Don Curry on Tour 4
Don Curry on Tour 4
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Don Curry improvisiert

Veröffentlicht: 18.06.2023

Don Curry ist sich durchaus bewusst, dass eine Überschrift wie die heutige so gar nicht zu seinen Reiseambitionen passt. Er vertieft sich viel lieber in detaillierte Planungen und muss eher aufpassen, dass noch Raum für Spontanes und Unvorhergesehenes bleibt. Die langjährige Erfahrung zeigte ihm allerdings immer wieder, dass Pläne und Realität nicht zusammenpassen. Doch dass sein Programm für eine gesamte Woche Makulatur wird, ist ihm noch nie widerfahren. Doch was hilft das Klagen? Improvisieren ist angesagt!

Das scheint auch das Motto der Grazien aus dem gleichnamigen Hotel zu sein. Es überraschte Don Curry mit seinem bisher ungewöhnlichsten Frühstücksservice. Gegen 9:00 hatte er sein Zimmerchen verlassen, um herauszufinden, wo die erste Mahlzeit des Tages wohl serviert wird. Niemand war zu sehen. Er klopfte an der Tür, aus der gestern die "Hotelmanagerin" getreten war. Keine Reaktion. Also ließ er sich einfach auf der Veranda nieder und genoss die Aussicht auf Sighnaghi und die wohltuende Wärme der morgendliche Sonne. Plötzlich trat ein Mann mit einem Tablett aus dem Nachbarzimmer. Er erklärte Don Curry, die "Lady" hätte ihm aufgetragen, alle anderen Gäste zu informieren, dass das Frühstück in der Küche bereitstehe. Also folgte ihm Don Curry in den Raum, an dessen Tür er geklopft hatte. Auf dem Küchentisch standen noch zwei Tabletts mit georgischen Frühstücks-Köstlichkeiten. Eins sollte Don Curry mitnehmen. Kaffee oder Tee könne er sich in der Küche selber kochen. 

Perplex nahm Don Curry sein Frühstückstablett mit zu seinem Platz in der Sonne auf der Veranda. Zum Kaffeekochen hatte er keine Lust, er nutzte einfach sein Mineralwasser als Getränk. Schöner und atmosphärischer kann ein Frühstücksort kaum sein - die schönste Kleinstadt Georgiens direkt vor Augen. Aber auch das kulinarische Angebot konnte durchaus mithalten: zwei große Kräuterfladen, eine Art ungesüßter Käsekuchen, mehrere süße Fladen und reichlich saftige Melonenstücke. Und dieses veritable Genießerfrühstück war Bestandteil des lächerlich günstigen Übernachtungspreises. Was für ein Tagesstart! In der Ferienwohnung in Baku hätte er heute gar kein Frühstück bekommen...

Die massenhaft geschenkte Zeit wollte Don Curry nutzen, um das vorgestern nur kurz besuchte Kloster Bodbe noch etwas ausführlicher zu würdigen. Diesmal saß die strenge Aufpasser-Nonne nicht in der alten Kirche. Also konnte Don Curry ungestört ein paar Details der herrlichen Fresken festhalten. Selbst beim Grab der georgischen Nationalheiligen Nino blieb er ganz für sich. Bei der neuen Basilika und im Außengelände hatten sich bereits viele Besucherinnen und Besucher angesammelt, darunter auch mehrere Kindergruppen. Bald würde es überall unruhig werden. Don Curry zog es weiter.

Xerra machte ihn mit einer gelben Warnlampe aufmerksam, dass sie auch ein Frühstück brauchte: der Tank war nahezu leer. Also suchte Don Curry in der nahen Stadt Tsvori eine Tankstelle, die Premium-Benzin im Angebot hat. Merkwürdigerweise kosteten sämtliche Treibstoffe exakt das gleiche, egal ob Diesel, Regular oder Premium. Doch Don Curry blieb keine Zeit zum intensiveren Irritiertsein, der Tankwart machte ihn darauf aufmerksam, dass Xerras rechter Vorderreifen platt war. Kurz darauf gab ihm auch der neben ihm Tankende den gleichen Hinweis. Auch das noch!, dachte Don Curry.

Er kannte das bereits von mehreren Reisen. Ob in Tunesien, Kanada, Polen, Tschechien oder zuletzt in Island - eine Reifenpanne gehört zu den häufigeren Störungen der Urlaubsfreude. Manchmal hatte er selbst den Reifenwechsel vornehmen müssen, manchmal musste er professionelle Hilfe rufen - vor allem in Island, wo das Reserverad genauso platt war, wie das zu wechselnde Rad. Doch was sollte er hier tun? Natürlich Platon fragen.

