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Arbeiten im Prem Dan

Veröffentlicht: 29.09.2016

Auntie, auntie,... dies ist ein Wort, an das man sich bei der Arbeit in einem indischen Altersheim gewöhnen muss. Ein lieber Freund, dem gegenüber man aber Respekt zeigt, ist laut meinen Volunteer-Kolleginnen gemeint, eine direkte Übersetzung dürfte es aber nicht geben. Wenn aber diese Bezeichnung durch die Räumlichkeiten des Prem Dan, dem von der Missionary of Charity ( von Mother Teresa gegründete Orden) betriebenen Altersheim inmitten der Slums von Kalkutta, hallt, dann weiß man, dass man gebraucht wird. Beim Füttern, beim Toilettengang, beim Wechseln der Bettwäsche, beim Umdrehen einer wundgelegenen Bettlägrigen. Oder einfach beim Umarmen , denn neben all der Hilfe bei ganz alltäglichen Dingen ist es wahrscheinlich eigentlich das Wertvollste , was Freiwillige hier leisten können. 

Der Tag von uns Volunteer-Kolleginnen beginnt meist in der hauseigenen Laundry, ohne Zuhilfenahme einer Waschmaschine werden im Trog Unmengen von Lein- und Handtüchern, Unterwäsche und Nachthemden gewaschen, und das jeden Tag. Im Anschluss daran kümmert man sich um die alten Ladies. Und es sind tatsächlich Ladies, auch wenn sie nur im Nachthemd dasitzen, teilweise der ganze Körper inklusive der Augen verätzt ist, sie nur mehr mit fremder Hilfe die Toilette aufsuchen oder essen können, wenn die Schwestern der Missionary sie auf der Straße aufgelesen haben und davor wahrscheinlich unglaubliches Leid erlebt haben... den Stolz und das Lächeln haben diese Frauen nicht verloren. Mit kleinen Dingen wie Nägel lackieren, Haare kämmen oder Kekse in kleine Krümel zerteilen, weil keine Zähne mehr da sind, hab ich schon die innigste Umarmung geerntet.

Ab Samstag werde ich dann zusätzlich zur Arbeit im Prem Dan am Vormittag, an den Nachmittagen im Waisenhaus arbeiten, auch auf diese Arbeit bin ich schon sehr gespannt. 

Es gibt aber gottseidank neben der sehr fordernden Arbeit als Freiwillige auch noch andere Einblicke, die ich in Kalkutta bisher gewinnen konnte. Heute früh bin ich schon um sechs Uhr zum Flower Market aufgebrochen. Der Spaziergang durch die Straßen Kalkuttas um diese Zeit , in der das Leben gerade zu pulsieren beginnt und alle aufwachen, war für mich sehr eindrucksvoll. Hier wird ein Bart rasiert, dort werden Zähne geputzt  (und das alles am Gehsteig), um die Teestände scharen sich die ersten Frühaufsteher, um die obligatorische Tasse Chai in den typischen kleinen Tongefäßen zu genießen. Menschenrikschas bringen ihre ersten Kunden an ihr Wunschziel ( Indien ist noch eines der wenigen Länder, in denen das Ziehen der Rikscha durch Menschen erlaubt ist) und ein Verkäufer lenkt sein Fahrrad mit ca zwanzig toten darauf gebundenen Hühner geschickt durch den Verkehr.

Bei all diesem Zauber muss ich aber zugeben, dass ich doch ziemlich nervös war, den ca 1stündigen Weg (50 min zu Fuß und 10min Ubahn) ganz allein auf mich zu nehmen. Der Beweis dafür ist, dass ich zuerst fünf Minuten an dem kleinen Fußgänger -Übergang, der einen Blick auf den Flower Market erlaubt , das bunte Treiben auf dem Markt beobachtet habe und kurz davor war, wieder umzudrehen. Es herrschte einfach nur unglaubliches Chaos und es waren wie immer absolut keine Touristen weit und breit zu sehen. Gottseidank hab ich mich aber für einen Aufbruch ins Getümmel entschieden. Die Menschen waren wie immer freundlich, aber keineswegs aufdringlich. Ein sehr gut gekleideter Mann hat mir im Vorbeigehen zugerufen:" you are very welcome to India", was mir irgendwie zeigt, dass sich selbst eine Stadt wie Kalkutta langsam für den Tourismus öffnet.  Dank meiner Entscheidung für den Marktrundgang konnte ich auch einen wunderschönen Blick auf die riesige Howrah Bridge und den Hugli, einen Seitenarm des Ghanges, erhaschen.

Den heutigen Tag habe ich dann großteils mit Bodi verbracht. Wer das ist? Am einfachsten ausgedrückt: sein Bruder ist der Verlobte meiner Schwester :-) als "Local" hat er mir eine ganz andere, ruhigere und beschaulichere Ecke von Kalkutta gezeigt: Garia, ein südlicher Teil der Stadt. Dank Bodi habe ich den wunderschönen grünen Campus seines Colleges besichtigen können und herrliches bengalische Essen genossen (und...zusätzlich noch fast einen Herzinfarkt bekommen, als mitten am Campus ein circa 1,5 Meter langer Varan unseren Weg gekreuzt hat :-)) . 

Namaste aus dieser aufwühlenden, faszinierenden, beängstigenden und zugleich ganz speziellen Stadt!

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