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Tag 76 - Geduldsfaden

Veröffentlicht: 19.01.2018

Der ältere Herr auf dem ersten Foto sitzt jeden Tag an dieser Strassenecke. Ich komme hier vorbei, wenn ich mit meinem rosa Rad zum Projekt fahre. Er verkauft so in Fett gebackene Teigdinger, die eine Quark- oder Käsefüllung haben und dann noch in Zucker gewälzt werden. Es gibt zwei Sorten. Der gute Mann hat nur noch zwei oder drei Zähne und hört sehr schlecht. Ich halte hier öfter mal an und kaufe etwas. Unsere Dialoge laufen immer gleich ab:

Bevor ich überhaupt sagen kann, was ich möchte, fragt er:„Zwei?“ - „Nein, ich hätte gern nur einen von diesen hier.“ - „Zwei?“. Dann zeige ich es mit den Fingern und er sagt:„ Sechs!“, womit er meint, dass es 6 Cordobas kostet. Dann wünscht er mir noch einen genuschelten schönen Tag und ich ziehe weiter. Heute habe ich ihn gefragt, ob ich ein Foto machen darf. Er hat sich ein wenig ordentlicher hingesetzt und eine ganz ernste Miene gemacht. Morgen kaufe ich mal zwei, mal sehen, was passiert.


Die Klasse, die Luis von Gloria übernommen hat, ist deutlich undisziplinierter als die anderen Klassen von ihm. Ich arbeite immer mit der selben Gruppe von vier Kindern, drei Mädchen und Jose Angel, der kleine Bruder von Mariana, alle ca. 9 - 10 Jahre alt. Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Bei der kleinsten potentiellen Ablenkungsmöglichkeit SIND sie abgelenkt, alle vier. Manche Anweisungen überhören sie simultan und wiederholt. Als ob sie taub wären. Leydi habe ich heute zum Beispiel dreimal gebeten, das Buch wegzulegen, weil wir heute die von Luis kopierten Arbeitsblätter benutzen. Sie hat das komplett ignoriert und mir im Gegenteil alle drei Sekunden ihre Fortschritte im Buch zeigen wollen. Da ist mir beinahe der Geduldsfaden gerissen. Und manche Situationen machen mich sprach- und fassungslos. So haben wir in einer anderen, fortgeschritteneren Klasse seit einer Woche nur über Verben und Konjugationen gesprochen. An einem Tag war die Hausaufgabe, eine bestimmte Liste von Verben zu erstellen. Kaum haben wir die Klasse nach dem Unterricht verlassen, da nimmt mich Isela beiseite und fragt mich, was denn Verben seien.

Wie gesagt, wenn ich hier etwas lerne, dann ist es Geduld. Ich gehe morgen zum Yoga und suche meine Mitte.

Heißer, trockener Tag mit viel Wind.



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