Platon erwies sich diesmal nicht als hilfreich. In dem Ort würde er keine Werkstatt kennen. Don Curry solle einfach herumfragen, wo man ihm helfen könne. Da sich die Tankstelle an einer Ausfallstraße befand, hatte Don Curry die vielen kleinen Geschäfte mit Autozubehör und ähnlichem durchaus bemerkt. Er fuhr die Straße nun etwas langsamer zurück und entdeckte mehrere Anbieter, die irgendwas mit Reifen zu tun hatten. Einer schien sogar mit uralten Reifen zu handeln, dort wollte Don Curry keinesfalls hin. Also hielt er bei einem relativ großen modernen Laden, der diverse Reifen, Motoröle und ähnliches feilbot. Die beiden Betreiber des Geschäfts sahen natürlich sofort Xerras Problem, konnten aber nicht helfen; sie wären keine Werkstatt. Don Curry solle 100 m zurück fahren, da wäre er richtig. Don Curry fuhr die 100 m - und stand vor dem vermeintlichen Altreifenhandel, zu dem er keinesfalls wollte. Er betrat den Laden und meinte, plötzlich in einer mittelalterlichen Holzhütte zu stehen. Alles wirkte verrußt und schmutzig. Licht fiel nur duch die offene Tür in den kleinen Raum. Direkt in der Mitte stand schräg ein total verschlissenes Sofa, das mit einigen Fetzen ehemaliger Decken einigermaßen nutzbar gemacht worden war. Von dort konnte man auf einen uralten Röhren-Fernseher schauen, der wohl im Dauerbetrieb lief. Ob es bereits ein Farbfernseher war, konnte Don Curry nicht erkennen. Der Rest der Hütte war mit einigen Werkzeugen, einem riesigen Wasserbottich und dutzenden abgefahrenen Reifen gefüllt. Der Mann auf dem Sofa unterhielt sich gerade mit einem älteren Mann, der möglicherweise ein Kunde sein könnte, fragt sich nur für was.  Als Don Curry sein bzw. Xerras Problem erläutern wollte, merkte er sofort, dass keiner von beiden Englisch verstand oder sprach. Das war wohl nichts, dachte er sich.

Doch der Ladenbesitzer stöhnte hörbar auf, erhob sich vom Sofa und ging mit dem anderen Mann nach draußen zu Xerra. Fachmännisch löste der eine sämtliche Muttern des defekten Rades, während der andere einen Wagenheber zum Einsatz brachte. Dann wurde das Rad entfernt, und Don Curry erkannte am Ächzen des Älteren, dass Xerra wohl ziemlich gewichtige Räder hat. Der Besitzer füllte den Reifen kräftig mit Luft, dann wurde er in den Wasserbottich gehievt. Mit geschultem Auge beobachteten die beiden den Reifen, während er langsam gedreht wurde. Dann griff dr Ältere zur Zange und zog einen verbogenen Nagel aus dem Reifen. Der Übeltäter war gefunden! Nun holte der Besitzer aus irgendeiner Ecke das passende Flickzeug und brachte es vorsichtig an der richtigen Stelle an. Am aufwändigsten wurde es, das Rad neu zu wuchten. Doch dazu stand in einer anderen Ecke ein digitales Gerät bereit, das Don Curry niemals in diesem schäbigen Schuppen vermutet hätte. Nach knapp einer Stunde verfügte Xerra wieder über sämtliche Räder. Der ältere Gehilfe war kurz vor Vollendung der Reparatur einfach weggefahren. Don Curry fragte mit einer typischen Handbewegung, was er nun bezahlen müsse. Der Ladenbesitzer griff sich ein irgendwo herumliegendes Stück Kreide und schrieb auf einen Schrank eine Zahl: 15. Er wollte tatsächlich 15 Lari für die fast einstündige Reparatur, inklusive Materialien und 2 Mann Arbeitsleistung. 15 Lari entsprechen ca. 5 €. Don Curry überlegte kurz, einfach 100 Lari zu zahlen, wollte aber auch niemanden mit touristischer Protzerei beschämen. So zahlte er 50 Lari (= 17,50 €) und war mehr als glücklich, das Reifenproblem so schnell und unaufwändig gelöst zu haben. Und Don Curry musste wieder einmal lernen, dass auch bei Geschäften der äußere Eindruck täuschen kann. Selbst in der einfachsten Hütte mag extreme Kompetenz zuhause sein.

