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Littauen das Land der Kreuze

Veröffentlicht: 16.08.2018

Bei strahlendem Sonnenschein fahren wir nach Littauen rein. Die Straße wird plötzlich besser. Echt? Ein Hoffnungsschimmer macht sich breit (er hält nicht lange an). Das erste Dorf das wir passieren, steht erstaunlicherweise voll mit bunten netten Holzhäuschen. Wir hörten bisher, das Littauen rückständiger sei wie Lettland und Estland.. hier in dem ersten Dorf ist davon nix zu spüren. Die erste Tankstelle zeigt an: Diesel 1,12 Euro ... hallo tolles Littauen :).

In Mosedis, einem weiteren kleinen Städtchen, sehen wir von weitem eine tolle weiße Kirche stehen und beschließen rein zu fahren (ins Städtchen). Der katholische Gottesdienst ist grad aus und hunderte Littauer strömen aus der Kirche. Unser Knut parkt direkt davor und alle haben ein Lächeln im Gesicht als sie ihn sehen. Selbst die alten, in schwarz gekleideten Frauen müssen zweimal rüberkucken und lächeln . Das geht doch mal wieder runter wie Öl. Wir schauen die tolle Kirche an und finden im Ort auch noch einen tollen riesigen Steinpark. Hier sind alle Steine des Baltikums ausgestellt. Schön angeschliffen, daß man das Innere vom Stein sieht. Es gibt alles, von allen Granitarten... über alle Basaltarten... Sandstein und vieles mehr. Leider fängt es an zu regnen und wir eilen zurück zum Bus.

Weiter gehts ins Landesinnere. Der mystische Garsten des Vilnius Orvydas ist unser Ziel. Dieser Garten entstand in den 60ern. Der damalige russische Präsident Chruschtschow hat alle Grabsteine in Littauen von den Friedhöfen entfernen lassen (der Arsch). Und alle wurden in den Garten des Steinmetzes Orvydas (er hat die auch fast alle hergestellt) geschmissen. Der Garten wuchs und war den russchischen Behörden irgendwann ein Dorn im Auge (was die aber auch immer haben). Sie liessen den Garten zerstören. Jedoch wurde er immer wieder aufgebaut und zwar immer ein bisschen größer (voll toll- oder?). Inzwischen ist der Steinmetz verstorben und sein Sohn hat den Garten neu arrangiert und hat ihm sein jetziges Gesicht gegeben. Man läuft durch einen großen Garten mit vielen verschlungen Pfaden die durch Steintunnels führen. Überall liegen alte christliche Relikte. Man sieht Kreuze, Altäre, Grabplatten, alte Kirchenfenster... und dazwischen liegen hunderte von Moss überwucherte Findlinge und alte riesige Baumstämme. Einfach unglaublich anzusehen das ganze!!  Wir gehen alle Pfade ab und schauen in alle Hütten rein. Man findet an jeder noch so kleinen Ecke irgendwas Interressantes. Wir sind total begeistert. Es gibt auch eine große uralte Glocke.. ich habs mir natürlich nicht nehmen lassen, sie zu läuten. Am Eingang steht ein ausgedienter Sowjetpanzer, der auf den Eingang zielt. Die Botschaft ist klar!! Wir sind tief beeindruckt. Ein großer Ort als Zeichen des Widerstandes gegen die Russen!

Wir suchen ein Plätzchen für die Nacht und fahren weiter ins Hinterland. Hier sind die Schlaglöcher so groß, man könnte kleine Kinder reinstecken. Und durch den Regen sind sie alle gefüllt mit Wasser... es heißt immer wieder.. - Augen zu-- und durch -- und hoffen, dass es nicht zu tief ist (das Schlagloch). Wir finden schließlich im Naturpark Zemjaitijos einen schönen Parkplatz mit Seeblick. Hier bleiben wir, spazieren noch ein wenig am See entlang und gehen dann früh ins kuschelige Bettchen, denn es regnet schon wieder. Am nächsten Morgen (wir haben das erste mal seit 15 Wochen mal wieder einen Wecker gestellt grins) stehen wir um sechs Uhr auf. Das Thermometer zeigt 14 Grad und es nieselt. Unsere Fellnase zieht ein langes Gesicht und ist überhaupt nicht begeistert und versteckt sich unter der Decke. Aber nix da - wir wollen los. Zum BERG DER KREUZE! Auf unserem Weg dahin, kommen wir durch viele kleine Dörflein und Städtlein. Man glaubt, hier ist die Zeit vor 300 Jahren stehengeblieben. Alte Häuser... ziemlich verfallen. ABER: in jedem Dorf steht eine prunkvolle super-erhaltene katholische Kirche. Da sieht man mal wieder wo das Geld hockt!! Ausserdem sieht man an jeder Ecke und in jedem Dorf irgendwelche Kreuze stehen. Die Littauer sind definitiv sehr fromme Menschen. Wir sehen große Schwärme von Staren. Die sammeln sich schon um abzuziehen in den Süden. Ich mach das Fenster auf und rufe raus: Bleibt ihr wohl da - der Sommer ist noch nicht vorbei!! Ob sie es interressiert... nix genaues weiß man. Aber es ist nicht zu leugnen. Das meiste vom Sommer ist rum. Die Felder sind abgeerntet, die Äpfel sind reif und fallen runter... hhhmmmpppffff - schnüff schnüff -  wegen uns könnte das noch ewig so weitergehen. Wir kommen in Kryzio Kalnas an.

