Veröffentlicht: 31.10.2016
Wasser und Weite, so weit das Auge reicht. Ab und zu kreuzen ein paar Frachtschiffe oder kleine Fischerboote, voll gepackt mit Reissäcken, Gemüse oder sonstigen Waren, den Weg. Kinder stehen am Ufer und winken uns zu, ganz weit in der Ferne kann man eine Bergkette erkennen. Idylle pur, keine Autos in Sicht, kein WLAN, keine Geräusche sind zu vernehmen, außer das Tuckern des Schiffsmotors. Unser Schiff bahnt sich langsam, vorbei an Sandbänken und schwimmenden Baumstämmen, den Weg am schmutzigen Aeyarwady River Richtung Norden, Zielort Mandalay. In 11 Stunden werden wir die Großstadt erreichen.
Mit dieser Aussicht und diesen Eindrücken sitze ich am Außendeck unseres Schiffes, das wir heute um 5 Uhr früh in Bagan bestiegen haben, und lasse die Erlebnisse der letzten Woche Revue passieren. Die Tage am Strand von Ngapali kommen mir weit entfernt vor, soviel Neues und Aufregendes haben wir in den vergangenen Tagen gesehen und erlebt. Aufgrund unserer etwas beschwerlichen Busfahrt von Yangon nach Thandwe bei Ngapali und unserer stundenlangen erfolglosen Recherche, die Strecke zu unseren Destinationen im nördlichen Shan Staat per Bus oder Boot zu bewältigen (der schnellste Landweg über Sittwe ist nach wie vor für Touristen vor allem aufgrund der derzeit vorherrschenden Unruhen an der Grenze zu Bangladesch nicht empfehlenswert), haben wir uns für die bequeme und zeitsparende Variante per Flugzeug entschieden.
Unser erstes Ziel war der Inle Lake. Gleich am ersten Tag haben wir den riesigen See, der eingebettet von einer sanften grünen Hügellandschaft daliegt und bekannt für die Einbeinfischer des Intha Volkes und die schwimmenden Gärten ist, per Boot erkundet. Man mietet sich ein Boot samt Bootsführer und schippert stundenlang über den atemberaubend schönen See. So weit das Auge reicht, sind blühende Wasserpflanzen, Lotusblumen, Tempel und auf Pfählen gebaute Holzhütten zu sehen. Bei herrlichem frisch gefangenen Inle Fish und Myanmar Bier haben wir die Bootstour auf einer Seeterrasse in der Nachmittagssonne ausklingen lassen.
Drei Österreicher und ein Deutscher auf Wanderschaft, eine Konstellation, die man vielleicht ab und zu in den heimischen Alpen vorfindet (und meist bedeutet das für den Deutschen nichts Gutes :-)), die aber sicherlich etwas abstrus klingt für eine zweitägige Wanderung mitten im Nirgendwo von Myanmar. Lukas aus Lienz und Christopher aus Linz, zwei Freunde, die wir schon in unserem Hotel in Ngapali kennengelernt haben und die zufällig den gleichen Flug nach Heho am Inle Lake gebucht haben. Eine Bekanntschaft, die nur das Reiseleben schreiben kann. Undenkbar wäre es zu Hause, einfach an der Bushaltestelle zu fragen, wo der Fremde neben dir hinfährt, um abzuchecken, ob man sich nicht zusammen tun kann und einfach gemeinsam weiter fährt oder reist. Leider, denn daraus können sich oft interessante und spannende Freundschaften entwickeln. Wir haben uns alle vier von Anfang an super verstanden, auch wenn der eine oder andere Österreicher-Schmäh oft auf Kosten von Markus ging :-), aber ich habe es genossen, weil ich auf meinen ganzen Reisen bisher eigentlich kaum Österreicher getroffen habe, und wenn, dann war man gegenüber den Deutschen eher in der Minderheit.
