Don Curry on Tour 4
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Don Curry macht eine Grenzerfahrung

Veröffentlicht: 16.06.2023

Don Curry war sich bereits gestern bewusst gewesen: der heutige Tag würde die nächste große Veränderung bringen. Nach nur wenigen Tagen in Georgien stand der Grenzübergang nach Aserbeidschan an. Sämtliche Papiere führte Don Curry sorgfältig zusammen: Reisepass, Visum, Fahrzeugschein, Notarielle Beglaubigung zum Fahren des georgischen Autos in Aserbeidschan. Blieb nur die Frage, wie lange ihn die Grenzformalitäten aufhalten würden. Mit Jabir, dem Vermieter der Ferienwohnung in Baku hatte er bereits Kontakt aufgenommen und eine Zeit zwischen 18:00 und 19:00 Uhr prognostiziert. Jabir würde warten, schrieb er.

Don Curry weckte an diesem Morgen das durchdringende Gezwitscher zahlreicher Vögel. Außer dem Hotel und der Ranch gab es weit und breit keine menschliche Ansiedlung. Wie wohltuend, einzig natürliche Geräusche wahrzunehmen. Doch halt, hörte Don Curry nicht plötzlich das Klappern von Besteck und Geschirr? Das konnte nur eins bedeuten: es war Zeit zum Frühstücken.

In nahezu anatolischer Üppigkeit wurde der Tisch vor ihm mit gefüllten Tellern, Schalen und Schüsselchen gedeckt: Tomaten, Gurken, verschiedene Käse- und Quarksorten, eine Art Bulgur, ein warmer Salat aus grob zerteilten hartgekochten Eiern in Tomatensoße, Apfelmus, diverse Obstsorten, Honig, Butter und natürlich das superknusprige, selbstgebackene Brot, von dem er bereits gestern beim Abendessen kosten konnte. Ein gelungener Start in einen spannenden Tag!

Schnell war sein Gepäck in Xerra verstaut, das Navi auf sein erstes Ziel in Aserbaidschan programmiert, und er konnte durchstarten. Auf zuerst gut ausgebauten Straßen ging es gen Osten, doch nach 40 km verwandelte sich der Asphaltstreifen abrupt in eine breite Schotterpiste. Nach weiteren 10 km sollte Don Curry auf einen schlechten Feldweg Richtung Grenze abbiegen. Ein Feldweg zur internationalen Grenze? Don Curry ahnte, dass er allzu sehr GoogleMaps vertraut hatte. Dieser inoffizielle Grenzübergang war zwar der nächstliegende, aber höchstens für Bauern und andere Grenzbewohner erlaubt. Also musste Don Curry fast die gesamte Strecke zurück und hatte insgesamt 2 Stunden an Zeit verloren. 

Leicht frustriert wählte Don Curry nun den tatsächlichen Zuweg zum Grenzübergang, der dauerhaft aus gut asphaltierten Straßen besteht. Überrascht und erfreut bemerkte Don Curry, dass nur ein paar LKW vor ihm an der Grenze standen. Das sollte schnell zu schaffen sein. Doch kaum fuhr er weiter auf die Kontrollanlagen zu, als hinter ihm jemand "Stop!" rief. Ein georgischer Grenzpolizist kam auf ihn zu und versuchte mit einigen Brocken Englisch klar zu machen, dass die Grenze für Minibusse gesperrt sei. Don Curry hielt Xerra keineswegs für einen Minibus und fühlte sich daher nicht betroffen. Er zeigte dem Polizisten sein Visum für Aserbeidschan, die Autopapiere samt notariell beglaubigter Fahrerlaubnis ins Nachbarland, doch all das beeindruckte den nicht. "Die Grenze ist geschlossen!", beharrte er. Don Curry solle bitte wegfahren. 