Mit vollem Tank und vollen Reifen starteten Xerra und Don Curry nun ihrem nächsten Ziel entgegen: dem Kloster Nekresi, das hoch in den südlichen Ausläufern des Kaukasus liegt und zu den ältesten erhaltenen Klosterkomplexen nicht nur Georgiens zählt. Der erste, zum Teil noch stehende Kirchbau stammt aus dem 4. Jhdt., kurz nach der Christianisierung Georgiens. Don Currys Anfahrt endete rund 2 km vor dem Kloster an einer Schranke. Durch den griesgrämigen Torwächter-Mönch in Gurdschani hatte er gelernt, dass es sich lohnen kann, einfach dreist ans Tor oder die Schranke zu fahren; dann wird man durchgelassen. Doch hier wachte kein Mönch, sondern ein Schrankenwärter, der Don Currys weiteres Vorgehen mit 3 englischen Worten kundtat: "Bus. Ticket. Parking." Natürlich machte nur die umgekehrte Reihenfolge Sinn. Also parkte Don Curry Xerra, kaufte sich ein Ticket für 3 Lari (= 1€) und wartete mit ca. 50 Frauen und Kindern auf den nächsten Bus. 

Ächzend rumpelte der Kleinbus die extrem steilen Serpentinen hinauf und entließ seine Ladung am Klostereingang. Gleich mehrere Kirchen hatten sich hier in der Abgeschiedenheit der Berge angesiedelt, die älteste wurde später zum Fürstenpalast umgenutzt. Heute dient sie zahlreichen Schwalben als Zuhause. Die Hauptkirche präsentiert sich mit gut erhaltenen Fresken, die beiden anderen Kirchen glänzen eher mit ihrer unterschiedlichen Architektur. Kaum hatte Don Curry seine Klosterbesichtigung beendet, kehrte der Kleinbus zurück und konnte ihn wieder zurück zu Xerra bringen.

Nur 12 km entfernt liegt die alte Festungsstadt Greni, die kurzzeitig sogar zur Hauptstadt des kachetischen Königreichs aufgestiegen war. Auf einem mächtigen Felsen thronen noch immer ein Wehrturm, einige Festungsgebäude und eine Kathedrale, alles von hohen Mauern umgeben. Von der mittelalterlichen Stadt zu Füßen dieser Festung ist bis auf einige Grundmauern nichts geblieben. Auch hier erkannte Don Curry bereits auf dem Parkplatz, dass heute wohl allgemeiner Ausflugstag war. Große Gruppen von Kindern und Jugendlichen mit ihren Begleitern stürmten das Burgensemble und ließen selbst in der Kathedrale keine andächtige Stille aufkommen.

Allmählich verfinsterte sich der Himmel. Da Don Curry das prächtige Alawerdi-Kloster im vollen Sonnenlicht bestaunen wollte, schlug er lieber die Richtung zu den Schuamta-Klöstern ein. Die liegen versteckt in einem dichten Wald und beeindrucken auch ohne blauen Himmel. Während der Fahrt setzte allerdings strömender Reggen ein. Dennoch fuhr Don Curry weiter bis zum Alten Schuamta-Kloster. Hier gab es keine Besuchermassen; er hatte den Parkplatz ganz für sich, wartete allerdings rund 20 Minuten im Auto, bis der Regenguss etwas nachließ. Dann stapfte er die rund 200 m hinab zum uralten Klosterkomplex, der aus drei Kirchen besteht: eine aus dem 5 Jhdt, eine aus dem 7. Jhdt, die dritte aus dem 7. oder 8. Jhdt. - alle in verschiedenen Baustilen erbaut und damit fast ein architekturgeschichtliches Freilichtmuseum. Vor 400 Jahren wurde das Kloster aufgegeben, als das Neue Schuamta entstand. Erst vor 80 Jahren entdeckte man die vergessenen Kirchen im tiefen Wald und restaurierte sie. Don Curry fühlte sich fast wie ein Entdecker, so ganz allein mit diesen drei altehrwürdigen Bauwerken. Als er sich auf den Weg zurück zu Xerra machte, kam ihm eine Gruppe Kinder mit Begleitern entgegen, während der Regen wieder zunahm. 

