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Denn Leben ist nicht nur das, was du siehst sondern auch das, was sieht (Käpt'n Peng)

Veröffentlicht: 03.01.2018

Die letzten drei Wochen vor Beginn der Indienreise waren irgendwie voller Abschiede: vom Job, der ab April ein anderer sein wird, damit auch von tollen Kollegen, die es mir nicht so leicht gemacht haben; von lieben Menschen in Hamburg, Berlin und dem Eichsfeld. Nachdem ich mich in den letzten anderthalb Jahren quasi täglich auf die nächsten drei Monate gefreut habe war ich nun doch überrascht darüber, wieviel Melancholie plötzlich in der Luft schwebte. Viele der lieben Menschen sehe ich sonst auch nicht häufiger als einmal im Vierteljahr, wenn überhaupt aber wir waren uns alle einig, dass es diesmal irgendwie anders ist.

Auf jeden Fall habe ich mir überlegt, euch ein wenig hier auf dem Laufenden zu halten. Mal sehen ob und wie regelmäßig ich es schaffe, euch mit Infos und Bildern zu versorgen.

Gleich geht's los...

Im Moment ist es in Indien 06:47 Uhr, bei euch in Deutschland 02:17 Uhr; ich sitze auf meiner Schlafliege im Nachtzug und warte darauf, dass es draußen hell wird, damit ich endlich etwas von der Landschaft sehe. Nachdem wir die ersten drei Tage der Reise in Mumbai verbracht haben, sind wir nun auf dem Weg nach Goa.

Vor Mumbai hatte ich extremen Respekt – so riesige Städte überfordern mich oft und im Vorfeld hatte ich in Reiseführern und -blogs einiges gelesen, das meine Vorbehalte nicht unbedingt gemindert hat. Aber es ist ja immer gut, sich selber einen Eindruck zu verschaffen und ich kann nun sagen,dass ich positiv überrascht wurde. Am Flughafen hat schon mal alles super funktioniert, auch das Gepäck war mit uns gelandet - das hab ich auch schon anders erlebt. Da die Ankunftszeit um 0:45 Uhr etwas unglücklich war und Smit, unser Air BnB Host uns erst ab 10:30 Uhr in die Wohnung lassen konnte, haben wir uns einfach mit Chai, Samosas und Lesen die Zeit am Flughafen vertrieben. Irgendwann sind wir dann mit nem Prepaid Taxi in den Stadtteil Bandra West, einen nordwestlichen, eher wohlhabenderen Stadtteil, gefahren. Bis wir die richtige Straße und das Haus mit Smits Wohnung gefunden haben hat es etwas gedauert, da Straßennamen irgendwie nicht so bekannt sind und der Fahrer auch keinen der Orte in der Nähe kannte, die ich ihm nennen konnte; hat dann aber mit Hilfe von freundlichen Menschen auf der Straße und einem Bild vom Haus auf meinem Handy gut geklappt. Als wir ankamen hat uns Smit mit 'nem tierischem Hangover die Tür geöffnet und wir waren uns alle schnell einig, dass es eine gute Idee ist, erstmal ein paar Stunden zu schlafen. Vorher hat er noch kurz irgendwas von seinem Balkon auf die Straße gerufen, woraufhin 5 Minuten später ein Mann mit einem Tablett und drei Chai Tee vor er Tür stand – genial.

Street Art in Bandra West

Den Rest des Tages haben wir also gechillt und dann zu Fuß noch ein wenig die Gegend erkundet und Masala Dosa (eine Art Crepe aus Reisteig gefüllt mit einer sehr lecker gewürzten Kartoffelmasse) gegessen. 

Für den ersten richtigen Tag in Mumbai und den letzten Tag des Jahres 2017 hatte ich für vormittags eine Führung durch den Dharavi Slum – den 2.größten Slum Asiens – reserviert. Man kann sicher darüber diskutieren ob das ok ist, mit Touristengruppen durch einen Slum zu laufen. Der Touranbieter „Reality Tours and Travel“ hat mehrere Auszeichnungen für sozialverträglichen Tourismus bekommen und scheint sich auch seiner Verantwortung bewusst zu sein. 80% der Gewinne fließen zurück in den Slum, es gibt Bildungs- und Sportangebote, sowie Gesundheitsprogramme. Außerdem gibt es Regeln für die teilnehmenden Touristen, unter anderem angemessene Kleidung und ein Fotoverbot nach Betreten von Dharavi.

Ein Foto vor Betreten von Dharavi war erlaubt


Die Führung war absolut interessant und beeindruckend; Dharavi ist ein besonderer Slum, da er aus zwei Teilen besteht: dem "Commercial Part" mit Geschäften, Restaurants, Friseurläden und vor allem einer riesigen Recycling Industrie – in Dharavi werden jährlich 665 Millionen Dollar umgesetzt. Die Lebenserwartung der Arbeiter hier ist nicht sehr hoch, sie werden im Schnitt 55 Jahre alt, wie unser Guide Janna uns erklärt. Es riecht überall nach Farbe und Chemikalien, niemand trägt einen Mundschutz, mir fiel das Atmen zum Teil schon sehr schwer. Die Männer arbeiten dort täglich und machen aus allen möglichen Plastikgegenständen winzig kleine Teilchen, die dann zur Weiterverarbeitung z.B. an die Textilindustrie verkauft werden. Außerdem gibt es mehrere Schulen, Moscheen, Kirchen und Hindu Tempel.

