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Europa

Veröffentlicht: 21.10.2024

Moinsen aus Istanbul!


Sowohl Asklepios als auch Jupiter meinten es nicht sonderlich gut mit uns. Es schüttete aus Eimern im asiatischen Teil Istanbuls, in dem wir uns ja eine Wohnung genommen hatten. Ferner merkte ich bereits am Morgen, dass ich ganz offensichtlich etwas langsamer machen sollte. Ich war relativ platt und das lag nicht an den ca. 1,7 Liter Blut, welches mir diese Viecher auch in der vergangenen Nacht aus dem Leib saugten. Es war wie mit einer neunköpfigen Schlange. Eine gekillte Mücke ließ zig neue heranwachsen.
Plötzlich verzogen sich die Wolken und gaben den Blick auf die Sonne frei. Sehr angenehm warm. Wenn nicht der Wind wäre.

Wir verständigten uns darauf, dass wir uns heute mit meinem momentanen Tempo auf der europäische Seite Istanbuls bewegen werden. Wenn es für mich gar nicht geht, steige ich eben aus bzw. setze mich ins Café und esse all deren Baklava. Mein Appetit ist ja glücklicherweise überhaupt nicht beeinträchtigt. Dr. Göktay fragte mich gestern ja ganz direkt danach, was die Vermutung zulässt, dass es dieses Symptom bei einer Gürtelrose auch geben kann.

Wir nutzten zur Überquerung des Bosporus eine der Fähre am Anleger in Kadiköy. Das Areal kannten wir ja schon von unserem Besuch in „der Zentrale“. Was wir nicht kannten, waren die Rahmenbedingungen, um an Bord zu dürfen. Wir sahen Menschen an Automaten herumdrücken. Wir lasen auf eben diesen Maschinen so etwas wie „Istanbul-Card“, konnten uns jedoch keinen Reim darauf machen. Kadir befragte mehrere äußerst freundliche Menschen, die gerade dabei waren Tickets zu kaufen. Allerdings hatten diese alle eine wiederaufladbare Karte. Wir nicht. Dann gab eine Passantin den entscheidenden Hinweis: Einfach zum Eingang gehen und Kreditkarte auflegen. Die (digitale) Welt kann so simpel sein. Für umgerechnet € 1,53 erhielten wir eine 25-minütige Bootstour nach Europa bei bestem Sonnenschein. Teşekkürler.

Auf europäischem Boden angekommen, bahnten wir uns den Weg durch eine ganze Legion von Security-Menschen, welche nahegelegene Gebäude oder diejenigen, welche sich in den Gebäuden befanden, fest im Blick hatten. Unser Ziel war der Taksim-Platz. Schnell noch bei Wikipedia etwas Angeber-Wissen angeeignet, beeindruckte ich gar Kadir als ehemaligen Türken mit meinen Aussagen über die Geschichte dieses Platzes (hier wurde aus kilometerlangen Leitungen ankommendes Wasser in die einzelnen Stadtteile Istanbuls verteilt).

Wissen macht hungrig. Daher steuerten wir zur Abwechslung eines der nahegelegenen Restaurants an. Es gab ja glücklicherweise einige wenige. Wir nahmen zwischen diversen Herren Platz, deren Hinterköpfe eigenartig leer wirkten. Gleichzeitig war der Haaransatz an ihrer Stirn jedoch irgendwie „voll“ sowie an einer äußerst markanten Haarlinie erkennbar. Gleich nebenan trugen Damen in diesen geschlossenen Räumen überdimensionale und verdammt dunkle Sonnenbrillen, während sie sich versuchten mit den Lippen in Form eines Schlauchbootes zu unterhalten. Ok, das ist etwas übertrieben. Allerdings erkennt jedes Kleinkind, dass hier in Istanbul jede Menge gefeilt, geschnippelt und verpflanzt wird.
Die Pause tat mir und meinem BMI gut, da es keine Süßspeise gab. Julia konnte allerdings partout nicht ohne, so dass sie kurzerhand am Nachbartisch bei einem der drei Herren eine ihr unbekannte Leckerei probierte. Völkerverständigung geht eben auch durch den Magen.

Den anschließenden Bummel über die verkehrsberuhigte Straße istiklal Cd. ließ ich gaaaanz gemächlich angehen und setzte mich, wo immer es möglich war. Wir schauten in diverse Höfe und genossen diese Menschenmenge, die im Gegensatz zu dem, was noch kommen sollte, sehr angenehm war. Immer mal bahnte sich auch die historische Tram den Weg durch die Massen. Nur dafür hätten wir natürlich niemals nach Istanbul kommen müssen, fährt in unserem Dorf doch seit 114 Jahren die Tram 88.

 
Dann kamen wir zum Höhepunkt des Tages. Der ägyptische Basar. Alter Schalter. Ich war bereits in Shanghai. Ich war auf der mega Love Parade im Jahr 2000. Ich war auch schon an Samstagabenden auf dem Bremer Freimarkt sowie vor Abfahrt der ersten Gondel in Ischgl und ich war mehrfach an einem der letzten verkaufsoffenen Samstage vor Weihnachten in einer Fußgängerzone usw. Was hier jedoch abging, spottet jeder Beschreibung. Ich hatte die gesamte Kontrolle über meine Beine, meine Füße und meinen Willen verloren. All diese Milliarden an Menschen entschieden nun also, ob ich stehenbleibe oder ob ich gehe bzw. wie schnell/ langsam ich gehe. Nach wenigen Metern, welche diese anonyme Masse sich für mich ausgedacht hatte, kämpfte ich nicht mehr gegen meinen inneren Schweinehund an. Raus. Nur raus hier. Ich setzte mich und beobachtete das Treiben aus sicherer Entfernung sowie das wunderbare Farbenspiel, das von den dunklen Wolken und der Abendsonne an den Hängen Istanbuls gezeichnet wurde. Und auf die Fährfahrt in Richtung Kadiköy freute ich mich auch.

Kadir schleppte schwer, als wir uns auf den Weg zum nahe gelegenen Anleger machten. Große Mengen an Hasel- und Cashew-Nüssen hatten den Weg in seine Tragetaschen gefunden. Insbesondere aber auch jegliche Bestände an „Dubai-Schokolade“, die es auf dem Markt noch zu kaufen gab. Nachdem er bereits die gesamten Waren dieser Geschmacksrichtung an den Shell-Tanken des Landes aufgekauft hatte, war nun also das Finale in Istanbul angelaufen. Lediglich in den Migros-Märkten könnte es noch Tafeln geben. Allerdings soll es bereits zu einer Sondersitzung der Marktleiter*innen Istanbuls gekommen sein, um doch noch Restbestände für die Allgemeinheit zu sichern.

Wir einigten uns erneut darauf, den Abend an einer Tafel mit türkisch-deutschen Spezialitäten ausklingen zu lassen. Ich persönlich war sehr froh, wieder „zu Hause“ zu sein und freute mich schon auf das Balsam von Ece.

Mit großen Hoffnungen auf eine Nacht ohne Summen, Jucken und den fortwährenden Einsatz des „heat-it“, aber auch mit dem Wissen, dass es die letzte Nacht in der Türkei sein würde, verzogen wir uns in Katakomben.

iyi geceler iyi uykular, istanbul

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#istanbul#türkei#taksim#kadiköy#dubai-schokolade