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San Pedro de Atacama

Veröffentlicht: 06.08.2024

Nachdem ich den Absprung aus Santiago endlich geschafft hatte, sollte es weiter in Richtung Norden gehen. Und zwar ganze 1.600 km. San Pedro de Atacama sollte das Ziel heißen. Ein kleiner Ort, in Mitten der gleichnamigen Wüste, einer der trockensten Orte und die trockenste Wüste der Erde. Endlos lange Stunden fuhr der Bus an der Pazifikküste entlang, schöne Ausblicke inklusive, bevor es dann in der Dunkelheit weniger spektakulär wurde und wir am frühen Morgen die Küstenstadt Antofagasta erreichten. So richtig viel zu sehen gibt es hier nicht: der schöne Plaza Colon, ein paar Fischer, die durch die Planken auf der Seebrücke hindurch irgendwelche Flundern fangen und eine Rotte Seebären waren allerdings genug Programm, um sich kurzweilig den Tag zu vertreiben, bevor es am späten Nachmittag weiter nach Calama und schließlich nach San Pedro gehen sollte. Während die Strecke bis Antofagasta landschaftlich nicht Neues eröffnete, zeigte die Passage nach Calama dann erstmal Einblicke in die karge Vegetation des Hochplateaus auf dem sich die Atacama-Wüste befindet. Allmählich geht es stetig bergauf, vorbei an kahlen Gipfeln und umgeben von Sand, Stein und Staub. Ziemlich interessant anzusehen, und vor allem ein ganz anderer Anblick als alle Landschaften zuvor auf meiner Reise. In San Pedro angekommen, verschafften Colin und ich uns erstmal einen Überblick. Wenn man eine gefühlte Ewigkeit in dieser Riesenstadt Santiago verbracht hat, muss man sich erstmal an den beschaulichen und idyllischen Kleinstadtcharme gewöhnen, den dieses Kaff in der Wüste ausstrahlt. Keine Hektik, keine Menschenmassen, kein chaotischer Straßenverkehr und vor allem kein Regen. Das scheint auf jeden Fall ein ordentliches Upgrade zum letzten Spot – zufrieden genehmigten wir uns nach Ankunft zum Tagesausklang 2 Bierchen und gingen voller Vorfreude auf die nächsten Tage ins Bett.

San Pedro de Atacama

Die ersten 2 Tage machten wir erstmal überhaupt nix, gewöhnten uns an die neue Umgebung, genossen die sommerlichen Temperaturen am Tage, lümmelten am Pool ab, schlossen allerlei Bekanntschaften im echt gemütlichen Aji-Verde-Hostel und labten uns allabendlich am hauseigenen Parrilla mit allerlei Grillspezialitäten. Die Stadt wirkt nach ersten Begehungen wie vermutet sehr entspannt und chillig, die Kulissen im Hintergrund mit den Vulkanen Licancabur (5.920 m) und Cerro Toco (5.604 m) wirken total surreal und faszinierend und man fühlt sich wie am Set eines Westernfilmes. Super spannend auf jeden Fall und eine Einladung für eine Vielzahl an Aktivitäten im Umland der Stadt, die in den nächsten Tagen auf dem Programm stehen sollten.

