem Weg. Nachdem Tyler gelandet war, lud ich ihn in ein Café ein und wir verabschiedeten uns herzlich! Nächstes Jahr sehen wir uns wieder, wenn Nico und ich nach Hawaii reisen und einen Zwischenstopp in San Fransisco und Santa Cruz einlegen. Ich freue mich darauf 😊
Los geht’s nach San Fransisco…