Reiseblog von Fabienne & Simon
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F: Huayhuash-Trek

Veröffentlicht: 15.11.2019

Da wir wiederholt gehört hatten, die Kälte sei auf diesem Trek das Hauptproblem, kauften wir an den Souvenirständen in Huaraz Kappen, Handschuhe und einen zusätzlichen Pulli aus Alpakawolle. Ausserdem mieteten wir je ein Thermarestmätteli und Faserpelzinnenschlafsäcke. Weil ich in letzter Zeit manchmal hässliche Knieschmerzen beim bergab gehen hatte, kaufte ich dafür sogar Wanderstöcke, und weil die Regenzeit langsam beginnt, legte ich mir einen Regenschutz für den Rucksack zu. Obwohl die Verpflegung inklusive war, nahm ich zur Sicherheit ein Snickers pro Tag, Nüsse und Guetsli mit. Top vorbereitet liessen wir uns also auf das Abenteuer ein.

Tag 1

Jede Teilnehmerin bekam von Paul einen Güselsack für das Material, das wir tagsüber nicht brauchten. Also Mätteli, Innenschlafsack, Ersatzkleider und Necessaire. Ich war natürlich am Vorabend ewig damit beschäftigt zu entscheiden, was ich nun genau mitnehmen soll und was sich nicht lohnt… Nach nur zwei Stunden hatte ich mein Bürdeli beisammen ;-)

Wir wurden mit einem kleinen Car abgeholt. Die Gruppe bestand aus 11 weiteren Personen, die wir zum Teil schon im Hostel kennen lernten. Luca war unser Bergführer und Marco der Koch, ein Arriero, von Luca als Donkeydriver bezeichnet, sollte am ersten Zeltplatz zu uns stossen. Wir fuhren mit dem Car ca. 5 Stunden ins Huayhuashgebirge. Auf der Minen-Zubringerstrasse wurden wir bis auf ein Pässli gebracht und legten das letzte Stück bis zum Zeltplatz Cuartelhain zu Fuss zurück. Der Car brachte das Material dahin. Als wir ankamen standen schon alle Zelte, was uns alle erstaunte, wir hatten erwartet, dass wir diese selbst aufbauen mussten, aber das gehört offenbar ebenfalls zum Service.

Das Wetter war der Jahreszeit entsprechend wechselhaft, aber für einen gemütlichen Nachmittag bescherte es uns noch etwas Sonnenschein.

Schon in der ersten Nacht waren wir froh, nebst dem Isomätteli vom Touranbieter noch ein Thermarest zusätzlich zu haben. Darauf und in den sehr guten Daunenschlafsäcken mit Faserpelz-Inlet plus Seideninnenschlafsack schlief ich pudelwarm und gut.

Tag 2

Luca suchte mit dem Feldstecher den Hang ab. Nach dem Frühstück erklärte er uns, dass der Arriero mit seinen acht Maultieren gestern Nachmittag über den Pass diesen Hang hinunter hätte kommen sollen. Da weder Luca Handy-Empfang hatte noch der Arriero in seinem Dorf, konnte das Problem nicht geklärt werden.

Lucas Plan: Er wusste, dass heute eine Gruppe den viertägigen Huayhuash-Trek in Llamac beendet und unser Zeltplatz lag auf dem Heimweg dessen Arrieros (inkl. Maulesel). Somit könnten wir diesen abwarten und bitten, einzuspringen. Um das Ganze zu klären, stünde eine Wanderung auf den Pass Sambuya an, da es dort Handyempfang gibt und Luca mit der Gruppe bzw. dem Arriero in Llamac telefonieren könnte. Den verlorenen Tag könnten wir hauptsächlich an Tag sechs und acht wieder aufholen, meinte er.

Uns blieb ohnehin nicht viel anderes übrig, als zuzustimmen, aber eigentlich waren wir auch nicht wirklich besorgt, dass es nicht irgendwie klappen würde. Die Wanderung führte dann ausserdem in ein wunderschönes Tal. Über Nacht hatte es in der Höhe geschneit und so präsentierten sich die felsigen Hänge weiss meliert. Der moorige Talboden leuchtete saftig grün. Es war absolut still und nur ein paar Steinmäuerchen liessen erahnen, dass hier zumindest auch schon Menschen waren. Sonst lag das Tal so friedlich und völlig abgeschieden da, als ob es noch überhaupt nicht entdeckt worden wäre. Vom ersten Pässchen blickten wir auf die andere Seite in ein ebenso schönes und ebenso unberührtes Tal – und uns fuhr es richtig ein, in welch unberührte Natur wir uns in den nächsten Tagen begaben. Und vom endlichen Pass blickten wir hinunter zu einem türkisen Bergsee, der sich wunderschön von den Rottönen der Berghänge abhob und hinauf zu frisch verschneiten, sechstausend Meter hohen Andengipfel. Es war herrlich.

