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Sydney - kaum hin, schon wieder weg

Veröffentlicht: 10.12.2018

Was fällt als Erstes auf, wenn man nach Wochen (für ganz kurze Zeit) wieder in die „Zivilisation“ mit U-Bahn, Trinkwasser aus der Leitung, Croissants und Restaurants mit kreativer Küche zurückkehrt? Die Menschen sind wohlgenährt (sprich: viele eher zu dick als zu dünn). Ihr Gewand ist kurz bis sehr kurz und auch sonst luftig. Und es gibt Weihnachten – oder so etwas ähnliches. Bei mir als gelernter Österreicherin stellt sich trotz roten Zipfelmützen, geschmückten Bäumen und Jingle Bells keine rechte Adventstimmung ein, wenn es gleichzeitig 23 Grad hat und alle in Bermudas und Trägerleiberl herumlaufen.

Nur fünf Tage für einen ganzen Kontinent? Ein bisschen gar wenig, oder? Wir besuchen ja bei dieser Weltreise manche Länder sehr ausführlich (wie bereits Georgien und Usbekistan) und manche nur selektiv und picken uns dort "unsere" Rosinen heraus (wie zB in Indien). Den Rosinen-Zugang haben wir hier in Australien auf die Spitze getrieben und sind gerade einmal 4 1/2 Tage in Sydney geblieben. Eigentlich ging es nur um eine einzige Rosine, von der ich angenommen hatte, dass ich sie nie sehen würde, weil Australien zwar einen Haufen wunderbarer Landschaften hat, aber eher wenige Kulturdenkmäler - und daher nicht auf unserer Reisewunschliste steht (dass wir es eher mit Kirchen oder Tempeln haben und weniger mit Wasserfällen oder Bergen, ist wohl aus den bisherigen Blogbeiträgen klar geworden). Also, die australische Rosine ist das Opernhaus von Sydney.

Nein, es geht nicht um Oper, wie vielleicht manche von Euch (die uns ein bisschen besser kennen) annehmen, sondern um Architektur. Wir lieben nämlich nicht nur uralte Bauwerke, sondern gleichermaßen die architektonischen Meisterwerke aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Das Opernhaus in Sydney, Ende der 1950er Jahre vom Dänen Jørn Utzon entworfen, gilt als solches Meisterwerk. Auf den Fotos sieht es umwerfend aus, und ich wollte es schon immer sehen. Die Realität hat dann nicht gehalten, was die Fotos versprochen haben. Das liegt einerseits daran, dass viele Fotos den plumpen braunen Sockel wegschneiden (der in natura sehr dominant ist) und nur die "Segel" aufnehmen. Zweitens ist das Gebäude bei weitem nicht so groß, wie ich es mir vorgestellt hatte, bzw. wird optisch verkleinert, weil seit seiner Erbauung direkt hinter ihm eine Skyline aus Wolkenkratzern entstanden ist, die es geradezu gedrungen erscheinen lassen. Die Innenräume stammen übrigens nicht von Utzon, sondern sind (da der Bau viel länger als die geplanten drei Jahre gedauert hat) in den 1970er-Jahren entstanden, was man auch sieht: lila Teppiche, braun getönte Fenstergläser und plumpe Formen, eben die Seventies, wie sie eher nicht sein sollten. Ich habe trotz (oder wegen) meiner Enttäuschung das Gebäude fast täglich umkreist und auch fast 100 Fotos davon gemacht, vom Wasser und Land aus, in allen möglichen Winkeln – um das Schöne und das Häßliche zu dokumentieren.

Fotos (auch professionelle) werden Bauwerken oft nicht wirklich gerecht. In New York hatten wir genau das gegenteilige Erlebnis: In die berühmte MET sind wir wegen der Vorstellungen gegangen und haben uns von der Architektur (die wir von Bildern kannten) gar nichts erwartet. Das Haus (aus den 1960er Jahren) ist aber insbesondere in der abendlichen Beleuchtung unwerfend. Die riesigen bunten Bilder, die Mark Chagall extra für die MET gemalt und in die Architektur geradezu genial eingefügt hat, machen von außen und innen viel her – und obwohl innen ein bisschen gar protzig, ist die MET ein höchst eleganter, strahlender Bau. Wirklich gut.

Witziger Weise hatten wir in Sydney und in New York sehr ähnliche Aha-Erlebnisse, die uns vor Augen geführt haben, wie beschänkt unser Wissen ist. Unser Sydney-Reiseführer erwähnt ganz kurz, dass Harry Seidler der bedeutendste australische Architekt ist. Wir haben deshalb eine mehr als einstündige Fahrt in einen noblen Vorort auf uns genommen, um die (außen und innen original erhaltene) kleine Villa zu besichtigen, die Seidler für seine Mutter Rose entworfen und gebaut hat: ab 1947, auf einem Hügel, der damals noch Buschland war. Da gab es schon einen Geschirrspüler (ein eindrucksvolles Ding) und eine Kenwood-Küchenmaschine (die deutlich hübscher ist als meine). Wenn man die europäische Architektur seit Bauhaus und Le Corbusier kennt, bietet Rose Seidlers Haus zwar keine Innovationen, ist aber überaus gelungen. Und für Australien war das damals revolutionär, wie wir vor Ort einem kurzen Film entnehmen konnten, der uns mehr über Harry Seidler verraten hat: unter anderem auch, dass er in Wien geboren wurde, vor den Nazis geflüchtet ist und in den 1990-er Jahren zurückkehrte, um ein Hochhaus sowie einen Gemeindebau an der Neuen Donau zu bauen. Wir hatten den Namen Harry Seidler vorher noch nie gehört, wie übrigens auch jenen von Josef Urban nicht. Vor einigen Jahren in New York bei den dortigen „Tagen des Denkmals“ beeilten wir uns sehr, um rechtzeitig zur Führung durch ein Veranstaltungszentrum zu kommen, das von Dschosef Örbän (so ähnlich sprach die Führerin ihn aus) verwirklicht worden war, mit einem spektakulären Theatersaal mit viel Aluminium als Gestaltungselement: etwas ganz besonderes, weil von dem berühmten Örbän kaum etwas erhalten ist, war er doch auf die Kulissen für die großen US-Revuen der Zwischenkriegszeit und für Filme spezialisiert. Wir waren hingerissen und erstaunt, stellte sich doch heraus, dass Urban Wiener war und in jungen Jahren den Rathauskeller gestaltet hat. Die gute Nachricht ist, man muss nicht dort essen, um das Frühwerk Urbans anzuschauen ;-), das übrigens keinerlei Ähnlichkeit mit dem Bau in NYC hat.

Das Allerbeste an Sydney ist seine schöne Lage am Meer. Die zahlreichen Buchten, um die die Stadt gebaut ist, bieten viel Luft und wunderbare Ausblicke auf das Wasser und die Boote darin. Rund um die gewundene und lange Küste ist die Stadt grün, grün und nochmals grün. Die Häuser lassen erahnen, wie reich die Stadt und viele ihrer Bewohner und -innen sein müssen, die nur einen kurzen Weg vom Haus mit Meerblick zur nächsten Schwimmgelegenheit zurücklegen müssen.

Grün ist die Stadt auch deshalb, weil sie von vielen Nationalparks umgeben ist, wo man dann auch besichtigen kann, was die „echten“ Australier und -innen hinterlassen haben. Die Ritzzeichnungen der Aborigines zu erwandern, macht Spaß: wegen der schönen Landschaft und der dort abgebildeten kleinen Känguruhs, Fische und Menschen.  

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#australien#sydney