Auf das Neue Schuamta verzichtete er vorläufig und fuhr seinem heutigen Hotel entgegen. Bereits gestern hatte er sich aus der großen Auswahl in Telawi das "The Wine Hotel" ausgesucht. Das lag zwar ziemlich am Stadtrand von Telawi, punktete dafür mit eigenem Balkon und Panoramasicht auf den Kaukasus. Beim Einchecken erblickte Don Curry eine Werbetafel für die eigenen Weine des Hotels: der Liter für jeweils 3,30 €. Die ersten beiden Traubensorten kannte Don Curry bereits, ein Weißwein und ein Rotwein. Doch was sollte das dritte sein, irgendwas mit "Vo..."? "Das ist Chacha, Vodka", meinte schmunzelnd der Mann an der Rezeption. Ein Liter Wodka für 3,30 €??? Da freuen sich bestimmt die hiesigen Augenärzte, dachte Don Curry und machte keinen Selbstversuch. Stattdessen orderte er 1 Liter Saperavi, den bekanntesten Rotwein Georgiens. "Dann folgen Sie mir bitte in den Weinkeller", lud der Hotelmitarbeiter ein. Das ließ sich Don Curry nicht zweimal sagen. Georgische Weinkeller unterscheiden sich kategorisch von allen anderen Weinkellern dieser Welt. Während überall sonst große Holzfässer lagern oder Aluminiumtanks stehen, gibt es in georgischen Weinkellern seit Jahrtausenden vor allem eines: Löcher im Boden. Dort im Erdreich sind die Qvevri eingelassen, riesige Tonkrüge, die von mehreren hundert bis zu einigen tausend Litern Wein fassen. Diese besondere Lagerung verleiht den georgischen Weinen ihre Einzigartigkeit. Nach der Reifung im Qvevri, erklärte der Wein-Hotel-Mann, werden die Weine heutzutage dann aber in Aluminiumtanks umgefüllt. Und so zapfte er den Liter Saperavi in eine Plastikflasche ab und reichte sie Don Curry. Der ließ sich noch einiges über georgischen Wein erklären, erbat dann einen Restauranttipp für sein Abendessen und bezog sein Zimmer im 3. Stock - mit Balkon und Panoramasicht auf den Kaukasus unter Regenwolken.

Die Empfehlung des Hotelrezeptionisten war eindeutig gewesen: das Restaurant "Kapeloni" sollte Don Curry aufsuchen. Es liegt absolut zentral in der Innenstadt, direkt beim Königspalast von Telawi. Schnell fand Don Curry einen guten Platz auf der Veranda und studierte die umfangreiche Speisekarte. Er hatte inzwischen gelernt, dass man in georgischen Restaurants keine kompletten Mahlzeiten bestellt, sondern sämtliche Bestandteile seines gewünschten Essen einzeln zusammenstellen muss. In der Regel wird für den gesamten Tisch bestellt, damit sich nachher alle von dem bedienen können, was ihnen besonders gut schmeckt; dementsprechend sind die Portionen jeweils großzügig ausgelegt, weil sie mehrere Personen satt machen sollen. Für einen Einzelesser wird dieses Konzept allerdings zum Problem. Er wird zwangsläufig an der servierten Menge scheitern. Und noch etwas lernte Don Curry: in georgischen Restaurants gibt es keine einzelnen Gänge nacheinander. Was fertig ist, wird auf den Tisch gebracht; dann kommen die Kartoffeln und der Salat eben vor der Vorsuppe. Im Magen kommt sowieso alles zusammen...

Don Curry suchte sich aus der riesigen Auswahl einige Klassiker der georgischen Küche aus: die Rindersuppe Kharcho, gegrilltes Huhn, Kalbs-Kebab, georgische Bratkartoffeln "Ojakhuri", Tomaten-Gurken-Salat mit Walnuss, einen Korb Brot und - auf Empfehlung der Kellnerin - eine Granatapfelsauce. Das einzige Bier im Angebot stellte das in Georgien gebraute "Paulaner" dar; Don Curry wählte das "Ungefilterte" vom Fass. Recht schnell und in unvorhersehbarer Reihenfolge landete das Bestellte auf seinem Tisch. An einem Nachbartisch hatten sich inzwischen drei ältere deutsche Damen niedergelassen, die sich hörbar Sorgen machten über die allzu vielen köstlichen Speisen auf Don Currys Tisch. Doch der musste das entbehrte Mittagessen nachholen und konnte tatsächlich einen Großteil des Dargebotenen verspeisen, weil wirklich alles von unglaublich leckerer Qualität und Würzigkeit war. Oft sind georgische Speisen eher zurückhaltend gewürzt, im "Kapeloni" passte alles. Für sein gesamtes tischfüllendes Mahl musste Don Curry am Ende gut 20 € zahlen und war damit mehr als zufrieden. Anschließend streifte er noch etwas durch Telawis Innenstadt, kehrte dann zum Hotel zurück, öffnete den Saperavi und schlürfte auf seinem Balkon mit Kaukasusblick den wunderbaren Rotwein. Konnte man noch tiefer in Georgien eintauchen?

Was für ein Tag! Vom Selbsthol-Frühstück mit Sighnaghi-Blick bis zum georgischen Kulinarik-Feuerwerk in Telawi. Dazwischen platte Reifen und überfüllte Sehenswürdigkeiten. Aber insgesamt ein überaus positiver Tag, wie ihn Don Curry nicht besser hätte planen können. Manchmal darf es eben auch etwas improvisiert sein...


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