Doch so schnell gibt Don Curry nicht auf. Er fuhr nur ein paar Meter aus dem Weg, damit Lkws an ihm vorbeifahren konnten. Dann wandte er sich an seinen WhatsApp-Schutzengel Platon und fragte, ob die Grenze tatsächlich geschlossen sei. Platon antwortete prompt, er werde sich erkundigen. Zwischenzeitlich hatte der Grenzpolizist einen Georgier aufgetrieben, der besser Englisch sprechen konnte. Der konnte zumindest deutlich machen, dass nicht nur Minibusse keine Chance hätten, sondern sämtliche Fahrzeuge außer Lkws. Er bräuchte eine schriftliche Genehmigung der deutschen Botschaft, um über die Grenze zu kommen. Alle anderen Papiere wären nutzlos. Vielleicht gäbe es eine Chance beim einzigen anderen Grenzübergang, 200 km entfernt. Einen Grund für die Grenzschließung konnte er aber auch nicht nennen. Das habe die aserbeidschanische Regierung so beschlossen!

Don Curry sah seine aserbeidschanischen Pläne allmählich zerbröseln. Da meldete sich Platon zurück: Es sei tatsächlich so. Sämtliche Grenzübergänge nach Aserbeidschan sind für Privatfahrzeuge geschlossen! Warum? Keine Ahnung.

Ziemlich frustriert verließ Don Curry den Grenzbereich und fuhr ein Stück in den nahegelegenen Nationalpark Lagodescha. Bei einem Waldspaziergang erwog er seine Möglicbkeiten, kontrollierte auch die Flugverbindungen zwischen Tbilisi und Baku, die erschreckend selten angeboten wurden und meist über Istanbul führten. Auch das war keine echte Option. Also stornierte er schnell alle vorgebuchten Hotels und Unterkünfte. Selbst Jabir verstand das, obwohl er heute sicherlich keinen neuen Kunden finden könnte. Don Curry würde in Georgien bleiben müssen, wobei das "müssen" viel zu hart formuliert ist.

Denn schon kamen Don Curry Ideen, wie er zumindest diesen Tag doch noch nett gestalten könnte. Er beschloss, zunächst die gestern aus dem Programm gestrichene Allerheiligenkirche von Gurdschani nachzuholen. Dazu musste er nach Sighnaghi zurück, serpentinenmäßig hoch in das Bergstädtchen, dann auf der anderen Seite serpentinenmäßig wieder runter. Unterwegs bedauerte er einen einsamen Radfahrer, der gerade dabei war die Serpentinen bergan zu strampeln und nicht einmal die Hälfte des gewaltigen Anstiegs geschafft hatte. Die angezielte Kirche liegt in den Wäldern außerhalb von Gurdschani, auf schlechten Pisten rumpelte Xerra bis zu einem Parkplatz. Während Don Curry sich in einen Reiseführer vertiefte, klopfte plötzlich ein äußerst griesgrämig aussehender Mönch an Xerras Fenster. Als Don Curry öffnete und ihn auf Englisch ansprach, verzog er sich wieder. Vermutlich wollte er Don Curry sagen, dass er mit dem Auto die 300 m weiter zur Kirche fahren könne, denn als Don Curry ausstieg, sah er, dass der Griesgram nicht nur Mönch sondern auch Torwächter war. Gerade ließ er ein anderes Auto passieren.

Doch Don Curry war sehr zufrieden damit, durch den herrlich grünen georgischen Wald den kurzen Weg zur Kirche gehen zu können. Der Reiseführer hatte sie als kurioseste Kirche Georgiens bezeichnet, und bisher hatten intensive Forschungen die Baugeschichte dieses merkwürdigen Gebäudes noch nicht enträtseln können. Vermutlich diente es gleichzeitig als Gotteshaus und als Fürstenpalast und hatte deshalb mitten auf dem Dach zwei symmetrische Türme bekommen. Der freundlich wirkende Mönch im Inneren der Kirche erhob keine Einwände, als Don Curry seinen Fotoapparat zog und Teile der Inneneinrichtung ablichtete. Leider sind in georgischen Kirchen die bunten modernen Ikonen viel beliebter als die verblichenen Bilder aus frǘheren Jahrhunderten. So drängen sie sich stets in den Vordergrund und überdecken das Traditionelle. Kunstinteressierte wie Don Curry müssen jedesmal intensiv hinschauen, um die eigentlichen Fresken hinter den aufgehängten und -gestellten Ikonen zu entdecken. Aber Don Curry hatte jetzt ja viel Zeit!