Zu viert sind wir Mitte der Woche gemeinsam mit einem einheimischen Guide zu unserer zweitägigen Wanderung vom Inle Lake in das nördlich gelegene Kalaw aufgebrochen. Und es war ein Abenteuer! Bereits nach dem ersten Anstieg wurden wir durch einen wunderschönen Blick auf den See und die umliegende sattgrüne Landschaft belohnt. Wir wanderten vorbei an einsamen Bergdörfern, blühenden Blumenwiesen und bahnten uns den Weg durch Reisfelder, durch Bäche und matschige morastartige Pfade. Noch nie habe ich soviel verschiedene Gemüse- und Gewürzsorten auf einer so überschaubaren Fläche wachsen sehen, es gibt Kartoffeln, Auberginen, Karotten, Ingwer, Chillies, Tamarinde, Kurkuma, Orangen, Avocados, Papaya, Bananen und Mangos. Nach einem siebenstündigen Marsch haben wir bei starkem Regen ziemlich durchnässt und mit einer Zentimeter dicken Schmutzschicht auf den Schuhsohlen endlich das Bergdorf erreicht, in dem wir die Nacht verbringen. 80% der Touristen wählen die umgekehrte leichtere Route von Kalaw zum Inle, weshalb wir den Genuss hatten, die einzigen Wanderer zu sein, die dort ankamen. Wer nach einer so langen Wanderung auf Wellness und Luxus hofft, wäre fehl am Platz. Es gibt keine Dusche, einzig ein Trog von Regenwasser stand vor dem Haus für eine kurze Katzenwäsche bereit. Wieder halbwegs aufgewärmt und sauber haben wir es uns dann im Haus der Familie, bei der wir übernachteten , gemütlich gemacht. Am Boden sitzend haben wir bei Bier und herrlichem burmesischen Essen, das unser Guide für uns zubereitet hat, den Tag Revue passieren lassen. Mich hat vor allem beeindruckt, wie zufrieden die Leute im Dorf waren. Es gibt keine Dusche, nur Regenwasser, kein Strom, nur Kerzenlicht, keine Küche, nur ein Feuer und ein paar Töpfe, keine Traktoren zur Bewirtschaftung der Felder, nur Ochsen - für unsere Verhältnisse eher Bedingungen wie aus einem anderen Jahrhundert, aber dennoch strahlen die Menschen Zufriedenheit und Stolz auf ihre Heimat und ihr Hab und Gut aus. Mit diesen Gedanken und ein paar Bier später, haben wir dann unser Schlafgemach - eine Art Matratzenlager - bezogen. Abgesehen von meiner Begegnung mit einer Ratte auf dem Plumpsklo, verlief die Nacht recht harmonisch und wir starteten unsere zweite und letzte Etappe nach Kalaw.
Wieder vom Regen überrascht erreichten wir am späten Nachmittag endlich die beschauliche Kleinstadt, die einst von den Briten erbaut wurde und von vielen Burmesen aufgrund der kühlen Temperaturen und der hohen Lage als Art Luftkurort genutzt wird. Ich habe selten zuvor eine heiße Dusche, eine Toilette und ein sauberes Bett sosehr geschätzt wie an diesem Abend :-).
Am nächsten Tag sind wir dann mit dem Nachtbus nach Bagan aufgebrochen, dem Touristenhighlight von Myanmar. Mehr als 3000 Pagoden , teilweise noch aus dem elften Jahrhundert, sind im Umkreis von circa 10 Kilometern zu sehen. Es war ein Genuss, mit dem Elektoroller einfach querfeldein über die kleinen schmalen Feldwege zu düsen und vor allem die unerschlossenen und wenig bekannten Tempeln zu entdecken und das Bauwerk zu beklettern, von dem man aus den besten Blick auf die tausenden Pagoden erhaschen kann. Auch wenn viele Touristen Bagan besuchen, man findet immer wieder eine Pagode irgendwo ganz einsam im Feld stehend, die noch keiner entdeckt hat und von der aus man einem atemberaubenden Blick vor allem bei Sonnenuntergang hat. Zur perfekten Idylle hätte nur noch ein Glas Rotwein gefehlt, den man aber leider aus Respekt vor Buddha im Umkreis der Tempel nicht trinken darf.