DER BERG DER KREUZE Schnell den Knut geparkt und los gehts Richtung Berg. Schon von weitem sieht man ihn. Und die unzähligen Kreuze darauf und darum. Inzwischen ist der Berg überfüllt und es wird unten auf den Feldern weitergemacht. Auch hier ein Ort des Widerstands (diesmal ziemlich christlich). Was ein Anblick. Inzwischen sollen es weit über 250 000 Kreuze und tausende Rosenkränzen sein, die Menschen hier im Laufe der Jahre abgelegt haben. Wir sehen alte Kreuze, Kreuze aus dem Ausland, neue Kreuze (man kann sie billig kaufen am Eingang)... Kreuze und christliche Figuren wohin man schaut. Selbst die einzige Tanne auf dem Berg ist übersäht von Kreuzen und Rosenkränzen. Man weiß nicht mehr, wann und wie das erste Kreuz auf den Berg kam. Sicher ist aber, das dieser Ort schon in vorchristlicher Zeit ein heiliger Ort war. Auf jedenfall begannen die Littauer im 19. Jahrhundert Kreuze für verstorbene Angehörige aufzustellen. Den Russen war das ein Dorn im Auge (ja klar!). Nach Stalins Tod 1953 sind viele Gefangene aus den Gulags und Lagern zurückgekommen und haben noch mehr Kreuze für Ihre verstorbenen Kameraden aufgestellt. Die Russen kamen dann das erste mal im April 69 mit Bulldozern und haben alles plattgemacht. Schon am nächsten Tag standen wieder die ersten Kreuze auf dem Berg (ist das nicht geil?). Das ganze ging von vorne los und hat sich 1973, 74 und 1975 wiederholt. Der Berg wurde immer mehr zum Zeichen des Widerstandes und immer mehr Menschen kamen und haben Kreuze abgelegt. Irgendwann war der Russenspuk vorbei und seither ist es ein Ort, der weit über Littauen bekannt ist. Jährlich tingeln tausende Menschen hierher. Legen Kreuze oder Rosenkränze ab, sie beten für verstorbene Angehörige, für Kinderwünsche, für alles mögliche was man halt grad auf dem Herzen hat. Auch wir lassen es uns nicht nehmen und legen zwei kleine Kreuze dazu und schicken ein paar Wünsche ans Universum (man weiß ja nie!). Ein Gewitter zieht auf, und es fängt an zu regnen - wahrscheinlich weil wir keine Kirchensteuer mehr zahlen :)

Wir fahren weiter Richtung Süden (auf der Autobahn!!... wir haben genug von den Straßen im Hinterland). An dem Fluß Nemunas (der schon an die russische Grenze stößt) , machen wir eine Pause direkt am Fluß. Kilian angelt ein wenig (im Regen), aber leider wollen die Fische nicht beißen. Wir fahren ein Stück weiter und finden einen Schlafplatz an der Burg Raudone, die jetzt eine Schule ist. Aber da grad Ferien sind, dürfen wir hier übernachten. Wir stehen vor einer tollen roten Burg mit einer riesigen Parkanlage, die wir natürlich auch mal abspazieren. Nach einer ruhigen Nacht (Kilian war etwas nervös, weil da nachts lange ein Auto stand und uns beobachtet hat... ich hab geschlafen wie ein Baby... ich fühle mich hier sehr sicher) fahren wir weiter an der Nemunas entlang.

In einem Vorort von Kaunas begutachten wir den Citycamp. Laut Reiseführer wenig anspruchsvoll, aber man kann im Wäldchen parken und sie haben hier Waschmaschinen und Trockner (jaaa ich rede in der Mehrzahl... den eine Maschine reicht nicht...). Wir checken ein und losgehts. Alles wird gewaschen, Bettdecken, Hundedecken, Teppiche, Klamotten und natürlich auch uns. All das war bitter nötig... wir hatten etwas nen Mümpf an Bord. Abends sitzen wir vorm Knut und freuen uns über die frische Wäsche auf den Wäscheleinen und im Trockner. Plötzlich wird es rasend schnell schwarz am Horizont. So ein Mist! Ein Gewitter!! Doch nicht gerade jetzt. OK schnell alle Kleider von der Wäscheleine und rein damit in Knut. Alles wird vollgehängt. Das Bad, im Fahrerraum ziehen wir Leinen, auch da kommt Wäsche drüber, in der Küche hängen T-Shirts.... es sieht aus wie in einem Secondhand-Shop. Draussen blitzt und donnerts ohne Ende und schüttet aus Kübeln. Das wird heut nix mehr!! OK wir resignieren, machen das Bett und heute nacht heißt es: schlafen im Secondhand-Shop. (Oder auch nicht schlafen, denn nebenan machen ein paar junge Littauer Party bis morgens fünf Uhr!!). Morgens scheint wieder die Sonne. Schnell nochmal alles rausgehängt und weiter gehts.