Luca konnte seine Telefonate machen und sagte erleichtert: «Hay una solucion». Auf der Rückkehr machte das Andenwetter dann ernst und bescherte uns noch einen zünftigen Regenschauer.

Gegen Abend zottelten tatsächlich etwa zehn Esel und Maulesel und ein Pferd auf den Zeltplatz und mit ihnen kamen zwei Arrieros. Diese würden unser Gepäck bis zum nächsten Zeltplatz bringen und von dort in ihr Heimatdorf gehen, da diese Maultiere nicht ohne Pause einen weiteren Trek anhängen konnten. Doch von ebendiesem Dorf würde dann ein neuer Arriero mit neuen, busperen Mauleseln kommen – und bis zum Schluss des Treks bei uns bleiben, Problem gelöst.

Tag 3

Die Route führte über zwei Pässe zu einem Zeltplatz am Carhuacochasee. Der erste Aufstieg zum Cacananpunta war ziemlich steil. Es folgte ein kurzer Abstieg in ein grosses, breites Tal, fast eine Ebene. Von dort bogen wir ins nächste Tal ein, das flach ansteigend zu einer etwas sumpfigen Hochebene führte, wo eine Hand voll Kühe weidete. Es kam mir noch stiller und verlassener vor als das tags zuvor. Das Wetter verbesserte sich zunehmend, und beim Abstieg vom Carhuac-Pass ereilte uns Sonnenschein und schliesslich eine atemberaubende Aussicht auf die Sechstausender des Huayhuash. Vor allem die dicke Vergletscherung dieser Gipfel fand ich beeindruckend und auch wie zerklüftet diese Gletscher sind. Ich brachte meinen Blick kaum los. Weil wir zügig unterwegs gewesen waren, konnten wir an diesem herrlichen Aussichtspunkt, der nur wenig vor dem Zeltplatz lag, zum Glück lange verweilen.

Am Carhuacochasee konnte ich drei «Höfe» ausmachen. Jeweils einige Koppeln aus Steinmauern und mitten drin ein Häuschen aus Stein oder ungebackenen Lehmblöcken mit einem Grasdach. Die Einfachheit, in der diese Bergbewohner leben ist krass. Ein paar Kühe, ein paar Schafe, ein Bett, ein Tisch, Feuerholz, viele Decken gegen die Kälte, vielleicht ein Radio. That’s it. Und zwar wirklich. Keine Handys, keine Süssigkeiten, kein Mehl, kein Strom, kein warmes Wasser, keine Ersatzschuhe, keine Regenjacke, kein Buch, keine Zeitungen, kein Ball, kein Vitamerfen, keine frischen Früchte.

Die verrückten Jungs mussten sich natürlich beweisen und gingen im See schwimmen. Wir Frauen wuschen uns am Brunnen im Camp und fühlten uns wegen ein bisschen Seife und frischem Wasser wie neu geboren J.

Marco kochte uns wie immer gleich für die Ankunft im Lager eine warme kleine Mahlzeit, diesmal Tequenios. Zum zNacht gab es immer eine Suppe und anschliessend ein vollwertiges Menü. Sogar zum Frühstück liess er sich immer etwas einfallen, von Porridge, Rührei und Pancakes hatten wir alles! Das finde ich immer noch unglaublich, wie Marco in seinem Küchenzelt ohne Tisch und auf dem Gasherd am Boden, alleine für 15 Personen dreimal am Tag warme Mahlzeiten kochte – Chapeau!

Tag 4

Die heutige Route führte vorbei an drei Seen im Moränengebiet des ehemaligen Gletschers des Siula Grande und dann steil hinauf zum Paso Siula. Man kann sich vorstellen, wie schön diese Gletscherseen in diesem Bergtal liegen und wie viele Fotos ich vor Begeisterung machen musste. Schon kurz nach dem Carhuacochasee wurde die Vegetation geringer und die Umgebung steiniger, alpiner.

