Veröffentlicht: 16.10.2017
Das Piringebirge sollte geplanter Weise unser Highlight im bulgarischen Inland werden. Und wahrlich, das wurde es auch. Wir erreichten es über eine serpentinenreiche Strecke vorbei an zahlreichen kleinen Honig- und Käseverkaufsständen am Straßenrand. Auf einem "größeren Mark" hielten wir dann doch mal an, um einen genaueren Einblick in die Spezialitäten zu bekommen und wurden von den verkaufswütigen Omas mit allerlei Honigprobierlöffelchen und abgeschnittenen Käsestücken vollgestopft. Ein "nein danke, bitte nicht mehr" war hier durch sprachliche und gewinnorientierte Barrieren schwer zu vermitteln. Nach einer Runde Streunerwelpenstreicheln und mit dem einen oder anderen neuen Honigglas im Kofferraum, konnten wir unsere Fahrt fortsetzen und erreichten das Bergstädtchen Bansko. Hier war der Herbst, wenn nicht sogar der Frühwinter schon in voller Kraft und veranlasste uns, nach einer kleinen Innenstadtbesichtigung und Recherche über Wandermöglichkeiten, doch lieber ein beheiztes Quartier aufzusuchen. Annes vorzügliche Recherchekünste fanden bald für uns eine moderne und sehr gemütliche Ferienwohnung mit Bad und Küche zum unvorstellbaren Spottpreis. Kochend und lange duschend wärmten wir uns hier auf und planten die Wanderrouten für die nächsten Tage.
Zunächst wollten wir am nächsten Morgen mit der Besteigung des Wichren/Vihren (2914m) und damit dem höchsten Berg im Piringebirge beginnen. Eine ursprünglich geplante Mehrtageswanderung war aufgrund der Witterung und der beendeten Saison leider nicht mehr möglich. So fuhren wir uns selber auf rund 1700m Höhe und folgten von hier aus dem stetigen Aufstieg zum Gipfel. Massive Nebelwände, Totenstille und eine unerwartete Kälte (3°C beim Start - Whaaat?) begleiteten uns auf der fast menschenleeren Strecke, bis wir letztlich tatsächlich von Eiszapfen und Schneefeldern umgeben waren. Eine herrliche Kulisse. Unser eigenes Echo hörend folgten wir den bunten Wegemarkierungen, welche zwischenzeitlich unseren einzigen Ausblick darstellten. Mit zunehmender Nebeldichte, Kälte und Schneemenge wuchs auch der Anstieg und bald fing unser Lauftempo an zu stocken. Der Weg war zugeschneit und nur die teilweise noch unbedeckten Kletterketten und einige Schneeabdrücke von Wanderern der Vortage verrieten uns, wo es in etwa langgehen musste. Unsere Schritte fassten bald keinen Boden mehr sondern versuchten nur noch im harschen Schnee einen Halt an der steiler werdenen Wand zu finden. Hier bitte bloß nicht abrutschen oder irgendwie das Gleichgewicht verlieren! Gar nicht so einfach, während die sich an den Ketten festkrallenden Hände langsam einfrieren. Der Nebel bot keinen Blick zum Gipfel und die Ungewissheit über die Sicherheit unseres Unterfangens stieg bald bedrohlich an. Was wollten wir hier eigentlich noch bzw. was würde uns am Gipfel, wenn wir ihn denn erreichten, erwarten? Sicher nicht der eine große Windstoß, der den Nebel schnell beiseite bläst und uns ein atemberaubendes Postkartenpanorama beschert. Nur noch 200m bis zum Gipfel sagt das Navi. Eine halbe Stadionrunde und die drei Stunden Aufstieg hätten ihr geplantes Ende gefunden. Aber hier ist kein sicheres Weiterkommen mehr. Und die gleiche Strecke erstmal wieder zurück zu klettern wird ebenfalls noch Kraft und Nerven kosten. Also getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel, an dieser Stelle umkehren und lieber noch Weg als kein Ziel mehr zu haben. Dennoch sehr schade!
Vor dem Rückweg unter die ersehnte heiße Dusche betrachteten wir noch den wohl ältesten und hier nahegelegenen Baum Bulgariens. Mit wohl 1300 Jahren Alter, 26m Höhe und 7,8m Umfang eine einschüchternde Begegnung.