Der andere Teil von Dharavi ist der "Residential Part" in dem die Menschen wohnen. Zu meiner Überraschung sind das nicht nur sehr arme Menschen, sondern auch viele aus der Mittelschicht, so berichtet es Janna. Sie leben zum Teil über mehrere Generationen in Dharavi und schätzen den Zusammenhalt in der Community, der hier herrscht. Ein kurzer Gang durch die unvorstellbar engen und dunklen Gassen ermöglicht den ein oder anderen Blick in die Wohnverhältnisse. Ganze Familien leben in einem etwa 10qm kleinen Raum, der für sie gleichzeitig Schlafzimmer, Wohnraum und Küche ist. Ein großes Problem ist die Sanitärsituation in Dharavi; es gibt nicht annährend genug Toiletten für die 1 Millionen Bewohner des Slums. Die Zukunft Dharavis steht in den Sternen, der Slum liegt mitten in der Stadt und ist somit eine Goldmine für Immobilieninvestoren.

Achja, es war ja auch Silvester: Unser Gastgeber Smit, der gleichzeitig noch ein Guesthouse führt und many other Buisnesses am Laufen hat, um seine Reisen zu finanzieren, hatte uns schon bei der Ankunft zu seiner Silvesterparty eingeladen. Das war dann ein krasser Gegensatz zum Vormittagsprogramm, hat sich aber auch total gelohnt. In Mumbai gibt es angeblich die besten Partys Indiens und das war sicher eine davon. Gleich am zweiten Abend nach Ankunft so viele unterschiedliche und nette Menschen zu treffen war ziemlich großartig und auch ein bisschen verrückt. Ganz besonders dann die nächtliche Fahrt im Auto (zur "After Party")  mit einem Fahrer, der offensichtlich das erste mal hinterm Steuer saß aber der einzige nüchterne Mensch weit und breit war und mit zwei extrem frisch verliebten Päarchen – eins auf dem Beifahrersitz, eins auf der Rückbank, wo wir somit zu viert saßen. Es war dunkel und es gab vorher ziemlich viel Alkohol, sodass der Frau neben mir wahrscheinlich nicht aufgefallen ist, dass sie dauernd meinen Arm statt den ihres Freundes gestreichelt hat – vielleicht war es ihr aber auch egal. :-) Da die "After Party"  etwa 15 Minuten nach unserem Eintreffen durch den vorher schlafenden Wohnungsbesitzer beendet wurde, sind wir um 5 noch mit einer Gruppe anderer Traveller und Kumpels von Smit durch die Straßen von Bandra West gestreift und auf dem Innenhof einer Kirche auf einige junge Inder mit 'ner Gitarre gestoßen, die das neue Jahr mit Songs von Oasis und den Beatles begrüßt haben. Auch das war irgendwie verrückt und ich hatte ein Gefühl von „die Welt ist doch irgendwie manchmal klein“.

Auf jeden Fall eine der Silvesternächte, die ich wohl eher nicht vergessen werde.

Diese Krippen gab es überall in Bandra West


Ich war Smit echt dankbar, als er bei unserer Ankunft zu Hause, morgens um 6:30 Uhr meinte, dass er am 1.Januar keine neuen Gäste bekommt und wir einfach noch den Tag über ausschlafen können bevor wir um 23 Uhr abends erst in den Zug steigen. Auch das hat übrigens perfekt geklappt und ich war auf so einiges vorbereitet – von Zügen mit 7 Stunden Verspätung bis zum Gleiswechsel, der nicht angezeigt wird, weswegen man dann den Zug verpasst, hatte ich schon alles gehört. Aber nichts dergleichen ist passiert. Wir waren sehr rechtzeitig am riesigen und wirklich beeindruckend schönen Chhatrapati Shivaji Bahnhof (früher Victoria Terminus), den die Engländer 1888 noch gebaut haben. Ich hätte einfach stundenlang die Menschen in den Wartehallen und auf den Bahnsteigen beobachten können, ein riesiges Gewusel und trotzdem habe ich es viel weniger stressig wahrgenommen als z.B. am Hamburger Hauptbahnhof. Ich glaube das Zauberwort ist mal wieder Gelassenheit. 

Warteschlange am Ticketschalter


Inzwischen sind wir in Agonda Beach (Goa) angekommen und hier muss man sich schon ziemlich anstrengen, um das mit der Gelassenheit nicht hinzukriegen. ;-) Bis 9. Januar gibt es jetzt jeden Tag Sonne, Strand, Palmen und Meer. Das Meer ist hier wirklich traumhaft, so schön kenne ich das auch nicht aus Südostasien - es gibt hier sogar richtige Wellen! Wir freuen uns, dass wir die Zeit hier gemeinsam mit unseren Freunden Ulrike, Udo und ihrem Sohn Iven verbringen können.

die wahren Strandbesitzer

aber sie teilen den Platz mit uns

Ich werde mich jetzt wieder meinem Buch "Der Gott der kleinen Dinge" widmen - darin stehen schon auf den ersten 100 Seiten so viele Weisheiten. Vielen Dank dafür. ;-)

Viele Grüße und bis bald.

Antworten (1)

Evelyn
Hey meine Liebe, das liest sich wunderbar! Und klingt nach einer supertollen Zeit...