Über diesen Gletscher (als er noch grösser war) und die Moränen ist Joe Simpson damals mit gebrochenem Bein talauswärts gekrochen. Und ebenfalls hier wurde 2003 der Film dazu (Touching the Void) gedreht.

Bei einer Pause versammelte uns Luca und hatte schon wieder eine Hiobsbotschaft: Das Gas geht aus. Es ist nicht sicher, dass das Gas bis am Tag 6, an dem wir in ein Dorf kommen und Nachschub kaufen konnten, reicht. Es machte sich etwas Ärger breit. Es ist auch nicht ganz klar, weshalb das Gas nicht reicht, ob wegen der Verzögerung vom ersten Tag oder weil man einfach eine halbleere Gasflasche eingepackt hatte in Huaraz? Wir diskutierten verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel fragten wir, warum Luca nicht im Dorf jemanden bestellen könne, der mit einem Maulesel uns etwas Gas entgegenbrächte. Aber ja natürlich, es gibt kein Handyempfang, wie soll er jemanden bestellen? Ausser ein paar unwahrscheinlichen Glücksfällen war die einzige sichere Möglichkeit die, dass wir am nächsten Tag eine Monsterstrecke von 30 Kilometern und 800hm zurück legen müssten. Einziger Vorteil: wir hätten dann die ganze Verzögerung schon aufgeholt und die restlichen Tage wären so gemütlich wie schon eh und je geplant.

Die Missstimmung hielt nicht lange an, vor allem konnten wir ja nichts ändern und 30 Km sind viel, aber wir würden ja nicht sterben und v.a. wollten wir uns die schöne Wanderung nicht verderben. Nach dem folgenden sehr steilen Anstieg wartete Marco auf uns. Er packte eine Pfanne mit einem Reisgericht aus und servierte uns die Stärkung diesmal unterwegs! Wir waren alle verblüfft und ebenso hungrig und griffen herzhaft zu. (Was wir als Vergnügen aber schnaufend und bloss mit unseren Tagesruckseckli abwandern, legt Marco zwischen Frühstück-Abwasch und Küchenzelt-für-den-Znacht-aufbauen viel schneller als wir und mit einer Pfanne Reis und 12 Tellern im Rucksack zurück).

Mit dieser Stärkung erklommen wir den Paso Siula souverän. Nach kurzem Abstieg über Fels und Stein kamen wir auf eine moorige Ebene, die mit dem nebeligen Wetter eine mystische Atmosphäre ergab. Etwas vom spannendsten auf dieser Tour fand ich diese Wechsel der Umgebung. Hinter jedem Pass wartete wieder eine ganz andere Flora, ein komplett anderes Ambiete auf uns. Jeden Tag hatten wir Highlights. Auf oder im Moor wuchsen diese kreisförmigen, steinharten dunkelgrünen Polsterformationen. Diese verteilten sich wie Inseln über die ganze Ebene, sodass wir schliesslich von Insel zu Insel über diese Landschaft hüpften, um uns vor nassen Schuhen zu hüten. Es erinnerte Simon an das Spiel Takeshi’s Castle, das ich zu seinem Missmut nicht kenne.

Von einer Anhöhe konnten wir unseren Zeltplatz sehen: Tito und Marco hatten schon begonnen die Zelte aufzuschlagen. Der Zeltplatz lag auf einer verwunschenen Hochebene verhältnismässig nahe dem Dorf Huayhuash. Wir räkelten uns in der Sonne und packten unsere mitgebrachten Guetsli aus. Die Gruppe war wohl wieder ein Glücksfall. Niemand war nervig, alle waren aufgestellt und wir verstanden uns sehr gut. Alessandro, ein Salamimacher aus Norditalien, hängte im Zelt einen mitgebrachten Salami zum Trocknen auf, weil er tags darauf Geburtstag hatte.