Licancabur

Der erste Ausflug sollte zum sogenannten Devils Throat gehen, einem Aussichtspunkt in Mitten einer bizarren Gesteinsformation, nähere Infos hatten wir auch nicht. Nur, dass wir uns im Hostel Fahrräder ausleihen und auf Lina, die lustige Managerin des Aji Verde, warten sollten. Zum Nachmittag ging es in kleiner Gruppe dann mit den Fahrrädern los in Richtung Wüste. Zum ersten Mal spürte man auch, dass man sich nicht mehr auf Meeresspiegelniveau sondern auf knapp 2.700 m über Normalnull bewegte. Gerade als es von der befestigten Straße querfeldein in die Wüste ging, musste man sich ordentlich ins Zeug legen, um den Drahtesel durch die Landschaft zu manövrieren. Nach ein paar Minuten über Gestein wurde es wild und es ging ordentlich bergauf. Nicht, dass das zu Fuß schon anstrengend genug sei, mussten nun auch die Räder den Berg hinauf geschoben werden. Bergsteigen mit Fahrrad sozusagen, hatte ich vorher auch noch nicht gemacht. Anstrengend aber auch lustig, vor allem das Fluchen von Nim, einer Australierin, die mit im Hostel verweilte, machte die ganze Nummer zu einer echt witzigen Angelegenheit. Nachdem wir den Gipfel überschritten hatten, zeigte uns Lina etwas versteckt einige Felsmalereien. Diverse Wildtiere, Sonnengottheiten und andere Lebewesen wurden hier im Gestein verewigt. Angeblich sollen die Malereien 2000 – 3000 Jahr alt sein. Etwas konkretes gefunden dazu habe ich in den Weiten des Internets nicht also wollen wir Lina hier mal Glauben schenken auch wenn wir uns in der Gruppe kurzzeitig darüber machten, ob sich nicht kurz vorher eine Gruppe Schulkinder mit dem Schraubendreher einen Spaß erlaubt hat. Auf jeden Fall sahen die Malereien interessant aus und ich habe sowas bisher vorher auch noch nicht gesehen. Weiter ging es dann mit den Rädern bis wir kurz vor Sonnenuntergang einen Aussichtspunkt erreichten und von da auch das gesamte Tal überblicken konnten. Schon eine absolut beeindruckende Aussicht. Die Gesteinsformation im Tal und den Licancabur im Hintergrund erinnert das Ganze doch eher an eine Landschaft auf dem Mars als an irgendeinen irdischen Canyon. Zudem lag eine idyllische Ruhe in der Luft und ich genoss diesen surrealen Anblick für einige Minuten bevor es weiter ging. Schließlich wurde es langsam dunkel und wir sollten den kompletten Canyon noch mit dem Fahrrad durchfahren. Also Kopflampe an und los ging der wilde Ritt. Was für eine geniale Landschaft sich links und rechts auftat, während wir durch die Schlucht rollten. Im Halbdunkel fast schon etwas mystisch und man musste ordentlich aufpassen, dass man sich nicht irgendwo den Kopf aufschlug. Teilweise ragen die Felsformationen bis auf wenige Meter über dem Boden in den Fahrweg hinein und auch kleine Höhlen und Felsbögen wurden durchfahren. Schade, dass es am Ende dann schon fast komplett dunkel war, so dass man von der schönen Landschaft nicht mehr viel sah, trotzdem ein absolut beeindruckendes Erlebnis, mit dem Fahrrad durch diese bizarre Szenerie zu düsen. Kurz vor dem Erreichen der Stadtgrenzen hielten wir kurz an und erstaunten uns am Nachthimmel. Da wir uns hier nicht nur an einem der trockensten Orte der Erde befinden sondern auch an einem der Orte mit der geringsten Lichtverschmutzung, kann man hier mit bloßem Auge die Strukturen der Milchstraße sehen. So gleicht der Blick nach oben einem einzigen Staunen und man kann nur grob erahnen, wieviele Sterne sich da gerade über einem am Himmelszelt zeigen. Absolut beeindruckend, wie so ein Nachthimmel doch so aussehen kann.

