Veröffentlicht: 20.11.2023
Ich bin relativ schnell eingeschlafen, aber war dann ein paar Mal wach und gegen 5 Uhr dachte ich mir, ich könnte aufstehen. Ich habe heute ja "nur" 19 Kilometer auf dem Programm und könnte ausschlafen, aber ich überlege, ob ich den frühen Bus nach Muxia nehme oder den späten um 17:30. Jedenfalls habe ich gepackt und bin dann los. Auf dem gesamten Weg heute habe ich nur einen einzigen Pilger gesehen kurz vor Santiago, was bestimmt wieder an der frühen Uhrzeit liegt. Ich bin erstmal durch O Pino durch und dann wieder durch Wälder. Im Juli bin ich den Weg genau ab diesem Ort mit jemandem zusammen gegangen. Und bei meinem ersten Camino von Porto aus bin ich mit 2 Mädels aus den USA in Santiago angekommen. Also wird es dieses Mal das erste Mal sein,dass ich alleine in Santiago ankomme. Ich hatte mir das eigentlich jedes Mal bisher vorgenommen, aber es hatte sich bisher nicht ergeben. Und obwohl sich der Weg zu Beginn ein wenig gezogen hat und auch wieder überflutet war, habe ich jeden Meter und jede Sekunde genossen. Es ist echt schön und man kann stolz auf sich sein, wenn man den Weg trotz aller Widrigkeiten gemeistert hat. An viele Teilstrecken kann ich mich vom letzten Mal noch erinnern. Es hatte keine einzige Bar auf dem Weg auf. Es ging durch einige kleine Dörfer und viel durch den Wald. Und das schöne ist, dass man um den Flughafen Santiago herumgeht und auch ein paar Flieger landen hört. Danach ging es ein Stück an der Schnellstraße, wo man auch wieder gut aufpassen musste und dann wieder ins Grüne. Im Wald bin ich zweimal leicht umgeknickt und deswegen bin ich noch vorsichtiger gegangen. Da wäre es noch, kurz vorm Ziel verletzen. Ich muss sagen, dass abgesehen von einigen kleinen Wehwehchen ich natürlich die Kilometer etwas in den Beinen spüre, aber im Großen unfallfrei und ohne Verletzungen überstanden habe.
Insgesamt kann man sagen, dass die Jakobswege sehr gut markiert sind. Selbst für Leute, die keine gute Orientierung haben. Zur Not gibt es auch noch Apps wie Camino Love oder Buen Camino, wo die Wege in Karten eingezeichnet sind und man per GPS genau nachschauen kann, ob man noch auf dem richtigen Weg ist. Und meist immer, wenn ich mir unsicher war, ob der Weg hier richtig ist und ich nachschauen wollte, kam genau der nächste Pfeil, der einem die Richtung anzeigt. Besonders die letzten 100 Kilometer sind dadurch, dass ihn so viele gehen, besonders gut gekennzeichnet und am Tag trifft man gewöhnlich alle 5 Minuten auf Pilger.