Um durchs Huayhuashgebirge wandern zu können, bezahlt man pro Person an jeder Kommune, die man durchquert, einen Eintrittspreis. Das Geld soll der Gemeinde zugute kommen, sodass auch sie vom Tourismus profitieren und nicht nur Huaraz. Ausserdem pflegen sie dafür die Zeltplätze (Abfall und WC). Manche nennen es auch Schutzgeld, weil sich in den Neunzigerjahren hier Terroristen versteckten und Touristen nicht geduldet waren. Wir hoffen, das Geld landet heute tatsächlich in irgend einer Form bei der Gemeinde…
Der zuständige Aufpasser kam natürlich auch diesmal zum Einkassieren. Er war bereit, aus dem Dorf jemanden mit einer Flasche Gas heraufzuschicken. Wir trauten der Sache nur halb, wir hatten ja die peruanische Art der Zuverlässigkeit mittlerweile kennen gelernt. Wir hofften natürlich, dass Luca recht hat, wenn er sagt, dass er dem Aufpasser Geld für den Dienst und das Gas gegeben hatte und dieser sich natürlich keinen Freund damit macht, wenn er die Abmachung nicht einhielt, zumal Luca hier immer wieder vorbei kommt, Leute im Dorf kennt und die Gemeinde auf eine gute Zusammenarbeit mit unserer Agentur angewiesen ist.

Tag 5

Am Morgen (6 Uhr) kam ein bis unter die Nase dick eingepackter Reiter an, hinter dem Pferd trottete ein Esel, der eine Gasflasche auf dem Rücken trug. Wir applaudierten und starteten glücklich in den Tag. Heute führte der Weg über den Trapesiopass, und sollte für mich der schönste Weg werden. Der Aufstieg war eigentlich nicht weit, aber ich war an diesem Tag körperlich nicht im Strumpf, mir war übel und ich fand es einfach streng. Der Weg war dafür wunderschön, er führte zuerst über Graslandschaften und dann durch Geröll und Schieferkies vorbei an x kleinen Seen im Moränengebiet des ehemaligen Gletschers. Dahinter lag der mächtige und zerklüftete Gletscher selbst und die Wolken, die in den Gipfeln hingen, gaben immer wieder Sicht auf den schönen, riesigen Trapesio frei. Dass ich ständig stehen bleiben musste, um Fotos zu machen, half meiner Fitness sicher auch nicht.

Schliesslich kam ich mit anderen, ebenso schnaufenden und müden Leuten oben an und erholte mich ziemlich schnell vom Frust: Es war so wunderschön. Zunächst entdeckte ich auf der Suche nach einem Bisiplätzli Blumen. Blumen! Auf 5000 m! Was erhofft sich das Geschöpf davon? Eine Biene, die die Befruchtung übernimmt? Ein «Gunststandort»? Ich fand das unglaublich tapfer von dieser Polsterwuchs-Miniblume und versprach ihr sofort einen Platz im Fotoalbum.
Dann der Blick auf die andere Passseite: Ein Talkessel, eingerahmt von rötlichem, brüchigem Fels, lag vor uns. Ein wildes Tal aus Fels und Geröll, von einem Gletscher arg zerschliffen, wieder mit hohen, weissen, kantigen Gipfeln, und mehreren, verschiedenfarbigen Gletscherseen. Mir wurde so warm ums Herz!

Es war erst 13 Uhr, als wir schon auf halber Höhe des Abstiegs waren und Luca schlug vor, dass die, die wollen, zum Lagerplatz Cuyocpampa hinuntersteigen könnten und die anderen noch zu einem Aussichtspunkt hinaufsteigen. Zwar war ich wieder busper, wollte mir aber sicherheitshalber die angebotene Pause gönnen, schliesslich lagen noch ein paar Tage vor uns. Simon entschied sich für die Zusatztour.
Mein Grüppli machte Halt an einem der Seen und fast hätten wir gebadet, als John sagte: «Lass uns ins Camp gehen, wenn die Regenwolke dahinten bis dann wieder verschwunden ist, baden wir dort im Bach.» Der Vorschlag stellte sich als goldrichtig heraus. Als wir das Camp erreichten, entspannten wir noch zehn Minuten in halbherziger Sonne. Ich packte die Chance und wusch in dem kleinen, extra für die Lager gegrabenen Wasserkanälchen meine Haare. Ich kniete mit je einem Bein auf je einer Seite des Kanals und hielt den Kopf ins Wasser, so musste ich mich nicht ausziehen, was viel zu kalt gewesen wäre. Autsch, das Wasser war sogar noch kälter als erwartet! Der Kopf fühlte sich an als wäre er noch so gross wie ein Apfel. Und beim einseifen fühlte sich die ganze Kopfhaut taub an. Dann zog das Wetter zu und als wir beim heissen Tee im Zelt sassen, fing es an zu hageln. Und es hörte fast nicht mehr auf. Innert kurzer Zeit war alles weiss. Die frechen unter uns waren zuerst noch schadenfroh, doch das wich schnell dem Mitleid für die andern, die es oben am Berg sicher nicht besser erwischt hatten mit dem Wetter. Als diese jedoch ins Camp kamen, zeigte sich, dass sie bei bester Laune waren, obwohl sie keine Aussicht hatten, aber dank Hagel statt Regen wenigstens nicht nass wurden.

