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Wochenendtrip nach Belo Horizonte

Veröffentlicht: 13.03.2024

Freitag morgens 04:30 Uhr Treff am Hostel. Ein paar Klamotten und Verpflegung in den Käfer von Oli geschmissen und auf ging es in Richtung Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais im Norden von Rio de Janeiro. 425 km zeigte das Navi an und in gemütlicher Fahrt tuckerten wir mit antikem Automobil raus aus der Stadt. Der Vorteil an so einem frühmorgendlichen Start ist der nicht vorhandene Stadtverkehr und somit teilten wir uns die Straßen lediglich mit ein paar anderen Frühaufstehern und den Fahrzeugen der Müllabfuhr. Am Vortag gestand uns Oli noch einen Defekt am Getriebe des Scheibenwischers und auch dass das für die Reparatur notwendig Bauteil zwar bestellt aber erst in ein paar Tagen in Rio sei und somit startete die Reise zwar ohne funktionierenden Scheibenwischer aber für alle Fälle gewappnet mit einem Seil als Provisorium und der Hoffnung, dass wir während der Fahrt von Schauern verschont blieben. Nach einem kurzen Nickerchen auf der Rückbank sollte der Pilotensitz nun ab der ersten Rast von mir besetzt werden. Kurze Einweisung in die doch schon sehr betagte aber (bis auf die Scheibenwischer) voll funktionstüchtige Technik und dann setzte sich der Wagen auch wieder in Bewegung.

Am Steuer

Schon ziemlich spannend, so ein Gefährt über brasilianische Straßen zu bewegen. Mit dem Autofahren, wie ich es aus den modernen Fahrzeugen kenne, hat das doch recht wenig zu tun. Fast Zweidrittel der ständigen Lenkbewegungen verpuffen völlig im Nichts, allerdings hat man sich nach kurzer Zeit an das enorme Spiel der Lenkung und die nicht vorhandene Servolenkung gewöhnt. Schon deutlich anstrengender ist das Bremsen. Hier ist extrem vorausschauendes Fahren von Nöten, da sich die Bremskraft erst nach vollständigem Hereinpressen des Pedales mehr oder weniger gut entfaltet. Die aggressiv drängelnden und auf beiden Seiten überholenden Wahnsinnigen nimmt man irgendwann nur noch wahr, wenn sich die Person in einem riesigen LKW befindet, der sich mit viel zu hoher Geschwindigkeit an einem vorbeischiebt. Höchste Konzentration also um dem ständigen Kollisionskurs entgegenzusteuern.

Improvisierte Scheibenwischanlage

Dazu zu allem Überfluss nach circa einer Stunde: einsetzender Regen. Also kurz das Seil mit beiden Enden an den Scheibenwischern befestigt und hinter der Frontscheibe durch die Fahrgastzelle gezogen. Durch abwechselnd entgegengesetzte Ziehbewegungen von Fahrer und Beifahrer schafft man es für jeweils kurze Zeit ein Sichtfenster frei von Regenwasser zu schaffen und einen großzügigen Blick nach vorn zu erhaschen. Hier wird das Autofahren noch zu echter Arbeit und nach der nächsten Rast und erneutem Fahrerwechsel sinke ich erschöpft aber zufrieden in den Rücksitz des Volkswagens. Nach fast 9 Stunden erreichen wir ohne größere Zwischenfälle Belo Horizonte.

Die fünftgrößte Stadt Brasiliens erwartete uns mit einem Panoramablick über die Hochhäuser im Stadtzentrum und da wir am nächsten Tag den Classico zwischen zwei der drei ortsansässigen Fußballvereinen besuchen wollten, ging es zuerst an den Fanshop des kleineren America Mineiro, um die Eintrittskarten zu erwerben.

Dort angekommen, eröffnete man uns, dass der Ticketverkauf ausschließlich an Mitglieder erfolgt, was verhindern soll, dass der viel größere Stadtrivale Atlético Mineiro das heimische Stadion füllt und man stimmungstechnisch trotz Heimvorteil im Hintertreffen ist. Erstmal eine logische Erklärung, wenn auch für uns wenig hilfreich. Der Verkäufer hatte aber noch einen Plan B für uns auf Reserve: Zwar dürfe er uns keine Tickets verkaufen, allerdings könnte er uns jedem ein Ticket schenken, wenn wir im Gegenzug jeweils ein Trikot im Fanshop erwerben würden. Da der Sonderpreis für ein Trikot nur marginal über dem Preis für ein Ticket lag, war dies ein fairer, wenn auch nicht ganz logischer Deal und wir stimmten ein.

Den Rest des Tages ließen wir im Mercado Novo ausklingen, einer alten Markthalle, welche sich direkt im Zentrum von Belo Horizonte befindet und in der sich zwar kein Markt mehr, allerdings aber allerlei Bars, Restaurants und kultige Geschäfte befinden. Dass dieser Ort eine sehr gesellige und angenehme Atmosphäre ausstrahlte, stellten wir recht schnell fest - allerdings ahnten wir noch nicht, dass sich ein großer Teil unseres Aufenthaltes in und um diesen Ort abspielen sollte.

Mercado Novo

Am nächsten Tag ausgeschlafen, ein wenig durch das Stadtzentrum spaziert und anschließend etwas gegessen bevor es zum Spiel der beiden Stadtrivalen gehen sollte. Vor dem Stadion fand sich eine kleine Gruppe der heimischen aktiven Fans ein und wir lauschten den Klängen der Trommeln, Pauken und Gesängen, bevor es ins Stadion ging.

Fans von América FC vor dem Spiel

Ein recht einzigartiges Stadion, sympathischer Club und sehr familiäre Atmosphäre. Leider kassierte man in der Nachspielzeit unglücklich den Ausgleich und so konnte man sich voll und ganz an dem wundervollen Ausblick über die Randgebiete von Belo Horizonte erfreuen.

Nach dem Spiel noch ein paar Bierchen gezischt, ins Bett und am nächsten Tag ein ähnliches Zeremoniell: Ausschlafen, ausgiebiger Stadtspaziergang und anschließend in die Markthalle.

Man muss wirklich sagen, dass dies ein besonderer Ort war und wir uns hier sehr wohl fühlten. 2 Etagen industrieller Charme, reichlich Streetart und kleine aber feine Restaurants. Dazu an jeder Ecke eine Bar mit reichlich Auswahl an lokalen Craftbieren vom Fass. Wenn man sowas mag, ein Paradies und offensichtlich haben wir 3 ähnliche Vorstellungen vom Paradies. ;)

Saúde!

Sicherlich hätten wir uns in Belo Horizonte noch mehr anschauen können allerdings ist es gar nicht schlecht, dass man so manchmal die Qualität der Quantität vorzieht und so hatten wir in diesem spannendem Ambiente und zwischen sehr angenehmen Menschen eine sehr schöne Zeit voller interessanter und guter Gespräche und das ist im Endeffekt so viel mehr wert als sich jeden Winkel einer Stadt anzuschauen.

Glücklich, zufrieden und mit jeder Menge persönlicher Inspiration im Gepäck verließen wir am nächsten Tag Belo Horizonte.

Die Rückfahrt verlief durch den diesmal ausbleibenden Regen recht entspannt und wir erreichten gegen Abend wieder Rio de Janeiro.

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