Ich wollte eigentlich unterwegs noch einen Kaffee trinken, aber da nichts auf hatte, musste ich dies in Santiago machen. Letztes Mal sind wir an einer Bar vorbei, die früh geöffnet hatte, aber die habe ich dieses Mal nicht gesehen. Dann ging es einen Berg hoch, der den Namen Monte do Gozo trägt, was "Berg der Freude" bedeutet, weil die Pilger nach den ganzen Strapazen zum ersten Mal Santiago erblicken. Ich konnte das meiste von Santiago nur erahnen, da es noch dunkel war und ebenso nebelig. Auf dem Berg gibt es eine Kapelle, wo ich mir noch einen Stempel geholt habe. Von hier sind es noch 4,5 Kilometer und hier gibt es auch 2 Herbergen, weil manche gerne sehr früh in Santiago ankommen wollen und nicht wie ich schon so früh aufstehen wollen. Und generell ist das eine schöne Gegend zum Verweilen. Ich bin dann weiter und alles kam mir sehr vertraut vor. In Santiago erkannte ich schon einige Straßen. Da ich nun schon zweimal in Santiago war, kenne i h mich da auch etwas aus und ich liebe es ja, wenn man durch eine Gasse geht und merkt, dass man in dem Café schon war oder wie man beim ersten Mal diesen Weg gegangen ist. Das Wetter war heute bisher trocken, aber etwas bewölkt. Und so kam ich am Platz der Kathedrale an. Es war wieder ein besonderer Moment, besonders weil es noch so leer war. Schade, dass gegenüber der Kathedrale, wo man sich immer hinsetzen kann, ein Baugerüst war. Das schönste Gefühl war beim ersten Mal und ich glaube, je öfter man dort ankommt, desto weniger aufregend wird es. Aber das ist vollkommen ok. Ich habe ein paar Fotos gemacht und habe ich hingesetzt und etwas gegessen und die Ruhe genossen. Wir hatten kurz nach 9 Uhr und ich überlegte, ob ich den Tag noch in Santiago bleibe und später nach Muxia fahre oder lieber gleich schon um 10:45. Da es so grau war und es mir generell in Santiago ein wenig zu touristisch ist, habe ich mich entschlossen, schon früher nach Muxia zu fahren. Die Urkunde bzw. den letzten Stempel werde ich am Mittwoch holen, wenn ich noch eine Nacht hier verbringe. So habe ich die Ruhe noch genossen und bin hab langsam los.
Was ich auch interessant finde, dass mir das Gehen in den Schuhen die ersten beide Male schon sehr schwer gefallen ist und ich direkt immer schnell die Schuhe bei jeder Gelegenheit ausgezogen habe, aber dieses Mal haben sich meine Schuhe daran gewöhnt. Ich habe trotzdem 2 Blasen und auch Druckstellen an den Füßen, aber nach einer Woche war das für mein Körper normal. Beim Wandern ist mit das Wichtigste gute eingelaufende Schuhe und gute Socken. Ich habe auf Empfehlung eines Pilgers mir Wright Socks geholt. Die Kosten knapp 20€ das Paar, aber die sind echt super zum Wandern und auch zum Joggen. Dies sind doppellagige Socken, die keine Nähte haben, die störend wirken beim Gehen und sie lassen sich leicht waschen und trocknen.
Dann bin ich in Richtung Busbahnhof. Habe mir noch ein Getränk geholt und dann kurz ein Kaffee getrunken und mir online mein Busticket geholt. Dann habe ich mir noch einen Stempel für meinen Pilgerausweis geholt ( Man braucht als Beweis die letzten 100 Kilometer jeden Tag mindestens 2 Stempel ). Und dann los. Ich kannte den Weg von letztes Mal, aber durch eine Baustelle landete ich zuerst an den Bahnstation. Zum Glück hatte ich genug Zeit und hab dann den dahinter liegenden Busbahnhof gefunden. Ich hatte noch eine halbe Stunde Zeit und habe entspannt. Ich kann es immer noch nicht so richtig fassen, dass der Weg jetzt zu Ende ist.
Dann kam auch der Bus und ich habe 2,5 Stunden die Fahrt genossen und unter anderem hier den Blog geschrieben. Ich freue mich sehr auf Muxia und alles Weitere.
Was mich dieser Weg besonders gelehrt hat, ist erstens Dankbarkeit. Dankbar dafür, dass ich mir so eine Wanderung leisten kann (zeitlich und finanziell) und auch in der Lage bin, diesen Weg zu bewältigen und dankbar für die vielen schönen Momente auf dem Weg. Und zweitens habe ich gelernt, dass man alles schaffen kann, was man möchte. Zu Anfang sieht man immer die Markierungen am Weg und liest " Ab hier 750km nach Santiago" und denkt, dass man das nie und nimmer schafft. Aber es hat alles klappt. Und genau diesen Gedanken muss ich mehr in mein Alltag einpflanzen.
Jetzt genieße ich noch die restliche Busfahrt und melde mich aus Muxia wieder.