Heute war Alessandros Geburtstag, der Salamimacher aus Norditalien hatte deshalb einen eigenen Salami und ein Stück Käse mitgebracht. Mmmmm, drei Monate nach dem letzten Schweizer Käse ist das wie ein Feuerwerk!

Tag 6

Dass wir von Cuyocpampa nur dann über den schönen San Antoniopass konnten, wenn das Wetter mitspielte, wussten wir. Und als hätten wir es verdient, präsentierte sich beim Aufstehen ein stahlblauer Himmel.

Die Pause gestern hatte wohl wunder gewirkt, ich fühlte mich topfit. Auch der Weg, die weite Sicht heute, der Blick zurück, hinunter auf das U-Tal mit dem mäandernden Gletscherbach, es war alles wieder so eindrücklich und wunderschön! Und der Ausblick vom Pass schliesslich war atemberaubend. Wir verbrachten wohl eine Stunde auf dem Pass, kletterten noch auf den Seiten hoch, und konnten uns alle kaum von der Aussicht auf die stolzen Sechstausender lösen. – Diesmal von der anderen Seite als an Tag 3.

Der Abstieg nach Cutatambo war eher weglos. Im Tal angekommen, folgten wir dem Rio Calinca aus dem Tal hinaus. Mit jedem Schritt wurde die Vegetation grüner, üppiger, vielfältiger, es roch wieder nach Pflanzen, es weideten Tiere, es war warm, wir begegneten nach zwei Tagen wieder menschgemachter Steinmäuerchen, und schliesslich sogar Hütten, Häusern und Menschen. Wir wanderten vergnügt durch das Tal, es war wiederum eine schöne Abwechslung. Das Tal war aber über zehn Kilometer lang und am Schluss tschumpelten wir alle eher still und hofften bei jedem Rücken, dass dahinter unser Ziel, das Dorf Huayllapa erscheint.

Die Esel hatten den direkten Weg, ohne den Pass, genommen und waren längst im Dorf angekommen und genossen ihre verdiente Pause. Vor dem Trek war ich etwas besorgt, dass die Maultiere überladen würden, so wie wir das in Kirgistan oft sahen, wo auf einem Esel öfters zwei Personen sassen. Aber schon am ersten Tag stellte ich erleichtert fest, dass die Tiere hier gut genährt aussahen, gesundes Fell hatten und nicht mit mehr als 50kg beladen wurden.

In Huayllapa gastierten wir auf dem Fussballplatz mitten im Dorf. Wie sie das wohl in der Hochsaison machen, wenn hier täglich mehrere Gruppen vorbei kommen? Schon den ganzen Nachmittag zählten wir uns alle gegenseitig auf, was wir im Laden kaufen würden. Bier gehörte für viele zum Favorit, aber auch Snickers, Guetsli und Chips wollten viele aufstocken. Es war hier auch die erste und einzige Gelegenheit, sich eine warme Dusche zu gönnen.
Wir streiften durch das kleine Dorf mit etwa 800 Einwohnern und sicher 7 Lädeli; es ist wohl eine der besseren Einnahmequellen, während der Saison. Von der Auswahl her hatten viele zu hohe Erwartungen gehabt, die Chipsbegierigen sich mit gesalzenen Crackers zufrieden geben und die, die sich auf Snickers gefreut hatten, mit den einzigen Guetsli vorlieb nehmen: Oreo Cookies. Ich hatte – wie könnte es anders sein – von Anfang an schon so viel Reservesnacks eingepackt, dass ich mich brav zurückhielt, noch mehr zu kaufen J.

