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Von Märkten, Kirchen und dicken Ästen

Veröffentlicht: 25.02.2024

29. Tag: Heute ist Sonntag. Wir gehen in die Kirche Santa Eulalia. Dort soll heute ein ganz besonderer Gottesdienst sein. Es singt der Choro Sta. Cecilia südamerikanische Lieder. Icke hat sich darauf riesig gefreut. Darum ging sie schon zwei Stunden vorher zu der Kirche, auf deren dazugehörigen Parkplatz wir die Nacht mit unserem Wohnmobil gestanden haben. Denn der Platz füllte sich von Minute zu Minute mehr. „Ich schaue mal, was da los ist und komme dich rechtzeitig abholen“, sagte mein Schatz und verschwand.

Ich wartete eine Stunde, eineinhalb und wurde langsam unruhig. Es wird doch nichts passiert sein? Ich machte mich auf den Weg. Mir kamen Leute mit Plastiktüten, Brot, Wurst und Körben entgegen. Aus der Kirche? Ich hatte ein seltsames Gefühl und das wurde mit jedem Meter stärker, den ich mich meinem Ziel näherte. Tatsächlich: Vor der Kirche war ein Markt aufgebaut mit regionalen Spezialitäten und handwerklichen Prunkstücken. Ich ging nicht in die Kirche, um Icke zu suchen …

Kurz vor dem Gottesdienst – ich musste wegen der vielen Plastiktüten zweimal zum Auto gehen – schaffte ich es noch in die Kirche, wo mir Icke einen Platz freigehalten hatte. Es war eine außergewöhnliche Messe: Die Kirche war rappelvoll. Wer zu spät kam, fand nicht einmal mehr einen Stehplatz. Der Chor war spitze, die Lieder beschwingt und voller Kraft. Überall, wo man hinsah, konnte man lachende Gesichter sehen. Die Stimmung war nicht sentimental aber heilig, nicht gezwungen, sondern lebendig, fast temperamentvoll. Nach fast jedem Lied gab es spontanen Applaus – auch vom Pfarrer. Und nach dem Gottesdienst blieben die Menschen in der Kirche, standen Freunde zusammen, Familien und quatschten und lachten. Was für ein Erlebnis. Icke war so gerührt, dass zwischendurch Tränen flossen. „Ich werde diesen Gottesdienst nie vergessen“, sagte sie auf dem Rückweg zum Wohnmobil.

Nach Kaffee und Kuchen machten wir uns die 80 Kilometer auf den Weg nach San Pedro del Pinatar, das am Meer liegt. Aber das ist nicht der Grund für unsere Anreise. Hier gibt es große Salzseen, auf denen regelmäßig Flamingos zu beobachten sind, und ein paar davon hat Icke für morgen zum Fotoshooting eingeladen. Wir parken in einer Nebenstraße zwischen ein paar kurz geschnittenen, kleinen Bäumen am Straßenrand. Ich wollte ziemlich weit an den Bürgersteig ranfahren, weshalb Icke ausstieg, um mich zu leiten. Plötzlich schrie sie: „Halt!“ Ich trat auf die Bremse – eine Sekunde zu spät. Ich touchierte mit meiner Markise einen großen dicken Ast. Ich konnte nicht mehr vor und nicht mehr zurück. Egal, in welcher Richtung ich fuhr, der Ast drohte, meine Markise einzudrücken.

Was tun? Der Baum ließ sich nicht bewegen, genauso wenig wie mein Wohnmobil sich von dem Ast wegschieben ließ. Ich probierte alles! Ich musste dem Ast zu Leibe rücken. Am Ende wackelte ich auf einem faltbaren Klappstuhl – ich hatte nichts anderes zum Draufstehen – mit einem Brotmesser in der Hand – ich habe keine Säge mit (ja, Ricci, ich weiß …) – und schnitt und schnitt und schnitt, um einen kleinen Freiraum zum Manövrieren zu gewinnen. Den dicken Ast hätte ich mit einer Motorsäge nicht abbekommen. Als ich nach 30 Minuten erschöpft vom Hocker kippte, fing mich der Applaus von einem Dutzend Spanier auf, die meinen Kampf begeistert verfolgt hatten. Vielleicht waren es auch nur zwei – eine dermaßen große Anstrengung soll manchmal das Wahrnehmungsvermögen beeinträchtigen können … 

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