Unser letztes Ziel in Littauen Rumsiskes. Ein ethnographisches Museum indem über 150 Gebäude originalgetreu nachgebaut wurden. Quasi "Klein-Littauen" :) Manche Gebäude sind schon über 300 Jahre alt und jede Region Littauens hat ihre eigene "Ecke" gekriegt in diesem weitläufigen Dorf. Wir sehen wunderschöne alte Holzhäuser, Scheunen, eine Bäckerei, Metzgerei, eine Kirche.... eben alles was ein komplettes Dorf braucht. In der Kirche ist grad ein Gottesdienst und die Menschen stehen raus bis auf den Dorfplatz. Wir haben uns auf dem Parkplatz schon gewundert, wieviele tausende Autos hier stehen. Erst dachten wir, dass sind alles Touristen. - Aber nein falsch gedacht. - Das sind alles Littauer!! Google verrät uns, dass heute Mariä Himmelfahrt ist. Im christlichen Littauen eines der höchsten Feiertage!! Na toll!! Das muss einem als Traveller aber auch mal jemand sagen, wir wissen ja nicht mal mehr was für einen Tag wir grade haben. Aber zum Glück ist der Rest des riesigen Dorfmuseums sehr weitläufig und da verlieren sich dann doch die Menschenmassen drin (die meisten sind eh in der Kirche). Stunden- und Kilometer später haben wir genug Kultur und genug Menschen für heute gehabt.

Wir suchen noch einen Platz für die Nacht und finden den an einem See bei Jenanai. Morgen gehts ab nach Polen. Fazit Baltikum.- Das Baltikum ist SUPER!! Es hat uns sehr gefallen und ist auf jedenfall nochmals eine Reise wert. Entgegen allen Menschen mit denen wir geprochen haben, ist unser Favorit eher Lettland wie Estland. Estland ist toll mit seinen bunten Häuschen. Aber die Esten kamen uns eher etwas arrogant vor und an tollen Stränden hat es auch etwas gemangelt. Tallin ist natürlich der Hammer und muss man gesehen haben. Auch die Insel Saamreena hat uns ein tolles Inselfeeling hingezaubert. Aber auch da haben wir uns schwer getan, badetaugliche Strände zu finden. In Lettland dagegen gibt es Strände, da kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Riesig - sauber - einsam - !! Die Letten sind superfreundliche Menschen und man fühlt sich willkommen. Auch die Campingplätze in Lettland sind sehr billig und meistens von jungen Leuten geführt, was wir sehr angenehm fanden. Die Häuser haben schon bessere Zeiten gesehen und grad im Landesinneren sieht man die Armut der Menschen. In Littauen haben wir auch nur positives erlebt. Zugegeben, die Straßen sind eine Herausforderung - und auch die meisten Häuser sind eher armselige Behausungen. Aber auch die Littauer sind superfreundliche Menschen und einkaufen in Littauen macht mal richtig Spaß. Hier sind Lebensmittel und Sprit voll billig (was natürlich unsere Reisekasse sehr freut). Noch nirgends habe ich so viele Kreuze gesehen wie in Littauen und auch den Willen des Widerstandes gegen die Russen ist in Littauen sehr greifbar. Lettland und Littauen sollten definitiv mehr sein als Durchfahrtsländer nach Estland (wie es leider bei vielen ist). Jedes der drei Länder hat seinen eigenen Charme... drum werde ich es mir vorbehalten eins davon als unser Lieblingsland des Baltikums hervorzuheben. - Wir sagen goodby Baltikum - es war uns ein Fest - hello Polen... wir sind sehr gespannt.

Antworten (3)

Markus
Um Himmels Willen. Ihr fahrt ja schneller wie ich lesen kann. Wenn ich überlege was ich dieses Jahr schon erlebt habe und was ihr, dann komm ich echt ins grübeln. Das ist glaub auch der Grund warum ich die Seite so selten Besuch. Falls ihr schon neue Erkenntnisse habt, was das Leben angeht, könnt ihr sie mir gerne mitteilen oder vielleicht reichst ja für einen extra Blog. Genießt die Freiheit nichts tun zu müssen. 😘

Sandra
Danke Markus.. Wenn wir eine tiefere Erkenntnis übers Leben gekriegt haben, teilen wir sie allen mit 😀😎... Im Moment genießen wir einfach nur. Gruß und Kuss nach Hause 💟🌞

Norbert
atemberaubende Eindrücke, da ist man nur am Staunen. die tollen Bilder muss man sich mehrmals reinziehen. LG und weiter so