Bei einem Lädeli – über dem Eingang hing ein handgeschriebener Zettel: «Se vende pan», - hatte es auch Platz zum Sitzen und die meisten verzichteten auf Brot und gönnten sich ein Bier, die Musikanlage spielte irgendwelche Evergreens. Wir waren wohl laut, jedenfalls drückten sich bald einheimische Kinder und Jugendliche vor der Türe, sie kicherten, wollten aber partout nicht hineinkommen.

Tag 7

Wieder ein wunderschöner Tag. Heute waren 1200 hm zu überwinden, über den Pass Tapush zu einem inoffiziellen Lagerplatz, hinter Gashpapampa gelegen.
Nach ein paar Stunden kreuzten wir eine grosse Schafherde. Viele Schafe hatten so dickes Fell, dass wir uns fragten, wie das mit dem Scheren hier funktionierte? Um die Tiere (Auch Rinder und Llamas) zu markieren stechen sie ihnen durchs Ohr und binden farbige Wollbändeli in Familien-zugeordneter Farbkombination daran. Das würde ich unseren Bauern auch empfehlen, es sieht viel schöner aus, als die hässlichen Sprayereien auf den Rücken der Schafe bei uns.

Der Passübergang versteckte sich heute a là Gemsfairen hinter x Hügeln. Immer glaubte man, man habe ihn gleich erreicht, aber kaum war man auf der Höhe, war doch noch ein Rücken mehr zu überwinden. Aber es machte mir nichts aus, die Landschaft war wieder so schön…

Als wir die Passhöhe erreicht hatten, setzt leichter Regen ein. Wir hatten fast jeden Tag einmal etwas Regen, ausser am ersten Tag aber nie wirklich während der Wanderung, meistens erst gegen Abend oder Nacht und die Güsse waren meistens wenig ergiebig. Wir hatten aber ebenfalls fast jeden Tag auch schönes Wetter, manchmal stundenlang blauer Himmel und manchmal löcherige, vorbeiziehende Wolkenfelder. An den Gipfeln des Huayhuash hingen hingegen fast immer Wolkenfetzen. Dieses Wetter ist typisch für die Jahreszeit, aber insgesamt hätten wir sehr Glück gehabt, meinte Luca. Die zwei grossen Vorteile der Hochsaison gegenüber waren dafür, dass wir erstens die allereinzige Gruppe unterwegs waren – in der Hochsaison starten täglich ca. 5 Gruppen! – und das ist mir ein bisschen so harmlosen Regen alle mal wert. Vor allem wenn man in so abgeschiedenen Berggebiete wandert, ist es besonders schön, wenn man alleine ist. Und zweitens war es deutlich wärmer, als es im Juni oder Juli wäre. Ich kann mir fast nicht vorstellen, wie kalt es dann sein muss.

Wir kamen gleich hinter dem Pass wieder an einem wunderschönen Bergsee vorbei. Ich verstehe langsam, wieso die nicht alle einen Namen haben, und man angefangen hat, sie einfach zu nummerieren. Weiter unten kam ein Sumpf, das einen starkroten Grundton hatte was mit dem gelben Anden- und Sumpfgras und den grauen Felsen rund herum mega schön aussah.

Zum Schluss der Etappe mussten wir in Gashpapampa ein Moor überqueren. Ein Grüppchen unter uns entschloss sich an der falschen Stelle zur Querung und endete mit pflotschnassen Schuhen und Hosen bis zu den Knien. Wenigstens nur noch ein Tag in nassen Schuhen wandern!

Im Lager angekommen (natürlich wieder herrlich idyllisch gelegen), war Tito gerade daran unsere Zelte aufzubauen. Unser Angebot, dies zu übernehmen oder zu helfen, lehnte er ab. Ob ihm das zu nahe kommt, weil das seine Aufgabe ist? Oder ob sie uns nicht zutrauen, dass wir das richtig machen? Wir kamen uns einfach so blöd vor, zuzuschauen wie jemand für uns ein Zelt aufbaut.
Da die Sonne schien, entschloss sich Simon, sich mit einer Tassendusche am Bach zu waschen, auch wenn es ja nur noch ein einziger Tag zu wandern war.

Heute waren wir wieder einmal recht früh im Lager und hatten Zeit für Spiele wie «wer bin ich?», oder eine belgische Form vom Würfelspiel «Meiere». Ich hatte bauchweh und legte mich hin, kurz darauf fing es an, leicht zu regnen und dann zu hageln. Ich genoss es, noch ein letztes Mal diesem schönen Prasseln auf dem Zelt zu lauschen und warm eingepackt im Schlafsack am Trockenen zu liegen.