Am nächsten Tag dann nochmal dasselbe Spiel: Ab aufs Rad und raus in die karge Steinlandschaft mit wieder unbekanntem Ziel. Da sich Lina allerdings als hervorragende Reiseleiterin entpuppte, vertrauten wir ihr blind und fanden uns alsbald erneut in unwegsamen Gelände wieder. Gleiches Geläuf - anderer Ort sozusagen. Chulacao Caves heißt der Ort. Ein ganzes Höhlensystem in unmittelbarer Nähe zu San Pedro. Die Fahrräder wurden irgendwann zwischen den Felsen verstaut und es ging zu Fuß weiter. Erst wieder ein ganzes Stück bergauf, bevor wir uns vor einem riesigen Eingang im Gestein befanden und es diesmal also in eine Art Höhlensystem hinab gehen sollte. Spannend und faszinierend zugleich, nach dem Abstieg befand man sich auf einer Art Pfad im inneren der Höhle und wir bahnten uns unseren Weg durch stockfinstere und teils nur gebückt begehbare Gänge. Dazwischen immer wieder Klettereinlagen hinauf und hinab, man musste schon ziemlich aufpassen, dass man hier nirgends mit irgend einem Körperteil am Fels hängen bleibt. Leider hatten nicht alle in unserer Gruppe die letzte Konzentration und das Glück bei dem doch recht anspruchsvollen Geläuf und Chao, ein Taiwanese, der bereits am Vortag mit uns unterwegs war, verstauchte sich den Knöchel. Da wir uns in Mitten des Höhlensystems befanden, war es doch eine größere Herausforderung, den Kollegen unter Schmerzen wieder ans Tageslicht zu bugsieren, was aber schlussendlich doch unter Mithilfe des gesamten Kollektives gelang. Mittlerweile war es auch bereits stockdunkel und der angekündigte Sonnenuntergang von einem weiteren Aussichtspunkt wurde leider auf Grund des Malheurs verpasst. Naja, halb so schlimm, glücklicherweise ist dem Kollegen nicht Schlimmeres passiert und nachdem wir gemeinsam wieder bei den Fahrrädern angekommen waren, stellte sich der Rest des Weges als recht unkompliziert heraus, denn der Versehrte konnte mit uns gemeinsam den Weg zurück in den Ort fast komplett bergab rollend bestreiten. Also nochmal alles gut gegangen und am Tagesende konnte man wieder vollzählig und nur mit kleineren Blessuren zum Barbecue im Hostel übergehen. Chao legte die nächsten Tage zwar noch humpelnd zurück allerdings sollte sich die Beinverletzung glücklicherweise als nicht schwerwiegend herausstellen.

Für die weiteren Tage fuhren wir mit dem Bus zurück nach Calama und liehen uns ein Auto aus. Wir, das sind Colin, Nim und ich – denn für den unschlagbaren Preis von 35 USD pro Tag schien uns dies die beste Option, um die umliegenden landschaftlichen Sehenswürdigkeiten völlig frei und ohne Guide und Zeitbindung erkunden zu können. Zwar gab es bei den Ausfahrten immer ein grobes Ziel, welches wir ansteuern wollten. Das klappte allerdings fast nie, denn auf dem Weg dahin gab es soviel verschiedene Landschaftsformationen zu sehen, dass wir ständig irgendwo anhielten und der gern genutzte Spruch „der Weg ist das Ziel“ doch hier wie die Faust aufs Auge passte. Irgendwo in Sichtweite tauchte plötzlich immer irgendein Canyon, ein Monument, ein Berg oder einfach nur eine faszinierend anzuschauende Landschaft auf und wir vergaßen uns völlig darin, uns all das in unserem Umkreis liegende näher anzusehen. Irgendwann folgten wir auch überhaupt nicht mehr irgendeinem groben Plan sondern fuhren einfach nur wild in der Gegend herum, von einer Naturschönheit zur nächsten. Denn auch wenn der landschaftliche Raum hier auf dem ersten Blick doch recht homogen erscheint, so gestaltet sich dies doch im Detail recht abwechslungsreich und man entdeckt ständig irgend eine neue unbekannte Formation oder ein neues Detail, was einen in den Bann zieht. Wie genau die ganzen Aussichtspunkte, Nationalparks oder Berge beziehungsweise Formationen auf unserer Tour hießen, kann ich nicht einmal genau sagen bzw. müsste ich dazu nochmal genauer recherchieren auf jeden Fall gestalteten sich die Tage unfassbar interessant und das ganze hatte tatsächlich einen recht hohen Wild-West-Faktor. Valle de la Muerte (Tal des Todes), Valle de la Luna (Mondtal) oder Valle de Arcoiris (Regenbogental), es gibt hier in der Umgebung dieses Wüstenortes so wahnsinnig viel zu entdecken und die Namensgebung der einzelnen Sehenswürdigkeiten sind sehr treffend, die Landschaft ähnelt doch teilweise sehr der von Mars und Mond oder die Berge strahlen in der Sonne in allen Farben des Regenbogens. Viel anschaulicher als in Text kann man dies wahrscheinlich eher in Bildern veranschaulichen und so werde ich dazu gar nicht mehr so viel schreiben sondern auf die angefügten Fotos verweisen. :)