Als er die Allerheiligenkirche verließ, begann es leicht zu tröpfeln. Als Don Curry nach Sighnaghi zurückgekehrt war, verwandelte sich das Tröpfeln in sintflutartigen Regen. Don Curry hatte beschlossen, heute in Sighnaghi zu übernachten. Aber nicht, weil es dort so herausragende Unterkünfte geben würde, sondern weil es eine herausragende, zumindest in ganz Georgien berühmte Weinbar gibt: das "Pheasant Tears" Hier wollte er abends einkehren, um mehr über georgische Weine zu erfahren und sie zu kosten. Nur wenige Meter neben der Weinbar sah Don Curry trotz des Regens ein einfaches Schild "Hotel Three Gracias". Das lag doch praktisch! Also fragte Don Curry bei den Grazien an, ob ein Zimmer im Hotel frei sei. Das "Hotel" erwies sich als ausgebauter Dachboden, in dem 3 kleine Zimmer entstanden waren, zu erreichen über eine Außentreppe und eine große gemeinsame Veranda vor den Zimmern mit herrlichem Blick über Sighnaghis Altstadt. Eine ältere Dame - eine der Grazien? - bestätigte, dass tatsächlich ein Zimmer frei sei und zeigte es Don Curry. Er konnte zwar nur knapp darin aufrecht stehen, aber es verfügte über ein eigenes winziges Bad, was in Georgien noch längst nicht überall Standard ist. Für eine Nacht und angesichts der perfekten Lage fast neben "Pheasant Tears" war das Gebotene durchaus in Ordnung. Don Curry sagte zu - und erfuhr den Preis: samt Frühstück umgerechnet 17 €. So günstig hatte er nicht mal in Anatolien übernachtet.

Obwohl es noch etwas regnete, legte Don Curry die wenigen Schritte zum "Pheasant Tears" zurück, das kurz nach 18:00 Uhr schon sehr gut gefüllt war. Trotzdem wurde ein Platz für Don Curry gefunden und er mit der Wein- und der Speisekarte versorgt. Der Kellner sprach fließend Englisch und konnte jeden Wein wunderbar beschreiben. Sie alle seien Bio-Weine aus dem Qvevri-Krug, erklärte er und empfahl Don Curry einen kräftig-bodenständigen Weißwein. Der zeigte sich zwar nicht als ganz so außergewöhnlich wie der Wein aus dem Café Littera, aber er mundete ausgezeichnet. Als Beilage zum wein hatte sich Don Curry aus der recht übersichtlichen Speisekarte einen Bohnensuppe, einen Salat, eine Pkhlovani (eine Art Khachapuri, gefüllt mit Käse und Wildkräutern), und natürlich Brot und Wasser. Alles fand Don Currys Gefallen, ein fast schon süßlicher Rotwein bildete den Abschluss dieses Forschungsabends. 

Eigentlich hatte das Scheitern an der Grenze den gesamten Tag völlig ruiniert, und dennoch hatte diese heftige Grenzerfahrung ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Ein Besuch bei "Pheasant Tears" hätte Don Curry sonst nicht einplanen können.  Er musste an die alte Lebensweisheit denken: "Schließt sich vor dir eine Tür, öffnet sich woanders eine andere."  Eine Grenzerfahrung wirft vielleicht erst einmal zurück, doch sie lenkt den Blick zugleich auf neue Wege...

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#gurdschani