Tag 8

Der letzte Morgen. Natürlich gab es ein paar Sachen, auf die ich mich freute, zum Beispiel eine heisse Dusche. Aber sonst war ich vor allem wehmütig, dass der Trek schon vorbei sein soll. Erstaunlicherweise war ich in den Beinen nicht einmal so müde. Wahrscheinlich sind acht Tage lange genug für Trainingserscheinungen statt blosser Ermüdung. Und die Natur war einfach so unglaublich schön!

Wir nahmen die kürzest mögliche Route, da wir heute noch ein gutes Stück unserer Verzögerung vom ersten Tag aufzuholen hatten. Bei tief hängenden Wolken stiegen wir den Llauchapass empor und hofften, dass sich die Wolken noch lichten, weil uns nach dem Pass ein sehr berühmter Aussichtspunkt erwartete, mit Blick über die ganze Gebirgskette. Am Aussichtspunkt angekommen, sah man die vorderste Kette tatsächlich schon majestätisch und wir warteten mit der Kamera in der Hand, dass die Sicht noch besser würde. Doch der schnell aufsteigende Talnebel blieb je länger desto hartnäckiger in den Gipfeln hängen und die Sicht wurde nur noch schlechter.

Bei der nächsten Pause hatten wir immerhin unter der Wolkendecke einen schönen Blick auf denselben See, den wir schon am ersten Tag bei der Zusatzwanderung vom Pass hinab sahen, den Jahuacocha. Ausserdem konnten wir auch in die andere Richtung ungewöhnlich weit in die vielen, vielen, vielen Berge der peruanischen Sierra sehen. Und dann tauchte der erste Kondor auf, ein Riesenteil von einem Vogel. Er schlägt kein einziges Mal mit seinen riesigen Flügeln (bis 3m), kurvt einfach in der Thermik empor.

Anstatt zum See hinab, stachen wir mehr oder weniger direkt Richtung Nordwesten zum Fluss hinunter. Es war ziemlich weglos, Stellenweise folgten wir Pfaden, die wohl von Tieren oder ihren Besitzern stammen. Im Tal angekommen mussten wir barfuss den Fluss überqueren und kamen durch eine Art Weiler (ca. 7 Hütten). Von hier aus wurde es wieder mit jedem Schritt grüner, vielfältiger und belebter. Wir gingen vorbei an Weiden, terrassierten Hängen, begegneten Eseln, es gab erste Bäume. Der Weg war relativ gut ausgebaut und von einer Wasserleitung begleitet. Mehrfach gab es Punkte mit wunderschönem Ausblick das Tal hinauf, zu den Huayhuash-Gipfeln, an denen ich natülich jedes Mal anhalten musste um ein bisschen Abschied zu nehmen…
Die weitern 1000 Höhenmeter bergab zogen sich in die Länge. Ein Gespräch mit Luca, über den Trek, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage Perus, die Bildungssituation, Preisdruck unter den Touranbietern, Tourismus in Huaraz usw. war eine sehr interessante Ablenkung.

Und dann war es geschafft! Wir hatten Llamac erreicht. Die meisten von uns stürmten in die Lädeli, Coca-Cola und Chips gehörten zu den meistgekauften Produkten. Im Gegensatz zum Hinweg stand für den Rückweg nicht ein komfortabler Reisebus sondern ein Minibus bereit. Der war so mini, dass es für Luca keinen Platz mehr hatte! Der lachte nur und winkte ab, ach, er schaue sich einfach im Dorf nach einer anderen Lösung um. Und wir waren alle müde genug, dass uns eh jedes Gefährt recht gewesen wäre. Wieder etwa 5 Stunden fuhren wir bis wir zurück in Huaraz waren. Simon rief von unterwegs noch Paul an und bestellte zNacht für die, die wollten. Im Hostel angekommen duschten wir heiss, assen zNacht und sanken selig in unsere Bettchen…

Antworten (1)

Peter
Wo/Welches ist das Bild der durch Dein Pipi beglückten Pflanze? Toller Bericht, nicht nur dank den Bildern, sondern auch mittels den Worten nehmt Ihr uns gleich mit auf die Reise. Danke, Fabienne und Simon!

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