Valle del Arcoiris

Zurück in der Oasensiedlung San Pedro de Atacama kann man sich nach den ganzen Eindrücken wunderbar bei Bier und Empanadas von der staubigen Landschaft erholen, obwohl man schon auch im Ort einen ungefähren Eindruck davon bekommt, wie trocken die Umgebung und auch die Luft hier ist. In einigen der umliegenden Gegenden hat es seit teilweise 30 Jahren nicht geregnet. Ansiedlungen sind nur in Nähe von Wasserläufen möglich und man fragt sich teilweise schon,wie die ganze touristische Infrastruktur hier in der kargen Landschaft so aufrecht erhalten werden kann. Längere Wasser- und vor allem Stromausfälle sind hier keine Seltenheit und kamen auch während meines Aufenthaltes mehrfach vor. Dennoch hat der Ort alle Vorzüge, die man so in einer menschlichen Ansiedlung vorfindet und irgendwie wirkt das Leben auch recht normal in dieser eigentlich so menschenfeindlichen Umgebung.

In San Pedro befindet sich außerdem eine der ältesten Kirchen Chiles und das Dach ist komplett mit getrockneten Kaktusstämmen gedeckt. Die Iglesia San Pedro de Atacama wurde bereits im 17. Jahrhundert gebaut und bildet mit dem anliegenden Plaza de San Pedro das Herz und Zentrum des kleinen Ortes.

Iglesia San Pedro mit Kaktusdach

Bevor es nach einer Woche in der Wüste weiter nach Bolivien gehen sollte (rechtzeitig zum gescheiterten Militärputsch – gutes Timing ist alles) wollten wir uns nochmal den Nachthimmel genauer unter die Lupe nehmen. Star-Gazing war angesagt und wir trafen uns mit 2 der Sternenspezialisten um kurz vor 20 Uhr um auf eine Ranch mitten in der Wüste zu fahren. Bei Glühwein und Gebäck (ja es wird Nachts bitterkalt in der Wüste) gab es eine kurze Einweisung und dann nahmen wir auf ein paar provisorisch zusammengeschusterten Bänken platz während sich über uns das Sternenzelt wie eine überdimensionale Leinwand aufspannte. Wow – was für eine Kulisse und während man beim Anblick der ganzen Szenerie den Mund nicht mehr zu bekam, schritt René mit einer ordentlichen Portion Humor und einem Laser bewaffnet ins Bild und erklärte uns fast 2 Stunden lang alle möglichen Sternbilder, Formationen, Nebel, Galaxien und so weiter und so fort. Alter, Entstehung, Besonderheiten, eine unfassbare Fülle an Informationen wurde hier ausgebreitet, während man vom Starren gen Himmel irgendwann einen steifen Hals bekam. Wir hatten das Glück, dass während der „Vorstellung“ eine riesige Sternschnuppe mit einem Schweif, der mehrere Sekunden zu sehen war, durch das Bild flimmerte und es wirkte kurz so als ob das alles ein Teil dieser Aufführung war. Absolut beeindruckend. Zum Ende der Vorführung durften wir noch durch 4 recht große Teleskope etwas weiter ins All schauen und es gab neben diversen Sternformationen auch einen Nebel und die sogenannte Wiege der Sterne zu bestaunen. Alles in allem absolut gigantisch, was der Nachthimmel so alles kann, wenn man sich etwas abseits der von Menschen geschaffenen Ansiedlungen bewegt. Übrigens befindet sich direkt vor der Haustür von San Pedro die höchste Sternwarte der Welt. Wenn man den Ort verlässt kann man auf dem Gipfel des 5.640 m hohen Chajnantor das Tokyo Atacama Obervatory sehen. Aus der Ferne betrachtet sieht man ein kleines weißes Gebäude, von welchem aus sich wohl noch ganz andere und sehr gewaltige Eindrücke vom Nachthimmel ergeben. Für den Besucher leider nicht zugänglich bleibt dieser Einblick der Wissenschaft vorbehalten, ab und an bekommt man aber auch als Laie eine dieser beeindruckenden Aufnahmen digital zu Gesicht.

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